Affineur aus Erlangen
Mit Laib und Seele: Volker Waltmann veredelt 260 Käsesorten
11.1.2022, 11:27 UhrFünf Löffel Kakaopulver, etwas Puderzucker, ein Schuss Rum. Volker Waltmann verrührt die Masse, nimmt einen Löffel, probiert. "Oh, da habe ich es wohl mit dem Rum etwas zu gut gemeint", sagt er und kippt noch mehr Puderzucker in die Schüssel.
Die Zutaten erinnern an eine Konditorei, doch neben Waltmann liegen keine Kuchen oder Torten, sondern drei Käselaibe. "Die Schokolade harmoniert hervorragend mit dem Blauschimmelkäse", findet er. Bevor Waltmann die Kakaomasse auf dem Käse verteilt, sticht er mit einem Metallspieß Löcher in die Laibe, "damit die Schokolade in den Teig eindringen kann".
Geschmacklicher Höhepunkt
Volker Waltmann ist Maître Affineur, er veredelt und verfeinert Käse. Es gehe darum "Käse auf den reiflichen und geschmacklichen Höhepunkt zu bekommen", so der 53-Jährige. Er sieht sich als Bindeglied zwischen dem Hersteller, also dem Bauern, und dem Endverbraucher.
Waltmann öffnet einen der Kühlräume im Keller unter dem Ladengeschäft in der Friedrichstraße 10 in Erlangen. Ein würziger Geruch schlägt ihm entgegen. Vorsichtig legt er die Käselaibe auf das Metallregal. Daneben lagern Weichkäse in allen Formen und Größen.
Volker Waltmann ist mit dem Lebensmittelgeschäft aufgewachsen. Als sein Vater 1968 nach Erlangen kam, machte er sich mit einem Supermarkt selbstständig. Doch schon er habe die Vision gehabt, sich zu spezialisieren, sagt Waltmann.
Alles begann 1983
Nur 25 Meter entfernt von dem heutigen Laden gründete der Vater ein paar Jahre später ein Obst- und Gemüsefachgeschäft. Im Jahr 1983 eröffnete seine Mutter am heutigen Standort die "Käseecke". Das "Käsewissen der Deutschen beschränkte sich damals auf Camembert, Emmentaler und Gouda", sagt Volker Waltmann.
Familie und Bekannte hielten seine Mutter für verrückt, doch sie hatte ein Ziel: "Wenn die Leute Waltmann hören, sollen sie an Käse denken", sagt der Affineur. Als sich die Eltern trennten, übernahm der Vater die Käseecke. Damit war für Volker Waltmann klar: "Wenn ich was machen will, dann mach ich was mit Käse."
Im Kühlhaus fällt Waltmanns Blick auf einen besonderen Käse, den Brin d'Amour. Blaugraue und weiße, langhaarige Schimmelsporen überziehen den viereckigen Schafskäse. Volker Waltmann nickt zufrieden. "Das ist ein gutes Zeichen. Der muss schimmeln. Rohmilchkäse ist Natur pur."
Mit Trüffel verfeinert
Er schiebt seine Brille zurecht und greift nach einem wagenradgroßen Brie. Mit einem Draht teilt der 53-Jährige den Käselaib und nimmt die obere Hälfte ab. Den Frischkäse für die Füllung des Brie aux Truffes hat er zuvor schon mit schwarzem Trüffel verfeinert.
Von den 260 Käsesorten, die Waltmann vertreibt, kommen rund 85 Prozent aus Frankreich, seiner zweiten Heimat.
Als er mit 17 Jahren bei der Industrie- und Handelskammer nach einem Ausbildungsplatz zum Maître Affineur fragte, gab es keine Möglichkeit für eine solche Lehre und sie schickten ihn nach Freiburg im Breisgau, wo er in einem Feinkostgeschäft die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann machte. "Es hieß, die würden da Käse verfeinern", sagt Waltmann. "Aber weit gefehlt."
Initiative des Vaters
Nach der Ausbildung bekam er durch die Initiative seines Vater einen Praktikumsplatz bei einem Maître Affineur in Frankreich und wurde dort in die klassische Affinage eingeführt, also das Drehen, Wenden und Bürsten von Käse.
Im Backsteinkeller, einem weiteren Kühlraum, lagert der Käse in Holzregalen. Dicht an dicht liegen die Laibe nebeneinander. Waltmann nimmt einen handtellergroßen Käse und drückt ihn seitlich mit Daumen und Zeigefinger leicht zusammen. "Damit prüfe ich, ob die Rinde noch schön geschmeidig und cremig ist und keine Risse hat. Denn durch Risse können Keime eindringen."
Um das zu verhindern, behandelt er die Käselaibe regelmäßig mit verschiedenen Flüssigkeiten, wie Whiskey, Gin oder Bier. Das Vorgehen wird als feuchte Affinage bezeichnet. "Das bringt den Geschmack nochmal auf eine andere Ebene", sagt Waltmann.
Dreijährige Reise
Auch diese Techniken hat er in Frankreich gelernt. Nach seiner Ausbildung reiste er drei Jahre durch die verschiedenen Regionen.
In Klöstern bekam er die Kunst der feuchten Käseveredelung gezeigt. Auf Bauernhöfen erhielt er Einblicke in die Tierhaltung, Fütterung und Käseherstellung. "Da habe ich verstanden, worauf es ankommt."
Waltmann bezieht seinen Käse immer noch am liebsten von kleinen Erzeugern. "In der Art und Weise, wie ich praktiziere, gibt es keinen einzigen anderen Affineur in Deutschland", sagt er.
Rauchiger Geruch
Im Kühlraum öffnet Waltmann den Deckel eines Holzfasses. Ein rauchiger Geruch steigt einem in die Nase. Über 15 Jahre war Whiskey in dem Fass, heute lagert darin ein deutscher Rotschmierkäse.
Waltmann nimmt einen Käse heraus und riecht daran. "Schon als ich im Jahr 2000 das Geschäft von meinem Vater übernommen habe, war mir klar: Wir müssen was Besonderes machen, um uns von der Masse abzuheben."
Weitere Folgen aus der Handwerkerserie: Die Flechterin - Der Glasmacher - Der Käseveredeler oder Affineur - Der Kuttler - Der Instrumentenbauer - Die Porzellanmalerin - Der Schneider
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