Kompakter Stromer im ersten Check
Zeekr X: Wir testen den neuen Elektro-Crossover aus China
7.10.2023, 15:35 UhrDie Elektromobilität bringt es mit sich, dass der deutsche Autokäufer Bekanntschaft mit einer ganzen Reihe neuer Namen macht. Chinesisch – wie etwa Xpeng – hören sich nur wenige an. Und doch kommen viele der Newcomer aus dem Reich der Mitte. So wie Zeekr, was keinesfalls wie Zehker auszusprechen ist, sondern ebenso cool wie global verständlich dem englischen Zungenschlag folgt und als „Sieker“ über die Lippen kommt.
Aus gutem Haus
Lohnt es sich, den Namen auf der inneren Festplatte abzuspeichern? Vermutlich ja. Zeekr ist zwar eine junge Marke, die erst 2021 gegründet wurde. Doch sie hat illustre Schwestern. Die bekanntesten sind Volvo, Smart und Lotus, bei zwei weiteren handelt es sich um Polestar und Lynk. Allesamt gehören sie zur chinesischen Geely Holding, die im Jahr 2022 weltweit über 2,3 Millionen Autos verkauft hat und somit ein echtes Schwergewicht im Business ist.
Hinter Geely steckt Geld – viel Geld. Die geballte Finanzkraft soll Zeekr nun auch in Europa und in Deutschland bei der Marktdurchdringung helfen. Die ersten Fahrzeuge sind bereits auf dem Seeweg unterwegs von Shanghai ins belgische Zeebrugge, noch in diesem Jahr werden sie in den Niederlanden sowie in Schweden ausgeliefert. Im ersten Halbjahr 2024 sind dann auch deutsche Kunden dran. Unter zwei Modellen können sie wählen, beide vollelektrisch, was anderes kommt Zeekr gar nicht erst aufs Schiff nach Europa.
Beim Zeekr 01 handelt es sich um einen Shooting Brake, einen sportlichen Kombi also, der für Zeekrs Deutschland-Chef Markus Schröder „die DNA unserer Marke“ verkörpert. Das zweite, jetzt vorgestellte Modell heißt nicht etwa Zeekr 02, sondern Zeekr X. Das X gibt bereits einen Hinweis auf die Identität als Crossover; mit kompakten 4,43 Metern hält sich der Zeekr X größentechnisch im Umfeld von Audi Q3, BMW X1, Mercedes GLA oder Volvo XC40 auf. Wie alle Zeekr-Modelle – einschließlich derer für China - wurde er in Geelys globalem Designzentrum entworfen, das sich im schwedischen Göteborg befindet, wo die Chinesen auch ein topmodernes Forschungs- und Entwicklungszentrum betreiben.
Die Technik teilt sich der Zeekr X mit dem kommenden Volvo EX30 sowie dem Smart #1, die beide ebenfalls auf der speziell für E-Autos ausgerichteten SEA-Plattform (Sustainable Experience Architecture) basieren. Das vielbeschworene chinesische Billig-Elektroauto ist freilich auch der Zeekr X nicht. Im Gegenteil: Zeekr betrachtet sich nach eigenem Selbstverständnis als Premium-Marke, was Kleineres als der X werde nicht nach Europa kommen, stellt Deutschland-Chef Schröder klar. Auch die Chinesen wollen Geld verdienen, und das funktioniert am besten im Edel-Segment.
Im Gegensatz zum eleganten Zeekr 01 pflegt der Zeekr X einen anderen Look - gelungen sportlich und gerade so extrovertiert, dass er noch spannend wirkt, ohne aber das Auge überzustrapazieren.
Bis zu 445 Kilometern Reichweite
Zwei Antriebsvarianten stehen zur Wahl, die jeweils einen Lithium-Ionen-Akku mit NMC-Zellchemie (Nickel-Mangan-Cobalt) und 69 kWh Energiegehalt nutzen. Die heckgetriebene Variante „Long Range RWD“ leistet 200 kW/272 PS, produziert 343 Newtonmeter Drehmoment und schafft nach WLTP-Standard eine Reichweite von bis zu 445 Kilometern. Das zweimotorige Allradmodell „Privilege AWD“ wiederum ist 315 kW/428 PS stark, das Drehmoment beträgt 543 Newtonmeter, die WLTP-Reichweite wird mit maximal 425 Kilometern angegeben.
