Kommentar zum Weltfrauentag
Frauen sollten sich immer sicher fühlen können
8.3.2022, 06:00 UhrWenn mich eine gute Freundin abends besucht und den Heimweg antritt, fragt sie mich immer, ob ich sie begleiten kann - es sind nur etwa 300 Meter. Sie hat blonde, lange Haare, ist stark geschminkt, hat weibliche Kurven und scheut sich nicht zu zeigen, dass sie schön ist. Das sah ein Autofahrer an diesem Abend vor ein paar Monaten offenbar als Aufforderung anzuhalten und sie vehement "zu bitten" einzusteigen. Auch wiederholte Ablehnung meiner Freundin hatte keine große Wirkung, denn er versuchte es immer weiter.
Meine Freundin lief schneller und versteckte sich kurz in einem Hauseingang bis sie sich sicher war, dass er weitergefahren ist. Ich war nicht dabei - es sind ja nur 300 Meter von mir zu ihr. Seitdem laufe ich den kurzen Weg im Dunklen immer mit ihr.
Ich selbst bin eher sportlich gekleidet, habe keine schlanke Figur und entspreche nicht den gängigen Schönheitsidealen. Ich kann den 300-Meter-Weg dementsprechend ohne große Angst zurücklegen, ein unangenehmes Gefühl kann aber auch ich nicht leugnen.
In der Realität herrscht Angst
Die Zahlen beweisen, dass häusliche Gewalt zwar deutlich präsenter ist und sich in den meisten Fällen Opfer und Täter schon vor der Tat gekannt haben. Dennoch ist die Angst Realität. Die Angst, sexuell belästigt zu werden. Die Angst, lüsterne Blicke zu spüren. Die Angst, auf dem Heimweg angesprochen zu werden. Und im Zweifel ist Frau alleine.
Oft denke ich, unsere Gesellschaft ist schon weiter und es hat sich viel getan. Das ist bestimmt auch so. Aber wir haben noch lange keine Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Frauen verdienen immer noch in gleichen Positionen deutlich weniger. Frauen müssen immer noch Angst haben, wenn sie alleine im Dunkeln unterwegs sind. Frauen gelten immer noch als das emotionalere und schwächere Geschlecht.
Der Ursprung dieser Ungleichheit fängt spätestens dann an, wenn wir zur Welt kommen. Mädchen spielen in der Regel nicht Fußball, sondern gehen ins Ballet. Bücher im Schulunterricht werden von "starken Jungs" getragen, weil Mädchen das sicherlich nicht so gut können. Der Mann muss zahlen, weil die Frau finanziell schlechter aufgestellt ist. Das klingt alles nach alten Rollenbildern, ist aber nach wie vor Alltag von Frauen.
Frauen gleichwertig behandeln
Um zu ändern, wie Frauen sich fühlen, müssen Männer lernen, Grenzen von Frauen zu akzeptieren, Frauen gleichwertig zu behandeln. Und auch Frauen müssen lernen, an einem Strang zu ziehen, selbst, wenn sie nicht direkt von sexistischen und diskriminierenden Vorurteilen oder Übergriffen betroffen sind. Aussagen wie "Frauen sollen sich nicht so anstellen" oder "Das war ja nicht böse gemeint" lassen uns stagnieren und führen uns nur in eine neue Art von Sexismus.
Ich begleite meine gute Freundin gerne nach Hause - auch wenn es nur 300 Meter sind. Ich möchte es aber nicht müssen, weil ich sonst ein ungutes Gefühl habe. Und sie möchte kein ungutes Gefühl haben, nur weil es dunkel und sie schön ist.
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