Fahrbericht
VW ID.3 im Test: Was das Update gebracht hat - und wo noch Schwächen sind
15.3.2024, 12:54 UhrWas er ist:
Ein 4,26 Meter langes Elektroauto im kompakten Golf-Format, mit dem VW im Jahr 2019 seine Fahrt in die batterieelektrische Zukunft begonnen hat. Der ID.3 ist seinerzeit das erste Modell auf Basis des sogenannten Modularen Elektro-Baukastens (MEB) gewesen, der inzwischen noch fünf weitere VW-Stromer trägt, aber auch Geschwister aus dem Stall anderer Konzernmarken wie Cupra (Born), Skoda (Enyaq) oder Audi (Q4 e-tron). Beim aktuell verkauften ID.3 spricht VW vollmundig von der zweiten Generation, tatsächlich handelt es sich aber um kein komplett erneuertes, sondern um ein nachgebessertes und aufgewertetes Modell.
Wie er aussieht:
Nach Art des Hauses VW ebenso unprätentiös wie extravaganzenfrei. Der ID.3 sollte ähnlich klassen- und zeitlos auf den Rädern stehen, wie es der Golf seit Jahrzehnten tut. Mit dem Facelift ist der Kompakt-Stromer etwas rundlicher und aerodynamischer geworden (Cw-Wert 0,263), die Front wirkt noch immer freundlich, kommt im Sinne der Windschlüpfigkeit aber ohne die frühere schwarze Leiste unter der Windschutzscheibe aus und hat optimierte Kühlluft-Öffnungen bekommen. Schlau: Die elektrische Kühlerjalousie öffnet sich nur dann, wenn Frischluftbedarf besteht, ansonsten bleibt sie geschlossen.
Wie er eingerichtet ist:
Wegen seines Interieurs hat sich der ID.3 zunächst eine Menge Missfallen eingehandelt: Unwürdiges Hartplastik, zweifelhafte Verarbeitungsqualität, anfällige Software, nerviges Bedienkonzept – oh je. Ist das jetzt besser geworden? In weiten Teilen ja. Upper-Class-Ambiente bietet der eher nüchterne ID.3 immer noch nicht. Aber er umgibt seine Passagiere nun mit einem deutlich aufgewerteten Interieur, der billig wirkende Kunststoff wurde durch wohnlicheren, weich aufgeschäumten ersetzt, serienmäßig gibt es einen 12 Zoll großen Touchscreen, der ein verlässlicher laufendes, schneller reagierendes Infotainment mit entwirrter Menüführung beherbergt. Das Lademenü beispielsweise ist in die erste Ebene umgezogen. Eine feine Sache ist das aufpreispflichtige, große Head-up-Display mit Augmented-Reality-Darstellung, das beispielsweise Abbiegepfeile und Orientierungslinien in die Windschutzscheibe projiziert.
Das Fahrerdisplay hinter dem Lenkrad ist aber immer noch vergleichsweise klein und bietet nur begrenzte Konfigurationsmöglichkeiten, die Mini-Touchflächen am Lenkrad lassen sich nicht immer präzise erfühlen, und auch die unbeliebten, nicht beleuchteten Slider für Temperatur und Lautstärke sind dem Bann der Innenarchitekten entgangen.
Auf Leder wird im Innenraum übrigens komplett verzichtet, er ist vegan, Türverkleidungen und Sitzbezüge bestehen aus einem Microfasermaterial, das zu rund 70 Prozent aus Recyclaten besteht.
Wie viel Platz er hat:
Der ID.3 geizt nicht an Raum. Der im Unterboden verbauten Batterien wegen besitzt die Sitzposition eine sachte Erhabenheit, auch Ein- und Ausstieg gelingen bequem. Weil im Fond ein Mitteltunnel fehlt, stellen selbst größer gewachsene Passagiere bequem die Füße ab, zudem bleibt ihnen ordentlich Luftraum über dem Scheitel.
Der Gepäckraum ist mit 385 bis 1267 Litern klassenüblich, aber nicht überdurchschnittlich dimensioniert. Mit einem Frunk, einem zusätzlichen Staufach unter der Fronthaube also, kann der ID.3 nicht dienen. Und eine Dachlast ist ebensowenig ausgewiesen wie eine Anhängelast, das bedeutet, dass der VW-Stromer weder eine Dachbox tragen kann noch einen Anhänger ziehen. Zumindest der Fahrradtransport ist aber gesichert, für knapp 400 Euro lässt sich eine Vorrichtung für einen Kupplungsträger ordern.
