Wahlkampf mit Putins Krieg

Blamabel: Zu viele Demokraten im Osten knicken angesichts der „Friedens“-Klänge von AfD und BSW ein

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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11.8.2024, 09:00 Uhr
Sie plakatiert die Parole "Krieg oder Frieden" und kann damit im Osten punkten: Sahra Wagenknecht.

© Michael Reichel/dpa Sie plakatiert die Parole "Krieg oder Frieden" und kann damit im Osten punkten: Sahra Wagenknecht.

Und plötzlich stehen ukrainische Truppen auf russischem Gebiet: Vor einigen Tagen drangen Einheiten Kiews etliche Kilometer weit über die Grenze und erreichten die Region um Kursk. Was die überraschende Aktion bedeutet, ist noch nicht klar einzuordnen.

Fest steht: Das ukrainische Vordringen ist brisant. Weil nun Kämpfe nahe des Atomkraftwerks Kursk drohen. Und weil der Coup Putins Regime offenbar kalt erwischt hat: Erst spielte Moskau den kleinen Einmarsch herunter, nun spricht der Kreml von einer "groß angelegten Provokation". Und erwähnt natürlich nicht, dass russische Truppen ihre Attacken auf ukrainische Städte - auch auf Nürnbergs Partnerstadt Charkiw - zuletzt wieder forciert haben.

Ebenso wenig ist aus dem Kreml über die immensen russischen Opfer zu hören: Oft sterben hunderte Soldaten - pro Tag. Doch bisher kann Putin immer wieder Nachschub an die Front schicken, Proteste gegen ihn wagt kaum jemand mehr. So viel zur angeblichen Friedensbereitschaft Russlands: Da ist null in Sicht.

Einfache Parolen kommen gut an

Ungeachtet dieser offenen Entwicklung des Krieges prägt dieser Konflikt den Landtagswahlkampf in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Da geht es zwar keineswegs um Außenpolitik. Doch der AfD und vor allem dem Bündnis Sahra Wagenknecht ist es gelungen, mit einfachen Parolen die im Osten besonders große Sehnsucht nach Frieden und Ausgleich mit Russland anzusprechen.

Wagenknecht hatte sehr selbstbewusst erklärt, das BSW werde sich nur "an einer Landesregierung beteiligen, die bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht". Und sehr viele Wahlkämpfer der anderen Parteien ließen sich auf das Thema ein, überbieten sich mit Friedenstönen. Die noch regierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke, Thüringen), Dietmar Woidke (SPD, Brandenburg) und Michael Kretschmer (CDU, Sachsen) fordern Gespräche oder, wie nun Kretschmer, weniger Waffenlieferungen an die Ukraine.

Peinliche Anbiederungsversuche

Das sind peinliche Anbiederungsversuche - weil offensichtlich ist, dass mit Putin nicht zu verhandeln ist. Daher wird er die Friedenstöne begrüßen. Denn sie verstärken das Misstrauen in den Kurs der Unterstützung für die angegriffene Ukraine.

Interessant, dass sich nun zahlreiche ehemalige DDR-Bürgerrechtler zu Wort meldeten und vor einer Kooperation mit dem BSW warnten. Die frühere Chefin der Stasi-Akten-Behörde, Marianne Birthler, sagte: "Ich zweifle nicht daran, dass Frau Wagenknecht mit ihren Äußerungen Herrn Putin gefällt."

Was frühere Bürgerrechtler vom BSW halten: sehr wenig

In einem Offenen Brief kritisieren die Bürgerrechtler, dass Wagenknecht immer wieder russische Propaganda zum Kriegsverlauf aufgreife. "Desinformation sei in der DDR eine wohlbekannte Praxis" gewesen, heißt es. Deshalb sollten die demokratischen Parteien, vor allem an die CDU, nicht "mit derartigen Lügnerinnen und Lügnern" regieren.

Deutliche Worte. Den Mut zu so viel Klarheit bringen aber verzweifelte Wahlkämpfer momentan nicht auf, leider.

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