Angst vor AfD und BSW

Populisten nahen: Warum das Bundesverfassungsgericht einen Schutzschirm braucht

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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23.7.2024, 15:38 Uhr
Letzte Instanz: Die Richter des Bundesverfassungsgerichts entscheiden unabhängig. Das soll auch so bleiben.

© Uli Deck/Uli Deck/dpa Letzte Instanz: Die Richter des Bundesverfassungsgerichts entscheiden unabhängig. Das soll auch so bleiben.

Im Handbuch der Populisten steht in Kapitel eins: Wenn Du dich der Macht näherst oder gar die Regierung anführst, schalte die unabhängige Justiz aus. Denn Richter können unangenehm werden - indem sie eben nicht nach den Vorstellungen einer Partei urteilen, sondern nach den Paragrafen des Gesetzes.

Zur Anwendung kam diese Populistenweisheit zuletzt in Polen: Dort hatte die inzwischen abgewählte nationalkonservative PiS-Regierung gleich nach ihrer Amtsübernahme damit begonnen, die Justiz umzubauen. Zum Opfer fielen diesem Prozess vor allem ehrenwerte Richterinnen und Richter, die sich nicht einer Regierungsvorgabe beugen, sondern ihrem Berufsethos weiterhin gerecht werden wollten.

Marionetten in Richterroben in Polen

Von 2015 bis 2023 hatte die PiS Zeit, um aus einer ehemals unabhängigen Justiz ein willfähriges Gremium an Jasagern zu machen. Die Marionetten in Richterroben winkten schlicht alles durch, was andere Gerichte hinterfragt hätten. Kein Wunder, dass Polen bei den nun von den Ampelparteien und der Union gemeinsam präsentierten Maßnahmen zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts als Warnung diente.

Zumindest lautet so die offizielle Version. In Wirklichkeit muss der Blick nicht bis nach Warschau schweifen. Ein Stück weiter westlich, konkret in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, stehen bald Landtagswahlen an - deren Ausgang in alle Richtungen offen zu sein scheint. Eine Beteiligung der AfD oder des BSW an einer Landesregierung ist nach Ansicht vieler Wahlbeobachter möglich bis wahrscheinlich.

Am Ende hätte dies Folgen für den Bundesrat, der bislang nicht von populistischen Parteien beeinflusst war. In der Länderkammer sitzen nämlich die Vertreter der jeweiligen Landesregierungen. Abwechselnd mit dem Bundestag besetzen sie freiwerdende Posten im Karlsruher Verfassungsgericht.

Bundesverfassungsgericht: Schutzschirm für die Richterwahl

Und die Angst, dass Populisten bei dieser Besetzung wahlweise ein Wörtchen mitreden oder gar bestimmte Vorschläge blockieren könnten, ist groß. So groß, dass nun ein Schutzschirm um die Richterwahl und die Zahl der Senate im Grundgesetz verankert werden soll. Bislang hätte eine einfache Mehrheit im Bundestag ausgereicht, die Struktur des Gerichts entscheidend zu verändern - künftig würde dafür die Zweidrittelmehrheit notwendig sein.

Wem das alles zu theoretisch klingt, der möge sich in autoritären Systemen umschauen: Dort ist eine unabhängige Justiz stets Geschichte, Gerichte haben ihre Funktion als Element der Gewaltenteilung verloren. Genau das darf in der Bundesrepublik niemals passieren.

Es gab gute Gründe, nach der Nazi-Diktatur in Deutschland ein besonders starkes Bundesverfassungsgericht zu installieren. Wobei die Stärke letzten Endes auf der Akzeptanz der breiten Mehrheit der Parteien beruht. Dieser Konsens ist bedroht, weshalb gehandelt werden muss. Leider.

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