Proteste am 8. Januar
Generalstreik: Die Wut ist verständlich, die Methoden sind fragwürdig
28.12.2023, 14:55 UhrEs weht ein Hauch von Revolution durchs Internet. Da sind Traktoren zu sehen, die den Reichstag in Berlin umzingeln. Oder Protestierende mit Deutschlandfahnen, alle unterwegs zum „Generalstreik“ am 8. Januar, dem Montag nach den Ferien.
Ihr Ziel: die Ampel ausschalten
Die Bauern rufen da zur Demonstration gegen die Einschnitte der Ampel auf, das Transportgewerbe plant Proteste, die Gewerkschaft der Lokführer könnte ihren Streik starten: Wird Deutschland lahmgelegt, wie es die wünschen, die zu den Aktionen aufrufen und auf die Beteiligung möglichst vieler anderer Berufsgruppen setzen? Kann die oft schon gehasste Ampel „ausgeschaltet“ werden?
Die Wut ist jedenfalls groß - und es gibt genug Akteure, die sie schüren, um damit für sich Stimmen zu sammeln. Ein schlechter Witz, dass ausgerechnet die AfD nun den Protest unterstützt - die Partei, die grundsätzlich alle Subventionen abschaffen will, nun aber für den Erhalt von Subventionen (Agrardiesel und Kfz-Steuerermäßigung) eintritt.
Die Bauern vermissen, was Scholz im Wahlkampf versprach: Respekt
Wer mit Landwirten spricht, registriert da viel Enttäuschung, die in Zorn münden kann. Es sieht ein bisschen nach der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich aus. Die Bauern vermissen das, was Kanzler Scholz im Wahlkampf versprach: Respekt, Wertschätzung. Da geht es wohl zuerst um Gefühle, dann ums Geld - die Einkommen der meisten Landwirte stiegen zuletzt in der Regel ordentlich.
Und die Umsetzung der Kürzungen würde Agrarprodukte nur minimal verteuern. Aber wenn über Nacht und ohne jede Ankündigung Einbußen von fünf bis zehn Prozent verordnet werden - dann ist Protest erwartbar. Zumal die Pläne unausgegoren und unausgewogen sind: Warum bleibt etwa das Dienstwagenprivileg bestehen, auch eine Subventionierung fossiler Energien?
Es ist offen, ob alles so kommt wie verkündet
Die Ampel hat da - wieder mal - unprofessionell gehandelt, und sie zerredet ihre eigenen Beschlüsse inzwischen ja auch selbst nach Kräften. Es ist also durchaus offen, ob alles so kommt, wie es (auch noch kurz vor Weihnachten) verkündet wurde.
Das Gerede vom Generalstreik ist daher nicht nur wegen möglicher Korrekturen der Beschlüsse unverantwortlich. Ein solcher politischer Streik ist durchs Recht nicht gedeckt - Streiks sind nur erlaubt, um Tarifforderungen durchzusetzen, aber nicht, um eine demokratisch gewählte Regierung auszuhebeln. Auch das war eine richtige Lehre aus den Schwächen der Weimarer Republik. Und wie damals machen sich auch nun die Feinde der freiheitlichen Demokratie dran, diese Staatsform zu zersetzen - auch durchs Anfachen und Vereinnahmen von im Kern verständlichen Protesten. Nebenbei: Es sind dieselben Gruppen, die sich am massivsten über „Klima-Kleber“ empören, die nun jubeln, wenn Traktoren Straßen blockieren.
Die Ampel und ihr Kanzler hätten es immer noch in der Hand, die Wut zu besänftigen - durch bessere, ausgewogenere Politik.
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