Die Debatte um die getötete 33-Jährige in London wirft endlich die Frage auf: Was können Männer tun, dass sich Frauen sicherer fühlen?
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Die Debatte um die getötete 33-Jährige in London wirft endlich die Frage auf: Was können Männer tun, dass sich Frauen sicherer fühlen?

Angst im öffentlichen Raum: Männer, das ist auch euer Problem!

Es gibt Dinge, die Frauen einfach nicht machen können. Und das aus einem einfachen Grund: Sie sind Frauen. In einer Bar ein Getränk kurz aus den Augen lassen zum Beispiel. Am späten Abend noch eine Runde im Park joggen. Einen tiefen Ausschnitt tragen, ohne aufdringliche Blicke oder Kommentare zu kassieren. Nachts alleine nach Hause gehen, frei von Angst im Bauch.


Nachts allein auf der Straße: Nürnbergerin hatte noch Glück


Frauen sehen sich mit dieser Unfreiheit bereits in jungen Jahren konfrontiert. Spätestens in ihrer Pubertät wird klar: Der öffentliche Raum kann ständig zum Angstraum werden. Jede Leserin hat bereits verbale oder sogar physische Belästigung in ihrem Alltag erlebt: Ein Hupen, wenn sie an der Straße auf den Bus wartet, ein anzüglicher Spruch oder ein unangenehmes Zisch-Geräusch im Vorbeigehen, als würde man eine Katze locken wollen.

Die unheimliche dunkle Gasse? Wohl eher eine Männerfantasie

Das sogenannte "Catcalling" ist bereits seit Jahren in der Diskussion und rief Aktivisten und Aktivistinnen auf den Plan. Sie schreiben mittlerweile mit Kreide sogenannte "Catcalls" auf die Straße. Und zwar an jenen Orten, wo Frauen diese – nicht selten auch körperlichen Übergriffe - erlebt haben: An Bahnstationen, vor Verwaltungsgebäuden, Bibliotheken oder auf Marktplätzen.

In der Diskussion um die Sicherheit von Frauen also allein von dunklen Gassen oder separaten Angsträumen im Stadtbild zu sprechen, ist ein Hohn. Dabei werden in den Debatten zu oft die Gründe für die Angst übersehen: Männer. Nicht alle, aber zu viele.

Seit 2016 stehen auf der Erlanger Bergkirchweih mehrere "Rettungsinseln" bereit. Umzäunte Bereiche, in denen Frauen Schutz finden, wenn sie Angst vor Übergriffen haben oder es bereits zu diesen gekommen ist. Nebenan werden Lieder mit sexistischem Inhalt gegrölt, während der Bierkonsum steigt und die Grenzen sinken. Eine Situation, die völlig paradox und nur schwer erträglich ist.

Volksfeste, Bars, Parks und einsame Straßen sind an sich keine gefährlichen Orte, trotzdem müssen potentielle Täter immer mitgedacht werden – und zwar von Frauen und Veranstaltern.

Sicherheit kann man nur gemeinsam schaffen

Wenn wir über Frauen und ihr Sicherheitsgefühl sprechen, darf der Aspekt des Alltagssexismus nicht fehlen. Denn er befeuert die Angst im Bauch. All diese Situationen gehören zur Lebensrealität von Frauen. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Sie haben bereits ihre Werkzeuge verinnerlicht, um möglichst sicher alleine nach Hause zu kommen, wenn der einsame Weg unvermeidbar ist: Mit einer vertrauten Person telefonieren, den Standort durchgeben, die Umgebung genau scannen, den Schlüssel in der Hand halten. Frauen brauchen keine Anleitung und keine guten Ratschläge mehr, sie sind Profis. Einige junge Userinnen berichten auf Sozialen Netzwerken sogar davon, dass sie ausspucken oder laut rülpsen, nur um besonders "abstoßend" zu wirken.

Das Verbrechen in London hat eine neue, längst überfällige Frage in den medialen Raum gestellt: Was können Männer tun, um Frauen ein sicheres Gefühl zu geben? Denn die einseitige Besprechung der Thematik ist nicht mehr tolerierbar. Das Problem ist ein gesellschaftliches und eine Lösung findet sich nicht auf einzelnen "Rettungsinseln". Es bedarf eines breiten Diskurses und einer intensiven Sensibilisierung.

Wenn Sie, liebe Männer, im Alltag also eine Situation erleben, in der eine Frau verbal oder körperlich bedrängt wird, schreiten Sie ein! Fragen Sie: "Fühlen Sie sich sicher? Kann ich Sie unterstützen?". Sprechen Sie mit Ihren Söhnen über Zivilcourage und die Relevanz, ihrem Gegenüber immer auf Augenhöhe zu begegnen. Reagieren Sie in Männergruppen auf aufdringliches Verhalten Ihrer Geschlechtsgenossen. Laufen Sie als Mann im Dunkeln niemals hinter einer Frau, sondern wechseln Sie selbst die Straßenseite, halten Sie Abstand. Oder sagen Sie: "Entschuldigung, haben Sie bitte keine Angst, ich muss Sie nur eben überholen". Diese Maßnahmen kommen Ihnen übertrieben vor? Willkommen in der Realität einer Frau.

