Erster Test
Zeekr 001: Wie gut ist das neue Luxus-Elektroauto aus China?
17.7.2023, 16:19 UhrNoch gar nicht lange ist es her, da begann das gängige Auto-Alphabet mit A wie Alfa Romeo oder Audi und endete bei V wie Volkswagen oder Volvo. Jetzt aber kommt komplettierend der Buchstabe Z hinzu. Z, das steht für Zeekr, ein Kunstwort, das „Sieker“ ausgesprochen wird.
Marke aus gutem Haus
Dass der Auto-Kunde Bekanntschaft mit neuen Namen macht, ist auf die Elektromobilität zurückzuführen, viele der Newcomer kommen, wie eben Zeekr, aus China. In der alten Verbrennerwelt seien Karrierechancen für solch neue Marken und Hersteller „definitiv nicht“ denkbar gewesen, sagt Spiros Fotinos, der Zeekr Europe als CEO vorsteht. Dabei ist Zeekr keineswegs ein kleines Start-up, das jetzt mal sein Glück mit vollelektrischen Fahrzeugen versucht. Die neue Marke stammt aus gutem Haus. Konzernmutter ist Geely, ein weltweit operierendes Unternehmen, zu dem unter anderem Volvo, Polestar, Lotus oder Lynk gehören und das knapp über die Hälfte der Smart-Anteile besitzt. Und speziell Zeekr arbeitet gemeinsam mit Waymo (wie Google eine Alphabet-Tochter) am autonomen Robotaxi.
Wer erahnen will, wie ernst es Geely mit seinen Ambitionen meint und wie viel Geld dahintersteckt, muss nur einen Blick auf den großen und topmodernen Komplex des Design- und Technologiezentrums im schwedischen Göteborg werfen, in dem rund 1500 Mitarbeiter aus 31 Nationen arbeiten. Auch für Zeekr hat man sich deutsche und europäische Expertise auf Top-Niveau gesichert. Als Chefdesigner wurde beispielsweise der gebürtige Münchner Stefan Sielaff verpflichtet, ein Mann mit hochqualifizierter Vergangenheit bei Mercedes, Audi oder Bentley; Europa-Chef Fotinos wiederum hat drei Jahre lang an der Spitze von Lexus Europe gestanden.
So viel zum Hintergrund. Jetzt wird Zeekr in Europa auch modellpolitisch konkret, und zwar ausschließlich vollelektrisch. Noch in diesem Jahr starten das Kompakt-SUV Zeekr X und der luxuriöse Shooting Brake Zeekr 001 in Schweden und in den Niederlanden (die Europazentrale sitzt in Amsterdam) durch, im ersten Halbjahr 2024 soll das in China produzierte Duo dann auch nach Deutschland kommen. Beide Modelle basieren auf Geelys sogenannter „Sustainable Experience Architecture“ (SEA), die speziell für Elektroantrieb entwickelt wurde und auch bei Volvo, Polestar und Smart zum Einsatz gelangt.
Zeekr 001 als Flaggschiff
„Der Zeekr 001 ist unser Flaggschiff“, sagt Spiros Fotinos. Wie auch der kleinere Zeekr X ist der 001 ein sehr schönes Auto geworden, eines, in dem man sich bestens sehen lassen kann. Auf 4,95 Meter Länge streckt sich der Shooting Brake (was letztlich einen sportlichen Kombi meint), seine Überhänge sind kurz, die Seitenscheiben rahmenlos, die Türgriffe im Sinne der Aerodynamik bündig integriert, und über die Häupter der Insassen zieht sich ein umfänglich lichtspendendes Panoramadach.
Der Innenraum beherbergt fünf Insassen nicht nur in sehr zufriedenstellender Raumfülle, sondern demonstriert vor allem eindrucksvoll, auf welch hohem Qualitätslevel die Chinesen inzwischen angelangt sind. Dass Zeekr sich als Premiummarke mit Luxus-Anspruch versteht, hat seine Berechtigung. Die Verarbeitungsqualität ist top, desgleichen die Materialauswahl, und sieht man einmal von einigen roségoldenen Dekoelementen und dem beschirmmützten Männchen im Bildschirm ab, hinter dem sich das Sprachdialogsystem verbirgt, konterkariert das reduziert gestaltete Interieur erfolgreich jenes Vorurteil, wonach es die Chinesen maximal schwülstig lieben. Das Geschmacksempfinden habe sich geändert, sagt Stefan Sielaff, es habe sich sehr dem europäisch/amerikanischen angenähert. „Chinas junge Generation will dieses Überdekorierte längst nicht mehr“, stellt der Designchef fest.
Zu viel läuft über den Touchscreen
Bis auf ganz wenige physische Taster konzentriert sich die Bedienung auf den voluminösen 15,4-Zoll-Touchscreen; dass das auch für die Einstellung der Lenkradposition, der Außenspiegel und der Rekuperationsstärke gilt, hat uns allerdings nicht gefallen. Gerade der Grad der Energierückgewinnung sollte sich abseits eines Untermenüs anwählen lassen, idealerweise über Lenkradwippen.
