Premiere auf der IAA Mobility 2023
Vollelektrisch und ein SUV: So radikal verändert sich der Renault Scenic
5.9.2023, 15:19 Uhr„Schon wieder ein SUV“, sagt der Herr von gegenüber und legt kritisch die Stirn in Falten. Auf der IAA Mobility gehört er zum Messeteam von Gentex, das Unternehmen stellt unter anderem abblendbare und digitale Außenspiegel her, gut möglich, dass auch Renault zur Kundschaft gehört. An diesem Messemontag in München-Riem verfolgt der Nachbar aber das, was sich wenige Meter entfernt auf dem Renault-Stand tut. Dort stellt Marken-CEO Fabrice Cambolive den brandneuen Scenic vor, und der sieht tatsächlich ganz anders aus als so, wie man ihn bisher gekannt hat: Aus dem einstigen Kompaktvan ist ein Crossover mit robustem SUV- Einschlag geworden.
Damit verabschiedet sich Renault von dem, was Autokäufer immer weniger wollen (eben Vans) und bedient stattdessen die Nachfrage nach dem, was besonders gefragt ist - SUVs also. Eine ähnliche Metamorphose hat bereits der größere Espace vollzogen.
Die wichtigste Nachricht aber: Der Scenic fährt jetzt vollelektrisch, und zwar ausschließlich. Als Verbrenner gibt es ihn überhaupt nicht mehr. Wie der Megane E-Tech Electric und der Nissan Ariya (unseren Fahrbericht lesen Sie hier) basiert er auf der sogenannten CMF-EV-Plattform der Renault-Nissan-Allianz.
Nach der ersten Phase der Elektromobilität, während der sich vornehmlich technisch aufgeschlossene „Early Adopters“ an einen Stromer herangewagt haben, sei es nun Zeit, den Wechsel zur Massenkompatibilität zu vollziehen, erklärt Fabrice Cambolive. Das bedeutet, dass beispielsweise Familien – die man nach wie vor für den Scenic gewinnen möchte – mit aller Selbstverständlichkeit ein E-Auto erwählen und damit auch auf Urlaubsfahrt, sprich die Langstrecke gehen können. „Unser Ziel ist es, dass der Scenic das erste Auto im Haushalt ist“, sagt Cambolive.
Zwei Leistungsstufen, zwei Batteriegrößen
Renault bietet die neue und fünfte Scenic-Generation in zwei Leistungs- und Batterievarianten an. Die Basisversion offeriert 125 kW/170 PS und nutzt einen 60-kWh-Akku für rund 470 Kilometer WLTP-Reichweite. Das Topmodell hingegen leistet 160 kW/220 PS und verfügt über einen 87-kWh-Energiespeicher, der Fahrstrom für etwa 620 Kilometer bereitstellt.
Wechselstrom aus der Wallbox oder konventionellen Ladestation wird dreiphasig und mit bis zu 22 kW bezogen, Gleichstrom aus der Schnellladesäule nimmt der 60-kWh-Scenic mit bis zu 130 kW, beim 87-kWh-Modell steigt die DC-Ladeleistung auf bis zu 150 kW. Eine halbe Stunde soll ausreichen, um 50 kWh nachzuladen. Zur Energierückgewinnung lassen sich vier Rekuperationsstufen einstellen, das funktioniert bequem über Schaltpaddles am Lenkrad.
Schnellladen mit bis zu 150 kW
Im Sinne eines effektiven Wärmemanagements wird serienmäßig eine Wärmepumpe mitgeliefert, außerdem lässt sich die Batterie mithilfe von Google Maps so vorkonditionieren, dass sie beim Erreichen des Ladestopps die ideale Temperatur von 25 Grad Celsius erreicht. Auch aerodynamische Maßnahmen optimieren die Reichweite, die bündig versenkten Türgriffe beispielsweise oder spezielle Add-Ons, welche den Lufteinlassraum der 20-Zoll-Aluminiumräder verkleinern.
Im Vergleich zu den Abmessungen des Vorgängers – der übrigens schon seit 2022 nicht mehr produziert wird – haben sich diejenigen des neuen Modells nicht gravierend verändert. Der Scenic E-Tech Electric ist 4,47 Meter lang, 1,57 Meter hoch und 1,86 Meter breit. Der Radstand von 2,79 Metern begünstigt ein großzügiges Platzangebot für die Passagiere. Was die Variabilität betrifft, beschränkt sich Renault allerdings damit, auf die „Ingenious“-Armlehne auf den Rücksitzen hinzuweisen, ein cleveres Teil, das über zwei schwenkbare Arme für den linken und rechten Sitz, 3,6 Liter Stauraum für Smartphones und Tablets, ausklappbare Ständer zum Betrachten von Bildschirmen sowie je zwei Getränkehalter und USB-C-Anschlüsse aufweist.
Der Kofferraum packt für Kompakt-SUV-Verhältnisse sehr ordentliche 545 bis 1607 Liter weg, zudem gibt es eine Durchladeklappe, die das Verstauen extralanger Gegenstände ermöglicht. Die Rückbank lässt sich indes nicht verschieben, und auch ein Grand Scenic mit bis zu sieben Sitzplätzen ist vom neuen Stromer nicht mehr zu erwarten.
Verdunkeln ohne Rollo
Als Besonderheit bekommt der Scenic E-Tech Electric ein sogenanntes Solarbay-Glasdach, das sich dank einer aktiven Beschichtung vierstufig von komplett transparent bis komplett undurchsichtig dimmen lässt. Der vordere und hintere Bereich ist separat regelbar, was im Übrigen nicht nur auf Tastendruck, sondern auch per Sprachsteuerung via Google Assistant möglich ist. Beim Verlassen des Fahrzeugs aktiviert sich automatisch der Milchglas-Modus. 50 Prozent des Panoramadachs bestehen aus Abfällen der Flachglas- und Autoglasproduktion, sagt Renault, und auch sonst habe man das Thema „Nachhaltigkeit“ umfassend berücksichtigt, von den Sitzbezügen, die nahezu vollständig aus recyceltem Stoff gefertigt wurden bis hin zu den Fußmatten, in denen ein 54-prozentiger Anteil recycelter Plastikflaschen steckt.
Das Cockpit-Layout setzt sich aus einem digitalen Fahrerinstrumentarium sowie einem hochkant installierten Zentralbildschirm zusammen, das beständig „over the air“ aktualisierte openR-Link-Multimediasystem arbeitet mit der Google Open Source Software, die sich beispielsweise im Megane E-Tech Electric bestens bewährt hat.
Denkt voraus
Über 30 Assistenzsysteme unterstützen den Fahrer respektive die Fahrerin, dazu gehört auch der „Active Driver Assist“, der den Scenic unter Zuhilfenahme der Navidaten beispielsweise vor Kurven oder Kreisverkehren automatisch abbremst und teilautonomes Fahren auf Level zwei ermöglicht.
Bis der Renault Scenic E-Tech Electric auf den Markt kommt, dauert es noch bis Anfang 2024. Preise sind deshalb noch nicht bekannt.
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