Die Innenraumgestaltung untermauert den Premium-Anspruch der jungen Marke. Beeindruckend hochwertig hat Zeekr das Interieur hinbekommen, und stilsicher obendrein. Sehr clean, sehr reduziert, sehr geschmackvoll sieht die Gesamtkomposition aus, von wegen China-Firlefanz. Serienmäßig schickt ein Glasdach viel Licht ins Wageninnere, das im Übrigen komplett vegan ausgestaltet wurde. Auch ein Head-up-Display mit Augmented-Reality-Darstellung wird ab Werk mitgeliefert, deshalb ist es kein Schaden, dass das Fahrerdisplay verhältnismäßig klein ausfällt. Eher schon haben wir es als Manko empfunden, dass ein Handschuhfach fehlt, in das sich der übliche Kleinkram wie die Parkscheibe oder das Päckchen Taschentücher sauber wegräumen lässt.
Zu viel des Digitalen
Als zentrales Bedienelement dient der große Hauptbildschirm, über den die allermeisten Einstellungen laufen, was eine gewisse Einarbeitung in die nicht durchweg einleuchtende Menüführung erfordert und leider auch Funktionsträger wie die Außenspiegel und die Rekuperation betrifft. Vor allem letztere müsste fixer zu variieren sein, zum Beispiel über Lenkradwippen oder per Knopfdruck, denn wer nach einer Ortseinfahrt schnell auf eine intensivere Stufe umschalten möchte, sollte aus Gründen der Ablenkung nicht erst ein Untermenü aufsuchen müssen.
Der Zeekr X spürt über Sensoren, dass der Fahrersitz belegt ist, es genügt also, den Fahrstufen-Wählhebel am Lenkrad auf „D“ – oder R“ – zu rücken, um den Wagen in Bewegung zu versetzen. Das tut er mit elektroautotypischem Elan; vor allem bei der AWD-Variante löst der Druck aufs Fahrpedal einen überaus energischen Vorwärtsdrang aus, insbesonders im „Sport“-Modus, der Sprint von 0 auf Tempo 100 wird in 3,8 Ratzfatz-Sekunden abgearbeitet.
Klar, das macht Spaß. Dennoch fanden wir uns schon mit dem RWD-Zeekr völlig ausreichend und mehr als nur grundversorgt. Eine wohltuende Mühelosigkeit bestimmt den Fahreindruck, zum entspannten Feeling tragen auch die gut konturierten Sitze und der sehr ordentliche Fahrkomfort bei, in dem die Durchschlagskraft herberen Untergrunds wirkungsvoll verebbt. Andererseits verleitet das weich abgestimmte Fahrwerk den Wagen bei zügiger Kurvenfahrt zu einer gewissen Seitenneigung und beim Abbremsen dazu, etwas in die Knie zu gehen, bis zum Marktstart sollte Zeekr hier noch nachstraffen.
Von der Rekuperation ist bereits die Rede gewesen, sie lässt sich dreistufig bis hin zum One-Pedal-Driving intensivieren, das antriebswiderstandsfreie „Segeln“ beherrscht der Zeekr jedoch nicht.
Eine gute Vorstellung liefert der Zeekr X beim Laden ab. Wechselstrom aus der Wallbox tankt er dreiphasig und mit bis zu 22 kW, da kann nicht jeder Konkurrent mithalten. In vier Stunden ist der leere Akku wieder komplett befüllt. Die DC-Schnellladesäule wird mit bis zu 150 kW angezapft, von zehn auf 80 Prozent Ladestand geht es nach Herstellerangaben in einer knappen halben Stunde. Ein schickes Detail ist das kleine, runde Display auf der B-Säule, von dem sich der Akkustand, die Reichweite und die restliche Ladezeit ablesen lassen.