Zum Technischen: Zeekr bietet den 001 in drei Varianten an, die allesamt ein recht opulentes 100-kWh-Lithium-Ionen-Batteriepack als Energiespeicher nutzen. Unsere Kaufempfehlung würde dem heckangetriebenen Einstiegsmodell „Long Range RWD“ gelten. Die 200 kW/272 PS Leistung des Elektromotors sowie das Drehmoment von 343 Newtonmetern reichen dem 2,2-Tonnen-Schwergewicht mehr als aus, der Sprint von 0 auf 100 km/h geht in zügigen 7,2 Sekunden vonstatten, und die Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h unterscheidet sich erstens nicht von jener der stärkeren Modellversionen und besitzt, zweitens, gerade beim Elektroauto – Stichwort Reichweitenschwund - ohnehin nur hypothetischen Wert. Just die Reichweite ist die viel wichtigere Währung, und da besetzt der RWD mit nominell bis zu 620 Kilometern ganz klar die Pole Position im Modellprogramm.
Die beiden höher positionierten 001er namens „Performance“ und „Privilege“ besitzen jeweils einen zweiten Elektromotor an der Vorderachse, daraus resultieren Allradantrieb und eine Systemleistung von 400 kW/544 PS sowie 686 Newtonmeter Drehmoment. Dank der Dual-Motor-Power gelingt der 0-auf-100-Run in beeindruckender Wucht, nur 3,8 Sekunden nimmt er in Anspruch, das ist schon eine Ansage. Doch dafür müssen die schwereren Allradler (Performance AWD 2335 kg, Privilege AWD 2350 kg) auch früher wieder an die Ladesäule als Bruder Hecktrieb, nämlich „schon“ nach 590 beziehungsweise 580 Kilometern. Das sagt zumindest die Norm. Nach einer ersten Testfahrt, die uns am Steuer des „Performance“ durchs weitgehend flache und vor allem stark tempolimitierte Umland von Göteborg führte, stellte der Bordcomputer eine nicht allzu bescheidene Verbrauchsrechnung von 21,2 kWh Strom/100 Kilometer aus, theoretisch würde das für rund 470 Kilometer Strecke reichen.
Dynamische Fahreigenschaften
Dass sich „Performance“ und „Privilege“ leistungstechnisch auf Augenhöhe begegnen, wird der aufmerksame Leser bereits bemerkt haben. Die Abgrenzung erfolgt somit bei der Ausstattung, die beim Topmodell beispielsweise eine Luftfederung mit Adaptivdämpfern umfasst. Vermisst haben wir sie nicht. Schon der stahlgefederte Zeekr 001 fängt Störstellen im Asphalt sorgfältig ein, auch Wankbewegungen werden zuverlässig Grenzen gesetzt, und dank der präzisen Lenkung lässt sich der Shooting Brake zuverlässig steuern.
Ein Startknopf muss übrigens nicht bemüht werden, es genügt, die Fahrstufe „D“ zu aktivieren, um den 001 in Fahrbereitschaft zu versetzen.
Schnellladen mit 200 kW
An der Wechselstrom-Wallbox oder -Ladesäule bedient sich der Zeekr 001 mit bis zu 22 kW, das können nicht viele Stromer. Fünfeinhalb Stunden sollen für eine Komplettladung reichen. Der High-Power-Charger (Gleichstrom-Schnellladen) wird mit bis zu 200 kW angezapft, im Idealfall lässt sich der Akku binnen einer halben Stunde von zehn auf 80 Prozent befüllen. Für den Zeekr sprechen auch die versierte Laderoutenplanung, die das Navi für die Langstrecke entwirft, und der Umstand, dass das Fahrzeug mit optimal vortemperierter Batterie an der Ladestation ankommt.
Service vor der Haustür?
Ein klassisches Händlernetz wird es übrigens nicht geben. Der Vertrieb soll online und mit innerstädtischen Showrooms als physischen Anlaufstellen erfolgen. Interessant der Ansatz bei Service und Reparaturen: Beim Elektroauto, sagt Europachef Spiros Fotinos, könnten 80 Prozent der Arbeiten auch von mobilen Teams erledigt werden. Denkbar ist es daher, dass ein Servicemobil direkt vor die Haustür kommt.
In den Niederlanden ab 59.490 Euro
Die Preise für Deutschland sind bislang noch nicht bekannt. Einen ungefähren Anhaltspunkt kann das liefern, was in den Niederlanden aufgerufen wird, wo allerdings ein anderer Mehrwertsteuersatz gilt. Der Zeekr 001 kostet dort ab 59.490 Euro (Long Range RWD), das Kompakt-SUV Zeekr X wird ab 44.990 Euro angeboten. Das sind nicht gerade Schnäppchen-Konditionen, angesichts der gebotenen Ausstattung und dessen, was die Premium-Konkurrenz verlangt, aber doch sehr wettbewerbsfähig. Für Audi, BMW, Mercedes & Co. scheint Wachsamkeit angebracht.
Zeekr 001 in Kürze:
Wann er kommt: Im ersten Halbjahr 2024
Wen er ins Visier nimmt: Mercedes EQE, BMW i5, Porsche Taycan, Tesla Model 3 etc.
Was ihn antreibt: Im Heck verbauter Elektromotor mit 200 kW/272 PS. „Performance-“ und „Privilege“ mit zusätzlichem Frontmotor, Systemleistung 400 kW/544 PS. Batteriekapazität 100 kW.
Was er kostet: Preise noch nicht bekannt. In den Niederlanden ab 59.490 Euro.
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