Kontroverse im Bundestag
Bittere Bilanz: Das Schaulaufen der Demokraten bei der Zuwanderung hilft vor allem der AfD
"Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es." Das Zitat von Erich Kästner passt auch als Zwischenbilanz unter das brisante Kapitel Parlamentsgeschichte, das diese Woche den Bundestag umtreibt: den Migrations-Vorstoß von Friedrich Merz.
Denn Merz und dann die anderen Parteien haben Erich Kästners Rat nicht befolgt: Sie haben nicht gehandelt, sondern ge- und sehr viel zerredet. Ergebnis: noch mehr Polarisierung, die Unionsparteien in einem noch kaschierten Richtungsstreit, verspieltes Vertrauen, enttäuschte Hoffnungen - und eine Aufwertung der Partei, der Merz das Wasser abgraben wollte: der AfD.
Wäre es anders gegangen? Ja, mit interner Suche nach Konsens
Wäre es anders gegangen? Dann schon, wenn die Demokraten das entsetzliche Verbrechen von Aschaffenburg nicht zum Anlass genommen hätten, sich gegenseitig vorzuführen. Sondern auszuloten, wo und ob es einen vernünftigen Konsens gibt. Intern, nicht vor laufenden Kameras. Und dann zusammen verkündet hätten: Wir sehen, dass wir - alle zusammen - zu lange nicht gehandelt haben. Und holen das nun nach. Mit einem Paket, um das wir gerungen, dann aber alle akzeptiert haben.
CDU, CSU, SPD, FDP und, mit Fragezeichen, die Grünen hätten ihre teils konstruierten Kontroversen beenden, einen Kompromiss auf den Weg bringen und so - nur so - der AfD ihr zentrales Thema nehmen können.
Zu spät. Nun sehen wir: einen möglichen Kanzler Merz, der seine lange glaubwürdigen Zusagen brach, nicht mit der AfD zu kooperieren. Der versucht hat, den deutschen Trump zu geben: "Am ersten Tag" seiner Kanzlerschaft wolle er Grenzen dichtmachen, so Merz - in Verkennung aller Realitäten. Die Unions-Pläne gefährden geltendes Recht - zu viele gehen zu leichtfertig darüber hinweg; eine echte Debatte wurde nicht geführt.
Aber die Brandmauer ist angetastet, die AfD aufgewertet - und sie ist es, die in Umfragen am meisten zulegt. Ihr Hauptziel ist die Zerstörung und Ablösung der CDU, das zeigte die apokalyptische Rede von Alice Weidel sehr klar. Und sie ist da völlig schmerzfrei: Merz und sein Team dachten, die AfD durch einen Antrag abschrecken zu können, in dem die Weidel-Partei scharf kritisiert wird. Das juckt sie nicht, sie stimmt ihrer eigenen Aburteilung zu - genau wissend, dass sie damit Merz schadet, der in jene Falle tappte, die er selbst aufstellte.
Ein angeschlagener Kanzler griff die Vorlage, die Merz ihm lieferte, dankbar auf; beide argumentierten nur anfangs sachlich, dann polemisch und verletzend.
Dabei braucht es eine standfeste CDU mehr denn je. Als Gegengewicht zu den Rechtspopulisten. Was Merz nun unternahm, dürfte viele Wertkonservative massiv irritiert haben - das sagen vor der Wahl aber nur wenige; die Kirchen wagten es, immerhin. Nun bleiben Schäden, Fragen, Zweifel an Merz.
Triumph oder Häme sind fehl am Platz
Triumph oder Häme sind völlig fehl am Platz. Es ist ein Trauerspiel, wenn sich Demokraten - wieder einmal? - mit zu durchschaubaren Manövern gegenseitig schaden anstatt den Gegner zu bekämpfen. Mit besserer Politik.
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