Hohe Qualität und akzeptable Preise
Austern, Muscheln und Meer: Wie sich Schweden zum Food-Mekka für Meeresfrüchte-Liebhaber entwickelt
15.6.2024, 08:00 UhrDie blauen und grünen Stricke, die vom Steg auf der Insel Käringeholmen ins Wasser hängen, würde man normalerweise übersehen. Dabei hängt an ihrem Ende, nur wenige Meter tief im Wasser, ein wahres Luxusgut: Körbe voller Austern.
An die Dekadenz, die man normalerweise mit Austern verbindet, erinnert hier allerdings nichts: kein feines Restaurant, kein Silberbesteck und schon gar kein Champagner. Auf der fünf Hektar großen Insel steht nur ein einziges, wenige Quadratmeter großes Haus. Die wohlige Wärme darin kommt vom kleinen Holzofen. Gekocht wird vor der Tür auf einem Gasherd.
An dem Steg wiegt im von der Sonne glitzernden Wasser das im Jahr 1952 gebaute Fischerboot, mit dem Lars Marstone die Gäste auf seine Insel bringt. Die sind trotz klarem blauen Himmel und Sonnenschein eingepackt in dicke Anzüge, um ihre Glieder vor dem kalten Wind zu schützen.
Doch der kalte Wind stört an diesem Nachmittag im Frühjahr trotzdem niemanden: Der Blick der Gäste liegt gespannt auf Marstone, der mit wenigen Handgriffen einen der zuvor noch im Wasser treibenden Austernkästen nach oben zieht. Dann zückt er sein Austernmesser und öffnet gekonnt eine Muschel nach der anderen.
Viele Schweden aßen lange keine Austern
Seit 15 Jahren bieten Lars Marstone und seine Frau jeden Freitag und Samstag eine Austern- und Muscheltour für ihre Gäste an. Im Paket: Austern, so viele man essen kann, dazu eine große Pfanne frisch gekochter Muscheln als zweiter Gang. Zu Trinken gibt es Bier und Soda.
Dass die Westküste Schwedens reich an kulinarischen Köstlichkeiten ist, war für die Bewohner selbst lange Nebensache. Noch bis Anfang der 2000er Jahre, so erzählen es Lars Marstone und seine Frau, hatten in der Gegend um Bohuslän die wenigsten Einwohner je Austern gegessen. Und sogar noch heute gäbe es viele, die um Schalentiere einen Bogen machen.
Doch sowohl in Schweden als auch im Ausland ist die Nachfrage nach Austern mittlerweile enorm gestiegen. Dem Westen Schwedens kommt dabei zugute, dass hier gleich zwei Arten geerntet werden können: schwedische und japanische Austern.
Letztere liegen in seichteren Gewässern und können deutlich größer werden als ihre schwedischen Artgenossen. Die einheimischen europäischen Austern, die man hier ganz einfach "schwedische Austern" nennt, liegen in einer Tiefe von bis zu zehn Metern. Ihr Fleisch, das oft leicht nussig schmeckt, ist charakterisiert durch das reine Meerwasser und die rauen Bedingungen, unter denen das Tier aufwächst: kalte Winter und kein menschliches Zutun wie etwa bei Zuchtaustern.
Was die beiden Austernarten dort gemeinsam haben? Frisch schmecken sie köstlich - und sie sind gesund: fettarm und doch reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen. Auch deshalb dauert es an diesem Nachmittag eine Weile, bis auch der letzte Gast auf die wiederkehrende Nachfrage von Lars Marstone "Noch eine?" mit einem Seufzer abwinkt.
Göteborgs Fischrestaurants sind günstig - trotz hoher Qualität
Sogenanntes "blue food" ("blaues Essen") erlebt in Schweden derzeit einen wahren Boom, der in Göteborg, das sie in der zweitgrößten Stadt des Landes an jeder Ecke probieren können. Im Zentrum hat heuer die alte Fischhalle wieder eröffnet. Dort dürfen Hobbyköche Fisch und Meeresfrüchte sogar selbst zubereiten - wer mag, wird natürlich auch bekocht.
Nur wenige Gehminuten davon entfernt findet sich die Markthalle "Saluhallen", die unter anderem Fischrestaurants und trendige Weinbars beherbergt. Wer dann noch nicht genug hat von Fisch und Meeresfrüchten, lässt den Abend mit einem Mehrgänge-Menü im Restaurant "Vra" ausklingen. Die Köchin hat mehrere Preise für ihre japanisch-schwedische Fusions-Küche gewonnen.
Wer dort isst, findet möglicherweise auf einem seiner Teller – oder in einem seiner Getränke – auch noch etwas anderes als Muscheln, Fisch oder Austern, nämlich Seetang. Dass dieses meist geschmähte Meeresgrün mittlerweile für Gerichte genutzt wird, hat Schweden vor allem Linnea Sjögren zu verdanken.
In Göteborg trifft man Sjögren allerdings eher selten. Ihr Gebiet, wie soll es bei dieser Leidenschaft auch anders sein, liegt rund 150 Kilometer entfernt direkt am Meer: wo Schweden wirklich aussieht wie Bullerbü, nur eben mit viel Wasser drumherum. Da liegt die Kleinstadt Grebbestad. Dort bietet Sjögren neben Kochkursen oder Seminaren zum Thema Seetang auch Safaris für interessierte Gäste an.
In einen dicken Neoprenanzug gehüllt, steigt sie mit oder ohne Gästen ins kalte Wasser, um die verschiedenen Arten der Algen zu ernten. Zwischendurch sind lediglich ihre Flossen zu sehen, dann erscheint ihre Hand samt eher unappetitlich aussehendem braunen Seetang. Ihr Gesicht dagegen zeigt Begeisterung, während sie den Gästen erklärt, welche Art sie da gerade in der Hand hält.
Wieder an Land geht die Expedition dann aber erst richtig los: In einem Topf, der über einer kleinen Gaskartusche aufgestellt ist, zeigt sie ihren Gästen, für was Seetang alles genutzt werden kann: Manche eignen sich als Gesichtsmaske, andere als Tee oder Salat und dann gibt es noch eine besondere Art von Alge mit kleinen Nüssen in den Blättern. "Wenn man die bei 70 Grad trocknet, kann man sie einfach so essen", erklärt Sjögren und öffnet ein kleines Glas, um ihre Gäste probieren zu lassen.
Aus Tests mit Seetang wurde eine Delikatesse
340 verschiedene Arten von Seetang gibt es in Schweden, in Südafrika seien es noch viele mehr. Vor einigen Jahren habe sich dafür noch niemand interessiert, so Sjögren - auch sie nicht: "Alles begann mit einem Artikel in einem Essensmagazin. In dem Artikel ging es darum, was man mit Seetang alles machen kann. Aber dass viele, die es nutzen, es aus China importieren", erinnert sie sich. Also sei sie ins Meer gestiegen, habe selbst Seetang gesammelt und begonnen, damit zu experimentieren.
Heute ist aus diesem Versuch ein erfolgreiches Unternehmen erwachsen. Und Seetang ist - wie eben auch Austern - mittlerweile in ganz Schweden und über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Mehr Informationen:
West Sweden Tourist Board, www.westsweden.com, Tel.: +46 (0)704 35 49 38
Anreise: Direktflüge von Frankfurt oder München oder von Nürnberg über Amsterdam. Beste Reisezeit: Mitte Oktober bis Mitte Mai am günstigsten, im Sommer besseres Wetter.
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