Erbaut um 1900

Historische Vorstadt-Villa im Nordosten Nürnbergs wird zu neuem Leben erweckt

Sebastian Gulden

9.5.2023, 11:02 Uhr
Momentan sieht die ehrwürdige Villa noch etwas heruntergekommen aus. Bald soll sich das ändern und das kleine Juwel wieder im alten Glanz erstrahlen.

© Boris Leuthold Momentan sieht die ehrwürdige Villa noch etwas heruntergekommen aus. Bald soll sich das ändern und das kleine Juwel wieder im alten Glanz erstrahlen.

Wenn Maier für Schmidt eine Villa baut… Das klingt ein wenig nach einer Max-Mustermann-Geschichte und ist doch so geschehen. Im Jahre 1900 errichtete der Nürnberger Maurermeister Nikolaus Maier auf dem Grundstück Lutzstraße 5 eine Villa für den Kaufmann Georg Schmidt, der sich im Jahr darauf als vereidigter Bücherrevisor selbstständig machte. Maier, geboren 1868 in Gibitzenhof, war ein alter Hase im Geschäft, der mit seiner Firma in der Noris ansonsten vor allem Mietshäuser errichtete.

An der hohen gestalterischen Qualität der Villa sieht man, welche Kunstfertigkeit im Entwerfen die Bauhandwerker der vorletzten Jahrhundertwende besaßen. Die Ansichten des Gebäudes sind kleine Kunstwerke, mit Tusche gezeichnet und mit Aquarell- und Deckfarben zum Leben erweckt. Ein Traum auf Papier, der gebaute Realität wurde.

Kaum ein Planer, der heute noch so zeichnen kann: Die Straßenfassade der Villa Schmidt, hier in einer kolorierten Ansicht aus der Bauakte von 1900, wurde tatsächlich so gebaut.

Kaum ein Planer, der heute noch so zeichnen kann: Die Straßenfassade der Villa Schmidt, hier in einer kolorierten Ansicht aus der Bauakte von 1900, wurde tatsächlich so gebaut. © Zeichnung Nikolaus Maier (Sammlung Prietz/Schmid)

So schön der Bauplatz in der Wohnkolonie der Deutschen Volksbaugesellschaft auch war, seine geringe Breite gebot eine turmartige Architektur. Dem kam die Formgebung im Nürnberger Stil, der örtlichen Mischung aus Elementen der Spätgotik und Frührenaissance, entgegen. Malerische Elemente wie ein reich geschnitzter Holzerker, eine offene Vorhalle und ein Schopfwalmdach mit Sichtfachwerk-Zwerchhäusern beleben die Fronten, die bis auf den Sandsteinsockel und die -gliederung verputzt sind.

Fliegerbombe explodierte nicht

In den letzten 123 Jahren muss das Haus einen guten Schutzengel gehabt haben: Er sorgte dafür, dass Türen, Stuckdecken und Treppe (mit praktischer Ablageschale auf dem Antrittspfosten) und selbst der Garten mit seinen alten Laubbäumen erhalten blieben. 1943 donnerten Teile einer Fliegerbombe ins Dach, explodierten aber nicht.

Dieser Blick von Norden in die Lutzstraße aus der Zeit um 1925 zeigt, wie harmonisch sich die Villa Schmidt - das dritte Haus von rechts - in das Ensemble einfügt.

Dieser Blick von Norden in die Lutzstraße aus der Zeit um 1925 zeigt, wie harmonisch sich die Villa Schmidt - das dritte Haus von rechts - in das Ensemble einfügt. © unbekannt (Sammlung Wankel)

Knapp ein Jahrhundert später hat sich manches im Straßenbild gewandelt, der heimelige Vorstadtcharakter aber ist geblieben – auch und insbesondere im Falle der Villa Schmidt.

Knapp ein Jahrhundert später hat sich manches im Straßenbild gewandelt, der heimelige Vorstadtcharakter aber ist geblieben – auch und insbesondere im Falle der Villa Schmidt. © Boris Leuthold

Gut, ein paar Abstriche gibt es: So sind der Holzbalkon am Ostgiebel und eine Fassadenmalerei mit Putto und Baujahr darunter verschwunden. Den Anschluss zum Nachbarhaus Nr. 7 stört eine tumb in die Abstandsfläche hineingequetschte Garage von 1959.

Mehrere Freunde planen hier "Co-Housing"

Seit Jahren dämmert die Villa, die hinter ihrem zierlichen Äußeren stolze 226 Quadratmeter Wohnfläche verbirgt, vor sich hin und wartet auf liebevolle Besitzer. Die hat sie jetzt gefunden in Person von Cornelia Prietz und Michael Schmid, die sie nach Planung des Architekten Ulrich Herbst mit Respekt für den historischen Charakter umbauen und selbst bewohnen wollen. Allerdings nicht allein, sondern zusammen mit Freunden als so genanntes "Co-Housing", in dem sich die Bewohner Gemeinschaftsräume wie Wohnzimmer und Küche teilen.

Stelen und Wandfries aus der Werkreihe „Delegation“ aus Beton und Aluminium von Günter Schmidt-Klör.

Stelen und Wandfries aus der Werkreihe „Delegation“ aus Beton und Aluminium von Günter Schmidt-Klör. © Michael Schmid

Für die Zeit, bis die Bauarbeiten losgehen, hat sich das Ehepaar etwas Besonderes einfallen lassen: Die leerstehenden Räume und der Garten werden für einige Tage zur "Pop-up-Galerie", in der alle Interessierten herzlich willkommen sind. Sie zeigt Werke des Künstlers Günter Schmidt-Klör (geboren 1945), dem Prietz und Schmid eng verbunden sind.

Aus dem öffentlichen Raum bekannt

Nürnbergs öffentlicher Raum verdankt ihm unter anderem das Tanzbrünnlein auf dem Stresemannplatz und die Bronzeplastik "Der Vorbote" vor dem Gewerkschaftshaus am Kornmarkt. Neben aktuellen Arbeiten, in denen sich Schmidt-Klör mit den faszinierenden wie erschreckenden Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz befasst, zeigt die Schau unter anderem Plastiken aus der Werkreihe "Delegation" sowie die Gemälde "Don Quijote" und "Der fliegende Holländer". Das Besondere: Die Stücke werden letztmals in Nürnberg gezeigt, bevor sie an namhafte Galerien in Amsterdam gehen.

So kommen denn im Mai in der Lutzstraße Baukunst des Historismus sowie Malerei, Grafik und Plastik der Gegenwart zusammen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Der Start in einen neuen Abschnitt ihrer Geschichte könnte kaum schöner sein für die altehrwürdige Villa Schmidt.

Die Pop-up-Galerie in der Villa Schmidt, Lutzstraße 5, ist geöffnet am Freitag, 12. Mai, ab 19 Uhr (Vernissage), am Samstag, 13. Mai, von 10 bis 22 Uhr, am Sonntag, 14. Mai, von 10 bis 16 Uhr (Finissage). Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen zum Künstler und zu seinem Werk: www.schmidt-kloer.de


Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de

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