28:37 gegen den Rekordmeister

Nur 20 sensationelle Minuten: HC Erlangen verpasst Überraschungscoup gegen Kiel

Andreas Pöllinger

Online-Redaktion, Sport

E-Mail zur Autorenseite

25.10.2024, 22:11 Uhr
Ob gegen Andreas Wolff oder Tomas Mrkva: Christopher Bissel war gegen den THW Kiel als treffsicherer Wurfartist auffällig.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold Ob gegen Andreas Wolff oder Tomas Mrkva: Christopher Bissel war gegen den THW Kiel als treffsicherer Wurfartist auffällig.

An einem Freitag, an dem die Herbstsonne herrlich über Handballfranken geschienen hatte, strahlte vom Videowürfel am Kurt-Leucht-Weg tief in der Nacht keine Sensation. Einer solchen angenähert hatte sich der HC Erlangen in der Arena Nürnberger Versicherung gegen den THW Kiel in den ersten 20 Minuten gleichwohl. Mit viel Wucht und Engagement war der HCE zum Teil sogar mehr als gleichauf. Die erstmals in dieser Saison ausverkaufte Heimhalle hatten die Rot-Blauen da voll mitgenommen, die wilde Vorstellung eines grellen Heim-Coups gegen den Rekordmeister gemeinsam entwickelt.

Als die Qualität des haushohen Favoriten stärker durchdrückte und sich die ein oder andere Ungenauigkeit in den eigenen Vortrag einschlich, visualisierten das jedoch auch die roten Ziffern in luftiger Höhe. Die Chance auf eine Sensation, die Erlangens zweiter Saisonsieg am achten Bundesliga-Spieltag bedeutet hätte, bot sich dem Sechzehnten des Erstliga-Rankings beim 28:37 (15:18) gegen Kiels Starsensemble nach 20 begeisternden Minuten nicht.

Lauter, treibender und auch hoffnungsfroh hatte sich das angehört in der prallgefüllten Arena zu Beginn. Sekunden nach Metzners Ausgleich jagte Nikolai Link den Ball nach einem vehement vorgetragenen Gegenstoß kühl ins Tor der Zebras, in dem Kiel-und-Bundesliga-Rückkehrer Wolff mit warmem Applaus begrüßt worden war. Der HCE war prompt da, die Arena war es auch. Mit der gemeinsam entfalteten Kraft und einer aufmerksamen und kompakten Abwehr kompensierte man über zwei Drittel der ersten Hälfte die ein oder andere Unsauberkeit auf dem Weg nach vorne. Zwischenzeitlich hinten beim spektakulären Schlagabtausch brachte Weitflieger Bissel Erlangen den HCE mit seinem Treffer zum 4:3 erneut nach vorne. Metzner, der dabei beide Innenpfosten und den Torwart zur Hilfe nahm, stellte mit Glück und Geschick auf 5:3 (8.).

Viel Auf und Ab und einige Ferlin-Paraden später war es in der ungemein temporeichen Partie erneut der hochmotivierte Metzner, der mit dem 7:5 und 8:6 erneut Zwei-Tore-Führungen der Hausherren auf den Videowürfel projizierte. Der haushohe Favorit hielt mit automatisierter Konsequenz im Abschluss unerbittlich dagegen. Der Funke war längst aber auf die Ränge gesprungen. Svensson traf im atmosphärischen Flächenbrand sehenswert.

HCE-Coach Schwalb feierte jede gelungene Abwehraktion, Gömmel und Metzner organisierten kampfstarken Gastgebern weitere Führungen. Trotz aller Unterstützung und Courage, trotz Svenssons Prachtwurf in den Winkel tat sich der HCE gegen hinten und vorne starke Kieler aber zusehends schwerer. Kapitän Duvnjak verantwortete einen Erlanger Drei-Tore-Rückstand (27.) und recycelte diesen vier Sekunden vor der Pausensirene glücklich.

Viel los gewesen war an diesem Abend im sportlichen Südosten der Stadt schon vor der Partie. Weil der 1. FC Nürnberg im benachbarten Max-Morlock-Stadion torreich am Ball war und im Regelbetrieb ein Verkehrschaos gedroht hätte, hatte die HBL den Spielbeginn eine halbe Stunde nach hinten verlegt. Verlängert hatte die Liga damit auch die Betriebsreise des THW Kiel.

Rund 3000 Kilometer hatten die Zebras zurückgelegt vor ihrer Ankunft an der Arena im Bus und im Flugzeug. Auf sieben Siege in Serie verlängert hatten die Norddeutschen ihre Erfolgsbilanz in Kroatien bei Nexe Nasice im Europapokal. Man wäre nicht in Nürnberg, "um nach dieser langen Auswärtstour ohne Zählbares nach Hause zu fahren," erklärte Kiels Wiencek der Sportbild vor dem letzten Stopp des Spitzenteams.

Die Präzision, mit der die Weltauswahl von der Förde einem Uhrwerk gleich ihre Angriffe auch nach Wiederbeginn vor 8400 Zuschauer vortrug und abschloss, verdeutlichte, wie ernst Wiencek das mit dem Punkten gemeint hatte. Bissel und Metzner fanden zunächst noch Antworten. Doch das Spiel rutschte dem HCE nun zunehmend davon.

Spätestens als Hendrik Pekeler beim Stand von 27:20 eine Sieben-Tore-Führung für Kiel herausgeworfen hatte (41.), hatte der Turnverein Hassee-Winterbek, der sich lange mächtig hatte strecken müssen, den atmosphärische Flächenbrand in der Arena gelöscht. Laut und treibend meldeten sich die Heimfans trotz allem noch zu Wort: etwa als Tim Gömmel seine schonungslose Treffsicherheit vom Siebenmeterstrich mit herrlichen Treffern als Rechtsaußen kombinierte.

Christopher Bissel hielt noch dagegen, als der Spielstand längst ein hoffnungsloser war. Leichter wird es für den HCE vorerst im Übrigen nicht. Das sehr anspruchsvolle Programm der Erlanger hatte Martin Schwalb, ihr Coach, mit Blick auf den Spielplan schon vor ein paar Wochen hervorgehoben. Bei Tabellenführer Melsungen darf man am 2. November ebenfalls keine Sensation erwarten.

Verwandte Themen


Keine Kommentare