
Kommentar
Kirche muss politisch sein: Das Vermächtnis des Papstes kontert Klöckners billige Kritik
Das ist nicht gut gelaufen für die Bundestagspräsidentin. Kurz vor Ostern meinte Julia Klöckner: „Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar. Ich meine: Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer.“
Was sie meinte, war das, was viele Konservative ärgert: dass die Kirche sich zu sehr in die Tagespolitik einmischt - und das oft mit Kritik an konservativer Politik verbindet, wenn die zu Lasten der Schwachen oder auch der Umwelt geht.
Am Ostermontag starb dann der Mann, der genau dieses politische, oft auch einseitige Engagement der Christen praktizierte: Papst Franziskus. Und kaum ein Politiker würdigte nach dem Tod des 88-Jährigen nicht dessen Einsatz für die Schwachen, für die Flüchtlinge - er reiste ganz bewusst zuallererst nach Lampedusa, zu den dort Gestrandeten - , für die Armen. Sehr viel Lob als für exakt jene Einmischung in die Politik, die Julia Klöckner und vor ein paar Wochen auch Markus Söder auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg sich ziemlich eindeutig verbeten hatten.
Beide dürften auf Applaus vieler gehofft haben, die sich eine bequemere Kirche wünschen. Eine, die nicht heftig protestiert, wenn sich Friedrich Merz im Bundestag auf Stimmen der AfD einlässt: Dass die Kirchen das im Februar kritisierten, verärgerte etliche in der Union massiv.
Danach kam als eine Art Retourkutsche die Anfrage von CDU und CSU, wie es denn um die staatliche Finanzierung und die Unabhängigkeit vieler NGO’s stehe. Dass Klöckner nun auch die Kirche als NGO bezeichnet, ist kaum Zufall - auch wenn man über manche Wortmeldungen der Kirche sicher streiten kann.
Lange stand vor allem die katholische Amtskirche eng an der Seite der Union, bis hin zu Wahlaufrufen in Hirtenbriefen. Alle Parteien - auch die mit dem C im Namen - müssen es aushalten, wenn die Kirche fragt, ob Politik christlich gestaltet wird. Das gilt auch für ihre Positionen zu Abtreibung, Sterbehilfe und anderen ethischen Fragen.
„Das Christentum war von Beginn an politisch“, sagte nun Annette Schavan (CDU), Ex-Botschafterin beim Vatikan, auch an die Adresse ihrer Parteifreunde. Wer fordere, Christen sollten sich heraushalten, habe das „vielleicht falsch verstanden“.
Bonhoeffer sagte, was viele ärgert: „Wer fromm ist, muss politisch sein“
Denn die Botschaft, die Christus verbreitete, ist hoch politisch, ja radikal. Parteiisch. Er stand auf der Seite der Schwachen, der Außenseiter, der Verachteten, der Armen, der Kranken, der Behinderten, der Flüchtlinge. Er bekämpfte Reichtum, der nicht auch diesen Armen zugute kommt.
Kürzlich wurde Dietrich Bonhoeffer am 80. Jahrestag seiner Hinrichtung durch die Nationalsozialisten von vielen Politikern gewürdigt. Sie sollten respektieren, was er so auf den Punkt gebracht hatte: „Wer fromm ist, muss politisch sein.“
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