9 Kommentare

immerwidä

Dieser Artikel musste wirklich mal geschrieben werden. Und es ist bei weitem nicht so, dass das Phänomen erst jetzt bei den Frauen vorhanden ist, es war schon immer so. Andeutungen, dass es jetzt noch schlimmer geworden sei, sollen offensichtlich darauf abzielen, dass es Flüchtlinge sind. Die Sexualstatistiken zeigen aber deutlich, dass dies nicht der Fall ist. Es sind auch Flüchtlinge dabei, es gab auch da Vergewaltiger und Mörder. Die AfD hat meines Wissens nach mal anhand von Vornamen versucht, dies als ein Problem "der Messermänner" darzustellen. Der Versuch scheiterte.

Auch etliche Vorfälle in der letzten Zeit in Nürnberg (u.a. Johannis) zeigen, dass das Verhalten deutscher Männer auch zum Fürchten ist.

Ich kenne eine junge Frau, die in der Pflege gearbeitet hat und zu Randzeiten in der S-Bahn unterwegs war. Sie hat mir von ihren Angstzuständen berichtet. In Erlangen am Bahnhof sass nachts noch eine junge Chinesin, die auf den Zug wartete. Einige Männer liefen provozierend vor ihr auf und ab. Ich habe mich zu ihr gesetzt und ihr gesagt, so denken diese Typen wir gehören zusammen. Manchmal nützt nicht einmal der "Begleitschutz" etwas

Natürlich erlebt man auch einige Mädels, die provozieren. Aber bitte nicht dieses "wenn man sich schon so anzieht..."
Geschwafel.

Die Gewalt wird zur niedrigeren Hemmschwelle auch durch den Alkohol, der in Normalzeiten auch nachts zu leicht zu haben ist. Wenn man früher im Hauptbahnhof Nürnberg am Freitag und Samstag abend unterwegs war, wo man mit Bierkästen dort ankam und grölte und speziell ausländischen Fahrgästen stand oft die Panik ins Gesicht geschrieben.

Schau ich mir das deutsche TV Programm an, jeden Tag TATORT, ständig die Themen Mord und Vergewaltigung, frage ich mich manchmal ob es nichts anderes gibt: ok Fussball und Talkshows.

Als Mann fühle ich mich oftmals unwohl, weil es dann eben doch schnelle heisst "Alle Männer sind so!" Wäre schön, wenn man heute den Begriff des echten Kavaliers, des Gentleman oder ähnlich leben würde. Höflichkeit ist etwas was leider in Deutschland viel zu häufig vergessen wird.

Zeigen wir Frauen unsere Stärke doch bitte in einer Form, die Stärke ist und nicht sexistisches Gehabe.

Ich freue mich aber auch, wenn ich eine Tür aufhalte, egal für wen und ein "Danke" höre. Mit einem netten Lächeln verbunden, rettet das mir so manchmal einen Sch...tag.

Stadelfrau

ich hab schon zig solcher Situationen erlebt, übrigens nicht erst "heutzutage", sondern auch in den 80ern bis heute eben. Nachts alleine durch die Stadt heimlaufen nach einem Kneipenbesuch? Immer extrem unangenehm und alle Sinne geschärft. Irgendeiner kommt einem immer entgegen und man checkt sofort: ist einer da, der mir jetzt helfen könnte? Wohin könnte ich rennen? X mal anzüglich angepöpelt worden von angetrunkenen Männern, auch verfolgt (sogar mit dem Fahrrad) Irgendwelche Pfiffe und Kommentare aus der Ferne jucken mich nicht, Angst machen sie nur, wenn derjenige in der Nähe ist. Man überlegt immer - wie reagiere ich richtig. Ignoriere ich das und mach mich schwach und erst recht zum Opfer? Maule ich lautstark und tough zurück und provoziere den Mann/die Gruppe dadurch erst recht? Im Winter, wenn es um 17 Uhr schon dunkel ist, geh ich mit dem Hund nur an der Strasse Gassi, nicht im Park, obwohl der vor meiner Haustüre ist. Usw. usf. Man ist immer wachsam, fühlt sich immer unwohl, schaut und lauscht nach alles Seiten. Manchmal fühlt man sich selbst schon paranoid dabei. Allerdings hatte ich als ganz junge Frau auch schon einige extrem heikle Situationen, die nur "gut" ausgingen, weil ich schnell rennen konnte und ein CS-Gas in der Hand parat hatte. Liebe Eltern: bringt einfach euren Söhnen von klein auf und erst recht im Teenageralter bei, Mädchen nicht einzuschüchtern, nicht durch Gepöpel zu bewerten, niemals zu bedrängen und sie eher zu beschützen, als sie zu ängstigen. Den Töchtern muss man leider immer noch beibringen, wachsam zu sein und auf ihre Getränke aufzupassen.

hobbetz

@SiMiHa ich bin täglich sehr viel unterwegs und habe sowas noch nie mitbekommen.

