Frankenschnellweg vor dem Fenster

Diese zwei Häuser kennt wohl jeder Nürnberger: Wie fantasievoller Jugendstil an die Jansenbrücke kam

11.11.2024, 15:00 Uhr
1962 hat man der Häusergruppe Möhrendorfer Straße 31 und 33 mit Herzogenauracher Straße 1 (von links) die Jansenbrücke förmlich vor die Nase gebaut.

© Sebastian Gulden 1962 hat man der Häusergruppe Möhrendorfer Straße 31 und 33 mit Herzogenauracher Straße 1 (von links) die Jansenbrücke förmlich vor die Nase gebaut.

Heute ist es für gewöhnlich so: Menschen kaufen sich ein Grundstück neben der Autobahn und mosern dann so lange, bis ihnen eine Lärmschutzwand hinters heimische Gärtla gesetzt wird. Die Leute im Südwesten der Jansenbrücke dagegen kamen völlig unverschuldet zu ihrem Blick auf Autobahn und Bundesstraße: 1959 bis 1963 setzte man ihnen Frankenschnellweg und Bundesstraße 4R vor die Nase. Letztere auch noch inklusive Brücke, Auf- und Abfahrtsrampen, sodass man vom Fahrersitz in die Wohnzimmer im ersten Stock gucken kann.

Nix also mit schöner Stadtrandlage und Blick auf den idyllischen Ludwigskanal – denn der wurde für die Stadtautobahn an dieser Stelle zugeschüttet. Auch eine winzige Grünanlage mit ein paar Bäumen zwischen Herzogenauracher Straße und Autobahn macht da das Kraut nicht fett.

Die Baupläne dazu gab es schon in den 1920er Jahren

Die Pläne für diesen unbändigen Eingriff in die Strukturen der Stadt sind schon alt: Der Stadtplaner Hermann Jansen und sein Berater Otto Blum hatten ihn bereits in den 1920er Jahren in ihrem Generalbebauungsplan vorgesehen, wenngleich gefiltert durch die idealistische Brille der damaligen Zeit auf die Zukunft des Individualverkehrs.

Als die Bewohner um 1913 eine Aufnahme ihres Hauses in der Möhrendorfer Straße 33 anfertigen ließen, kam der Fotograf nicht aus Nürnberg, sondern aus Fürth.

Als die Bewohner um 1913 eine Aufnahme ihres Hauses in der Möhrendorfer Straße 33 anfertigen ließen, kam der Fotograf nicht aus Nürnberg, sondern aus Fürth. © Hans Schmerler/Sammlung Sebastian Gulden

Die Häuser Möhrendorfer Straße 33 und Herzogenauracher Straße 1 (frühere Pranckhstraße 4 und Pfinzingstraße 155) standen hier schon um 1910, als die Stadt sich in zarten Ansätzen von Eberhardshof und Gostenhof gen Südwesten auszubreiten begann. In der Ferne ragten bereits die Baustellen der Mietshäuser an der Rothenburger und Von-der-Tann-Straße in Großreuth bei Schweinau auf. Gegenüber lagen die Bauten der Möbel- und Parkettfabrik, die Georg Moser 1878 gegründet hatte, dazu an der Frühlingstraße einige Kleinmietshäuser, die bereits da waren, als die Gegend noch zur Gemeinde Höfen gehörte.

Die beiden Häuser wirken wie hingestellt und nicht abgeholt

Die beiden hochgeschossenen Mietshäuser wirken umso bizarrer, als dass sie wie hingestellt und nicht abgeholt einsam zwischen meist wesentlich zierlicheren und jüngeren Bauten herumstehen. Ihr Bauherr, der Möbelfabrikant Moser von gegenüber, hatte mit dem Entwurf das renommierte Architekturbüro Peringer & Rogler betraut, das um die Bauzeit am Prinzregentenufer und seinen Nachbarstraßen die Nobelmeile Nürnbergs schlechthin plante. Auch an den Häusern hier draußen blieb ein wenig von der Grandezza hängen, etwa in Form der fantasievollen Gliederung mit eiförmigen Ornamenten, Voluten und grotesken Fratzen an den Konsolen der Erker.

Heute blickt man von der Südrampe der Jansenbrücke auf das Haus herab, das die Nachkriegszeit mit ihren Renovierungen leider nicht sonderlich liebevoll behandelt hat.

Heute blickt man von der Südrampe der Jansenbrücke auf das Haus herab, das die Nachkriegszeit mit ihren Renovierungen leider nicht sonderlich liebevoll behandelt hat. © Sebastian Gulden

Mehr noch als am Nachbarhaus zeigen die Jugendstilfronten der Herzogenauracher Straße 1, dass sie von einem der führenden Architekturbüros in Nürnberg um 1900 geplant wurden.

Mehr noch als am Nachbarhaus zeigen die Jugendstilfronten der Herzogenauracher Straße 1, dass sie von einem der führenden Architekturbüros in Nürnberg um 1900 geplant wurden. © Sebastian Gulden

Im Gegensatz zu den Bauten an den Gestaden der Pegnitz hat an der Jansenbrücke der Modernisierungsmurks der letzten 30 Jahre einigen Schaden verursacht. Das fängt an bei den weißen Plastikfenstern, geht über die zahlreichen Satellitenschüsseln und einen Mobilfunkmasten an Fenstern und Dach und endet bei dem unsäglich hässlichen, weil für die Optik der Häuser absolut verheerenden, Verschließen der Bogenschlüsse der großen Erdgeschossfenster am Eckhaus, hinter denen 1912 Wirt Fritz Schwarz seine – inzwischen längst verschwundene – Wirtschaft eröffnet hatte. Immerhin, die Haustür der Herzogenauracher Straße 1 aus den 1950er Jahren ist ein echter Hingucker.

Vielleicht gibt es in Zukunft für die Häuser einen würdigeren Rahmen

So weit, so unschön. Nun hat der Kadi jüngst und final entschieden, dass der geplante Ausbau des Frankenschnellwegs – wann auch immer – erfolgen darf. Doch der vielzitierte, begrünte Deckel, unter dem ein Teil der Stadtautobahn verschwinden soll, wird nicht bis zu den beiden Jugendstilhäusern reichen.

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