Was ihn antreibt:
Ein Elektromotor mit 150 kW/204 PS und 310 Newtonmetern Drehmoment, der auf die Hinterräder wirkt. Unser Testwagen, ein ID.3 Pro, war mit einem 58-kWh-Akku ausgestattet. Alternativ gibt es den ID.3 Pro S, der identisch motorisiert ist, aber auf eine 77-kWh-Batterie zurückgreifen kann.
Aktuell hat VW zusätzlich den sportlichen ID.3 GTX vorgestellt, der 210 kW/286 PS beziehungsweise – als Topmodell GTX Performance – 240 kW/326 PS leistet und eine Lithium-Ionen-Batterie mit 79 kWh Netto-Energiegehalt besitzt.
Wie er sich fährt:
Fahrtechnisch gehört der ID.3 zu den besten Elektroautos seiner Klasse. Handlich ist er (der Wendekreis beträgt nur rund zehn Meter) und auffallend leise, auch ohne das optionale Adaptivfahrwerk beherrscht er das Federn angenehm geschmeidig, Gullideckel und Asphaltflicken versickern mild. Dank des niedrigen Schwerpunkts darf man es gern auch mit Dynamik versuchen, forcierter angegangene Kurven lassen den ID.3 nicht die Fassung verlieren, und dank seiner 204 PS beschleunigt er erwartungsgemäß flott. Nach 7,3 Sekunden wird die Tempo-100-Marke passiert, anschließend geht es zügig weiter bis auf 160 km/h.
Der unkompliziert zu handhabende Adaptivtempomat arbeitet mit der Verkehrszeichenerkennung zusammen und übernimmt Tempolimits automatisch. Das ist praktisch. Allerdings lässt sich das System auf der Autobahn mitunter von Schildern irritieren, die eigentlich für Ausfahrten gelten, und das führt dann dazu, dass das Fahrzeug zur Irritation des Hintermanns unvermittelt abbremst.
Der „B“-Modus für verstärkte Rekuperation wird über den Fahrstufenwahlhebel rechts hinter dem Lenkrad aktiviert, bis zum Stillstand (One-Pedal-Driving) verzögert der ID.3 nach Lupfen des „Gaspedals“ aber nicht.
Das schmale Heckfenster und die breiten C-Säulen erschweren die Sicht nach hinten, doch dafür gibt es die Rückfahrkamera mit Umgebungsansicht, die ein klares Bild an den Touchscreen schickt. Zu den weiteren Kompetenzen des Assistenzpakets „Plus“ gehört es, dass dem ID.3 bestimmte individuelle Parkmanöver beigebracht werden können, die er dann abspeichert und selbstständig wiederholt.
Wie weit er kommt:
Bis zu 435 Kilometer mit einer Akkuladung. Sagt zumindest das Datenblatt. Da macht die Realität nicht mit. Bei allerdings kühlen Temperaturen im einstelligen Bereich haben wir maximal gut 300 Kilometer geschafft.
Was er verbraucht:
Noch einmal ein Blick ins Datenblatt: Von 14,9 kWh/100 km ist dort die Rede. Auch davon sind wir eine Ecke entfernt geblieben. Inklusive Ladeverlusten hat unser Testwagen im Schnitt und im Mix aus Autobahn, Landstraße sowie Stadtverkehr 21 kWh/100 km an Strom verstoffwechselt. Die stromsparende Wärmepumpe kostet 990 Euro extra.
Wie er lädt:
An der Wechselstrom-Wallbox mit bis zu 11 kW, an der DC-Schnellladesäule mit maximal 120 kW. Wir wissen, dass letzteres nur unter idealen Bedingungen passiert. Doch unser Testwagen hat im besten Fall mit 66 kW geladen, und das auch lediglich während eines kurzen Peak-Moments. Ansonsten waren um die 55 kW der Regelfall. Ziemlich konstant zwar, aber dennoch enttäuschend, weil es die Ladezeit deutlich über die herstellerseitig angegebenen 35 Minuten (fünf bis 80 Prozent) hinaus verzögert.