Solche Kommentare wie z.B. Ihrer, zeigen exakt den Grund für das hier angesprochene Problem auf.

Es mangelt am Verständnis.

Sollte Ihre Geschichte, so wie Sie sie beschreiben stimmen, dann handelt sie von 4 Personen die sich in einer Ubahn einvernehmlich amüsiert haben.
Ob Leute sich auf solche Weise in der Öffentlichkeit amüsieren sollten, lässt sich diskutieren, ist aber ein völlig anderes Thema.

Hier geht es um die NICHT einvernehmlichen Situationen.

Nämlich die, in denen Männer, anfangen, persönliche Grenzen zu überschreiten.

Lesen sie den Artikel bitte nochmal.
Das ist kein Artikel, der alle Männer in einen Topf schmeißt und pauschal vorverurteilt.
Er ist nicht gegen Männer, sondern für Männer geschrieben.

Ihre Kategorisierung kann ich auch nicht ganz nachvollziehen. War meine Mutter demnach eine "Dame" oder "zumindest weiblicher Mitmensch"?

Was versuchen Sie denn mit Ihrem Kommentar eigentlich zu rechtfertigen?
Oder werden Sie in irgendeiner Art und Weise benachteiligt wenn wie hier, unter Handreichung gefordert wird, alle Menschen mit dem gleichen Respekt zu behandeln.

Mit ihrem letzten Beispiel kann ich mich auch nicht so richtig anfreunden.
Ich denke, bei guter Stimmung und genug Alkohol, lässt sich die menschliche Grölbereitschaft nicht wirklich nach Geschlechtern spezifizieren.
Das liegt eher am Nervengift.

@ Patoso
Da haben sie Recht, ich kenne solche Situationen ebenfalls. Da waren auch Bekanntschaften dabei, die ich wohl nicht mehr vergessen werde.

Wie Sie schon schreiben, sind solche Begegnungen für Männer aber eher selten von sexueller Natur.
Für Frauen kommt aber genau das noch mit dazu. Also nicht nur "Was guckst du?" sondern auch "Hey Süße...".
Und wenn das nicht gezogen hat, vielleicht noch ein "Was guckst du?" hinterher.

Ich denke alle Menschen sollten sich Angstfrei bewegen können.









patoso

Ich finde bei diesem wichtigen Thema das "Framing" nicht gelungen:
1. Im öffentlichen Raum fühlen sich nur Frauen unwohl, sondern auch Männer. Wenn ich als Mann alleine nachts durch eine Unterführung gehe, und mir kommt eine Gruppe von 18 Jährigen Jungs entgegen, finde ich das nie geil. Ich werde nicht vergewaltigt werden. Aber ein schiefer Blick, und schon kommt ein "was guckst du?", wenn nicht sogar schlimmeres. Und zur Problemlösung muss das Problem zuerst genau definiert werden: nicht nur Frauen haben Angst...
2. Wenn Frauen allgemein besser geschützt werden sollen, dann sollte man auch den Blickpunkt "Bekannte" nicht vergessen. Die meisten weiblichen Opfer kennen meistens schon die Täter: der beste Kumpel, der Arbeitskollege, der Mitbewohner der besten Freundin, der Kommilitone... Darauf sollte der Schwerpunkt liegen...
3. Überhaupt wäre eine Statistik interessant. Immerhin leben wir in einer Wissensgesellschaft, und ich bin es langsam überdrüssig von gefühlten Wahrheiten zu lesen...

Franke mit Rad und Auto

Es sind Frauen zwar mehrheitlich betroffen, aber immer wieder auch Männer, die niedergeschlagen und ihrer Barschaft beraubt werden. Das Problem scheint mir mehr die Verrohung der jungen Leute zu sein.
Und ich glaube nicht daran, daß die alle wieder auf den richtigen Weg nach ein paar Stunden beim Psychologen einschwenken werden.
Leute erzieht euere Kinder wieder, mit einem Bitte und Danke ist meist schon ein Anfang gemacht.
Und wenn dann SiMiHa beschreibt, wie sich ein paar minderjährige (mit Verlaub) Gören an den Kerlen zu schaffen machen, dann gehören deren Eltern an den Ohren genommen und zuerst in den Senkel gestellt. Denn um diese Uhrzeit haben die - laut BGB - zu Hause zu sein.