Navi mit Laderoutenplanung
Zu den wichtigsten Eigenschaften, auf die Elektromobilisten bei ihrem E-Auto achten sollten, zählt die Laderoutenplanung des Navis, denn da gibt es unter den Stromern große Unterschiede. Dem Zeekr X würden wir eine Zwei bis Drei ins Zeugnis schreiben. Ist das Ziel mit dem aktuellen Akkustand nicht zu erreichen, werden kundig Ladestopps vorgeschlagen, und man kann sich über eine Filterfunktion auch nur Schnellladestationen anzeigen lassen – gut so. Der Betreiber ist aber nicht auszuwählen, und ebensowenig wird kommuniziert, wie viele Ladepunkte gerade frei sind, mit welchem Ladestand (SOC) man ankommt und wie lange und bis zu welchem SOC man sinnvollerweise aufladen soll.
An vielerlei Fahrassistenten gebricht es dem Zeekr X nicht, und an gängigen Sicherheitsfeatures auch nicht. Es gibt nach Tesla-Vorbild sogar einen sogenannten Pet-Mode, der – wenn Kinder oder Tiere im abgestellten Auto zurückbleiben – die optimale Temperatur einstellt und Passanten via Touchscreen dahingehend beruhigt, dass es den Insassen gut geht. Der Sentinel Mode wiederum sorgt dafür, dass automatisch ein Video aufgenommen wird, wenn sich in der Umgebung des geparkten und verriegelten Fahrzeugs verdächtige Aktivitäten abspielen. Die Aufnahmen werden auf einem speziellen USB-Gerät gespeichert, zugreifen, so versichert Zeekr, können nur der Fahrer beziehungsweise die Fahrerin.
Kann auch wiehern
Ein weiteres ungewöhnliches Feature ist die Möglichkeit, über einen Außenlautsprecher Fußgänger oder Radler anzusprechen, die so einen Elektroauto-Schleicher ja nicht immer kommen hören. So weit, so ernsthaft. Die Kommunikation geht aber auch lustig und mit vorinstalliertem Fun-Faktor: Übers Infotainment lassen sich dem Zeekr verschiedene Sonder-Sounds entlocken – mal schnauft und tuckert er wie ein Traktor, mal miaut er wie eine Katze, mal wiehert er wie ein Pferd. Wir haben es ausprobiert, und die Passanten hat’s erheitert.
Kein Billig-Auto
Für den Long Range RWD ruft Zeekr ab 44.900 Euro auf, für den stärkeren und allradgetriebenen Privilege mindestens 49.490 Euro. Wer jetzt bestellt, dem stellt die Zeekr-Website eine Auslieferung zwischen April und Juni 2024 in Aussicht. Auf die Batterie gibt es acht Jahre oder 200.000 Kilometer Garantie, auf das Fahrzeug selbst zehn Jahre beziehungsweise ebenfalls 200.000 Kilometer, sofern man mit der Wartung den Zeekr-Service betraut. Wo die entsprechenden Service-Center entstehen, ist derzeit noch unklar. Denkbar sei es auch, sagt Zeekrs Europachef Spiros Fotinos, dass mobile Serviceteams direkt vor die Haustür kommen.
Auch mit einem klassischen Händlernetz planen die Chinesen nicht. Stattdessen erfolgt der Vertrieb online, als physische Anlaufstellen dienen Showrooms in bevorzugten Innenstadtlagen. Nur zwei sollen innerhalb der nächsten beiden Jahre auch in Deutschland öffnen, einer in München und einer in Düsseldorf. Nicht nur an neue Namen müssen sich deutsche Autokäufer wohl gewöhnen – sondern auch an neue Wege, die beim Kauf zu gehen sind.
Zeekr X in Kürze:
Wann er kommt: Bestellungen bereits möglich, Auslieferung im ersten Halbjahr 2024
Wen er ins Visier nimmt: Volvo EX30, Volvo XC40 Recharge Pure Electric, Mercedes EQA, BMW iX1
Was ihn antreibt: Elektroantrieb. Zeekr X RWD Long Range mit 200 kW/272 PS und Heckantrieb, Zeekr X Privilege AWD mit 315 kW/428 PS. Batteriekapazität 69 kWh.
Was er kostet: Ab 44.900 Euro
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