Der Chef ist immer der Mann
Frauen erzählen: So sieht Sexismus im Alltag für Betroffene aus
8.3.2022, 06:00 UhrNhu Thi Truong, 36 Jahre alt, Nürnberg
"Vorurteile beim Autofahren und dumme Sprüche von Beifahrern nerven einfach, auch wenn sie als "Witz" getarnt sind. Nur weil ich eine Frau bin, heißt es nicht, dass ich nicht Auto fahren kann. Außerdem werde ich immer nach meiner Familienplanung gefragt, und wie das sein kann, dass man als Frau in meinem Alter nicht verheiratet ist oder keine Kinder hat. Man muss sich immer rechtfertigen und erklären wieso das jetzt so ist. Bei Männern wird das natürlich einfach akzeptiert.
Komplimente sind auch immer so eine Sache. Über ernst gemeinte, nette Komplimente freue ich mich natürlich schon. Es ist die Art, wie man etwas sagt. Dumme, schmierige Sprüche klopfen oder penetrantes langes Anstarren ist auf jeden Fall eine Belästigung.
Meistens habe ich vermeintliche Kommentare oder sexistische Kommentare einfach ignoriert oder auch mal mit Humor überspielt. In einem Umfeld, in dem ich die Leute kenne und es immer wieder passiert, würde ich es auch ansprechen."
Laureen E., 21 Jahre alt, Freystadt
"Als Frau, die Fußball spielt und dennoch weiblich ist, was offensichtlich in vielen männlichen Köpfen nicht miteinander zu verbinden ist, bekomme ich immer wieder blöde Kommentare. "Frauenfußball ist doch nur was für Mannsweiber" zum Beispiel. Außerdem solle ich mich als Frau generell um den Haushalt kümmern, denn "so gehört es sich ja". Das sind Klischees und man sollte meinen, dass sie nicht mehr Alltag von Frauen sind, aber ich erlebe sowas häufig.
Unwohl fühle ich mich vor allem auch, wenn Männer sagen: "Dir liegt die Welt zu Füßen, weil du schön bist." Wenn ich etwas möchte, arbeite ich dafür und bekomme es nicht, weil ich schön bin. Da werden einem von Männern oft Kompetenzen abgesprochen. Vielen Männern ist aus meiner Erfahrung nicht klar, wo die Grenzen liegen. Häufig sind es deutlich ältere Männer, die mit mir über Sex sprechen wollen oder die Länge meiner Beine kommentieren. Das hat einfach nichts in alltäglichen Gesprächen zu suchen."
Beatrice Dernbach, 57 Jahre alt, Nürnberg
"Ich hatte nie (offensichtlich) mit Vorurteilen als Frau zu kämpfen - im Gegenteil: Meine Mentoren waren alle männlich. Das Schöne am Älterwerden ist, dass ich Männern, die mir möglicherweise mit Vorurteilen begegnen, souveräner begegnen kann als noch vor 20 Jahren.
Unwohl fühle ich mich, wenn über andere Frauen hergezogen wird, sei es in den Medien oder in nicht-öffentlichen Besprechungen und niemand dem Sprecher widerspricht oder interveniert. Wenn ich dann als Frau eine Bemerkung mache, dann reagiert der Sprecher in der Regel abwehrend im Sinne von: "So habe ich das nicht gemeint, was unterstellen Sie mir da" - und die Mehrheit der Anderen schweigt.
Unsere Außenministerin Annalena Baerbock steht gerade mitten in der Zielscheibe für dumme, sexistische Angriffe. Aber sie und andere Frauen in Führungspositionen sind hoffentlich tough genug, um das zu ignorieren. Generell meine ich, dass Sexismus heutzutage viel verdeckter daherkommt."
Stefanie M., 35 Jahre alt, Nürnberg
"Ich bin Kosmetikerin und habe mit einer Kollegin und einem Kollegen gemeinsam einen Friseur- und Kosmetiksalon in der Nürnberger Innenstadt. Wir drei sind komplett gleichberechtigt und führen den Laden zusammen. Das sehen aber immer wieder nicht alle Kunden so. Mein Kollege wird immer automatisch als Chef gesehen, weil man das einer Frau offenbar nicht zutraut.
Auch wenn der Paketbote ein Päckchen für die Nachbarn abgeben will und ich es annehmen möchte, versichert er sich lieber noch mal bei meinem Kollegen. Als ob meine Aussage nicht reichen würde.
Aber nicht nur in der Arbeit begegne ich Sexismus. Beim Feierngehen ist es schon fast normal, dass man angegrapscht wird oder belästigt. Die Männer scheuche ich dann weg oder meine Freundinnen merken es zuerst und machen klar, dass das nicht erwünscht ist. Die Selbstverständlichkeit solcher Übergrifflichkeiten macht mich aber schon sprachlos."