Zugute halten darf man dem ID.3, dass mit ihm Plug & Charge möglich ist, er kann sich also an der Ladesäule automatisch authentifizieren, der Ladevorgang startet dann ganz ohne Ladekarte oder App. Gut funktioniert auch die Laderoutenplanung, die sinnvolle Ladestopps vorschlägt, in die Routenführung integriert und bei der Prognose nicht nur den Ladestand der Batterie berücksichtigt, sondern ebenso die aktuelle Verkehrslage. Mit sinnvoll ist auch gemeint, dass das System beispielsweise lieber mehrere kurze Ladepausen mit hoher Ladeleistung und einem Ladeziel von 80 Prozent (das geht vergleichsweise fix) einplant statt einen einzigen, aber langen Halt bei niedriger Leistung und/oder angestrebter Vollladung. Auch wenn der Stromvorrat unterwegs früher als erwartet zur Neige geht, schaltet sich das Navi ein und integriert einen Besuch an der Ladesäule in die Route.
Was er bietet:
Der ID.3 Pro bringt ab Werk unter anderem LED-Scheinwerfer, beheizbare Außenspiegel, Ambientebeleuchtung, Tempomat, Spurhalteassistent, Verkehrszeichenerkennung, Fernlichtassistent, kabellose Smartphone-Integration via Apple CarPlay und Android Auto, Klimaanlage und ein schlüsselloses Startsystem mit. Vieles muss noch extra bezahlt werden – Leichtmetallräder etwa, Head-up-Display, LED-Matrix-Scheinwerfer, Adaptivfahrwerk, Rückfahrkamera oder Navi, die sich in diversen Paketen verstecken.
Manches kann auch noch nachträglich per Over-the-Air-Update (OTA) freigeschaltet werden, der Tempomat beispielsweise, der Abstandstempomat oder das Navigationssystem.
Was er kostet:
Ab 39.995 Euro. Eigentlich. Denn noch bis Ende März 2024 gewährt VW Einzelkunden eine Aktionsprämie von 5235 Euro, Privatpersonen erhalten außerdem einen E-Mobilitäts-Bonus in Höhe von 1785 Euro. Kommt beides zusammen, reduziert sich der Kaufpreis um 7020 auf 32.975 Euro.
Was wir meinen:
Die Modellpflege hat dem ID.3 gutgetan. Er wirkt nun hochwertiger und hat sich seiner Schwächen beim Infotainment entledigt. Trotzdem ist die Bedienbarkeit noch immer nicht perfekt, modernere ID-Modelle – vor allem der ID.7 – zeigen, wie es auch gehen kann. Eine sehr überzeugende Leistung liefert der ID.3 beim Fahrverhalten ab, am meisten enttäuscht hat uns die DC-Ladeleistung.
Auf die Verkaufszahlen haben die Verbesserungen noch nicht eingezahlt, aufgrund der schwachen Nachfrage hat sich VW dazu entschieden, den ID.3 weiterhin nur im sächsischen Zwickau und nicht auch in Wolfsburg zu bauen. Eine Nachfolgegeneration dürfte es ohnedies nicht geben – sehr wahrscheinlich ist es, dass der ID.3 von einem vollelektrischen Golf 9 abgelöst wird.
Datenblatt: VW ID.3 Pro
Antrieb: Elektromotor, 1-Gang-Automatik, Hinterradantrieb
Leistung: 150 kW/204 PS
Systemdrehmoment: 310 Nm
Batterietyp: Lithium-Ionen
Batteriekapazität: 58 kWh (netto)
Ladeleistung: AC bis 11 kW, DC bis 120 kW
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 7,0 sec
Reichweite WLTP: 435 km
Normverbrauch WLTP: 14,9 kWh/100 km
Testverbrauch: 21 kWh/100 km
CO2-Emission: 0 g/km
Emissionsklasse: AX
Länge: 4,26 m
Breite: 1,81 m ohne, 2,01 m mit Außenspiegeln
Höhe: 1,56 m
Sitzplätze: 5
Gepäckraum: 385 – 1267 l
Leergewicht: 1821 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: 2280 kg
Anhängelast: -
Stützlast: -
Dachlast: -
Reifen: 215/55 R 18
Versicherungs-Typklassen: 14 (HP), 19 (TK), 19 (VK)
Grundpreis: 39.995 Euro
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