75 Jahre West-Bündnis

Die Nato ist nötiger denn je - und muss wegen Trump dennoch um ihr Überleben bangen

Alexander Jungkunz

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10.7.2024, 15:00 Uhr
Im April 1949 wurde sie gegründet: die Nato, hier ihre Flagge.

© Robert Michael/Robert Michael/dpa Im April 1949 wurde sie gegründet: die Nato, hier ihre Flagge.

Sie ist jünger als Joe Biden und Donald Trump - und ihr Schicksal hängt mehr denn je an diesen beiden alten Männern: Die Nato feiert ihren 75. Geburtstag in turbulenten Zeiten. Das Bündnis ist wichtiger denn je - aber seine Zukunft liegt vor allem in den Händen des künftigen US-Präsidenten.

Seit Bidens desaströsem TV-Duell mit Trump sind dessen Chancen massiv gestiegen, die Wahl zu gewinnen. Und sie dürften wachsen, je länger die US-Demokraten es nicht wagen, die Notbremse zu ziehen und eine(n) andere(n) Kandidaten/in zu präsentieren. Trump hätte umfassendere Macht als jeder Vorgänger: Nach dem Urteil des von ihm zu seinen Gunsten besetzten Supreme Court könnte er sich auch diktatorische Schritte erlauben.

Was Trump mit der Nato vorhat, deutete er oft genug an

Was Trump mit der Nato vorhat, deutete er öfters an. "Obsolet" sei sie. Putins Russland könne mit säumigen Zahlern tun, "was auch immer es will". Fest steht: Die USA unter Trump stünden nicht so fest an der Seite der anderen Nato-Mitglieder wie ein demokratischer Wahlsieger.

Es waren vor 75 Jahren zwölf Staaten, die sich unter US-Führung zum Nordatlantikpakt zusammenschlossen. Das Prinzip der Nato: Wird ein Mitglied angegriffen, gilt das als Angriff auf alle - und die verteidigen zusammen das attackierte Land. Bisher wurde dieser Bündnisfall nur einmal ausgerufen: nach dem Terror von 9/11, auf den die USA mit ihrem Einsatz in Afghanistan reagierten.

Putin sorgte dafür, dass das Bündnis nicht "hirntot" wurde

Inzwischen gehören 32 Staaten dazu. Und es war vor allem ein Mann, der dem Bündnis neues Leben einhauchte: Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine beendete eine Sinnkrise der Nato, die Frankreichs Präsident Macron 2019 als "hirntot" beschrieb.

Putins geopolitische Ambitionen versetzten dem Bündnis eine Art Wiederbelebung und führten zum Beitritt von Finnland und Schweden. Aber wie stark, wie entschlossen ist die Nato wirklich? Der Einsatz für die Ukraine ist dazu aktuell der beste Gradmesser. Mit offenen Flanken: In einigen europäischen Staaten wächst die Kritik an den Kosten des Krieges. Erfolgreich setzen Parteien wie die AfD, das Bündnis Sahra Wagenknecht und Gleichgesinnte in anderen Staaten auf die verständliche Friedenssehnsucht vieler.

Orbáns One-Man-Show hilft nur Moskau

Die One-Man-Show des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán war da nur die spektakulärste Inszenierung: Ohne Abstimmung und ohne Konzept reiste er zu Putin und nach China, um sich nun auch bei der Nato als Friedensfürst zu präsentieren.

Der Kreml-Chef, der seine Schreckensherrschaft nach innen mit immer drastischerem Vorgehen gegen alle Abweichler zementiert, braucht da nur zuzusehen, wie sich "der" Westen selbst zerlegt. Er hofft auf Trump. Und kommentiert die Friedens-Mission seines braven Helfers Orbán mit brutalem Zynismus: mit Bombenangriffen auf eine Kinderklinik in Kiew.

"Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit", so heißt der Wahlspruch der Nato. Sie muss aufpassen, dass sie sich nicht von der Schläfrigkeit wichtiger Akteure anstecken lässt.

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