Fall 24 von "Freude für alle"

Cannabis, Crystal Meth und Spice: Darum steckt die Nürnbergerin Jenny mit 15 schon tief in der Sucht

6.12.2024, 17:00 Uhr
Die Zahl der drogenabhängigen Mädchen steigt auch in Nürnberg an. Sozialpädagogin Elisabeth Feistel (links, nachgestellte Szene) vom Verein Lilith versucht, zu helfen.

© Silke Roennefahrt Die Zahl der drogenabhängigen Mädchen steigt auch in Nürnberg an. Sozialpädagogin Elisabeth Feistel (links, nachgestellte Szene) vom Verein Lilith versucht, zu helfen.

Jenny ist erst 15, doch ohne Drogen kommt sie nicht mehr durch den Tag. Egal ob Cannabis, Crystal Meth oder Spice, wählerisch ist die Nürnbergerin nicht. Hauptsache, es wirkt und lenkt ab von den Sorgen und Nöten einer Teenagerin, die es im Leben bislang nicht leicht gehabt hat.

In ihrer Familie hat sie sich nie geborgen gefühlt. Schon die Mutter griff zur Tablette, der Vater trank reichlich, wenn er betrunken war, schlug er zu. Als das Jugendamt davon erfuhr, kam sie ins Heim, als es den Eltern besser ging, durfte sie wieder zurück. Doch der Frieden war nur von kurzer Dauer, wieder entschieden die Behörden, dass eine Jugendhilfeeinrichtung der bessere Ort für sie sei. Irgendwann lernte Jenny ihre erste große Liebe Paul kennen (Namen der Betroffenen geändert). Der 25 Jahre ältere Mann schien ihr das erste Mal im Leben ein bisschen Halt zu geben, doch er war es auch, der ihr die Drogen anbot.

Es sind Mädchen wie Jenny, denen Daniela Dahm, Geschäftsführerin von Lilith, der Nürnberger Drogenhilfe für Frauen und Kinder, mit einem neuen Angebot helfen will. Seit kurzem bietet der Verein eine spezielle Beratung für Mädchen im Alter zwischen 12 und 18 an, die schon in jungen Jahren drogenabhängig geworden sind. Die Arbeit hat noch gar nicht richtig begonnen, doch Dahm wird schon von Nachfragen von Fachleuten und Betroffenen überrollt. "Die rennen uns die Bude ein", sagt die Sozialpädagogin.

Für sie ist das der Beleg, dass sie mit der neuen Beratungsstelle eine Lücke im Hilfesystem schließen kann. "Für diese jungen Menschen, die beinahe noch Kinder sind, gibt es fast nichts." Im Gegenteil: In den klassischen Einrichtungen der Jugendhilfe ist eine Drogenabhängigkeit ein Ausschlusskriterium, wie auch Elisabeth Feistel betont, die mit einer Kollegin die Beratung der Mädchen übernimmt. Die Personaldecke für die dann nötige noch intensivere Betreuung sei dort einfach zu dünn.

Dabei, so schätzt Dahm, gibt es in Nürnberg einige hundert Mädchen wie Jenny, die illegale Drogen konsumieren und teilweise schon tief drin stecken in der Abhängigkeit. Sie kommen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten, doch ihre Biografien ähneln sich. Meistens, so sagt die 63-Jährige Fachfrau, hatten schon die Eltern ein Drogenproblem, auch Gewalt oder sexuelle Übergriffe in frühester Kindheit seien nicht selten. "Und da werden die Weichen fürs Leben gestellt", so Dahm.

Die Heranwachsenden rutschten irgendwann selbst in die Sucht ab, die Gewalterfahrungen wiederholten sich. Oft seien es ältere Männer wie Paul, die sich die Mädchen gezielt an den einschlägigen Orten wie Hauptbahnhof, Königstorpassage oder Plärrer suchen und ihnen die große Liebe versprechen. "Sie geben ihnen Zuwendung und Aufmerksamkeit - all das, was die Mädchen nicht haben." Doch dann kommen sexuelle Gefälligkeiten und Drogen ins Spiel, manchmal führt der Weg auch in die Prostitution - nicht zuletzt, weil der Drogenkonsum auch irgendwie finanziert werden muss.

Als Streetworkerinnen unterwegs

Wie eine Beratungsstelle da helfen kann? "Zunächst mal, indem wir die Mädchen bestärken, Grenzen zu setzen", sagt Dahm. "Und wir wollen ihnen helfen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen." Wer den Weg zu Lilith findet, der hat laut Dahm den ersten Schritt schon getan. Feistel und ihre Kollegin wollen aber auch auf die Straße gehen und als Streetworkerinnen denen ihre Hilfe anbieten, die noch nicht selbst aktiv geworden sind. "Je eher wir sie unterstützten, desto größer ist die Chance, dass sie gar nicht erst abhängig werden und den Konsum wieder sein lassen."

Das Problem dabei: Obwohl der Bedarf so groß ist, ist die Finanzierung ihrer Arbeit noch nicht auf Dauer gesichert. Derzeit fördert das bayerische Gesundheitsministerium die Stellen der beiden Beraterinnen aus Projektmitteln für rund sechs Monate. Wie es danach weiter geht, ist noch offen. Dahm hofft zunächst auf eine Verlängerung der Förderung durch den Freistaat. Dann möchte sie neue Räume für die Mädchenberatung suchen, um die jungen Frauen von den anderen, teilweise seit Jahrzehnten abhängigen Klientinnen der Drogenhilfe zu trennen. Geld fehlt aber nicht nur für Personal und Räume, sondern zum Beispiel auch für Schwangerschaftstests und Hygieneartikel, mit denen Lilith jungen Frauen wie Jenny unter die Arme greift: Manche Mädchen sind obdachlos und haben nicht einmal das Nötigste. Für sie und für die Arbeit von Lilith bittet die Weihnachtsaktion um Spenden.

So können Sie spenden

Die Spendenaktion „Freude für alle“ des Verlags Nürnberger Presse (VNP) unterstützt seit über 50 Jahren bedürftige Alleinstehende und Familien in unserer Region. Dafür stellen wir in der Vorweihnachtszeit beispielhafte Einzelschicksale vor. Helfen auch Sie mit einer Spende!

  • Hier können Sie über Paypal spenden
  • Konto bei Sparkasse Nürnberg: IBAN: DE 63 7605 0101 0001 1011 11
  • Konto bei Sparkasse Fürth: IBAN: DE 96 7625 0000 0000 2777 72
  • Konto bei Sparkasse Erlangen: IBAN: DE 28 7635 0000 0000 0639 99

Spendenquittungen stellen wir ab 300 Euro aus, bitte hierfür die vollständige Adresse hinterlassen.

Möchten Sie gezielt für ein in der Vorweihnachtszeit vorgestelltes Einzelschicksal sowie vergleichbare Fälle spenden, nennen Sie bitte im Verwendungszweck die entsprechende Fallnummer.

Wenn Sie im Überweisungszweck das Stichwort "Veröffentlichung" angeben, werden wir Ihren Namen, Ihren Wohnort und die Spendensumme in den gedruckten Zeitungen und E-Paper-Ausgaben des VNP veröffentlichen. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO für diese Veröffentlichung für die Zukunft zu widerrufen.

Weitere Informationen zum Datenschutz und Antworten auf häufige Fragen zu unserer Weihnachtsaktion „Freude für alle“ finden Sie unter www.vnp.de/ffa

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