Neues aus den Museen
Spielzeugmuseum Nürnberg: 52 kleine Zeitreisen und ein ganz besonderer Koffer
28.6.2024, 11:31 UhrSteige ein, meine kleinen Herrschaften!, denn gleich wird der Zug abfahren. Wir wünschen euch viel Glück auf den Weg, aber dass eine solche Reise nicht ohne die verschiedensten Zwischenfälle vor sich geht, werdet ihr im Verlauf dieses Spiels erfahren.
Diese präsentierten Worte aus der Spielregel zu „Auf der Eisenbahn“ (JW Spear & Söhne, ca. 1922/1924) gehören zu einem ganz besonderen Schatz: Seit dem Sommer 2021 lagern in den Depotgeschossen des Pellerhauses rund 5000 Brett- und Gesellschaftsspiele aus vier Jahrhunderten. . Die großzügige Schenkung des Detmolder Sammlers Dieter Mensenkamp bereichert die Sammlung des Deutschen Spielearchivs im Haus des Spiels und sichert die lange Tradition Nürnbergs als Spiele- und Spielzeugstadt.
Die Sammlung darf als bedeutendste private Spielesammlung im deutschsprachigen Raum bezeichnet werden. In zehntelanger, minuziöser Arbeit hat Mensenkamp durchweg gut erhaltene Objekte auf Auktionen, Flohmärkten und Sammlertreffen zusammengetragen. Die in Inhalt und Form vielseitigen Schachteln faszinieren ihn so sehr, dass er sich intensiv mit seiner Geschichte und Herkunft beschäftigte. Folgerichtig verfügt er daraufhin auch über eine eigene Ordnung und Systematik, in die er seine Spiele einteilte. Das Ergebnis ist zum einen eine wohlgeordnete Sammlung und zum anderen – ganz praktisch – ein hölzerner Koffer mit akkurat geführten Karteikarten zu jedem Spiel, der die mühsame Arbeit an der Sammlung verkörpert.
Dieser besondere Koffer ist nun ein Herzstück und Ausgangspunkt der Ausstellung Schätze in Schachteln , die eine Auswahl von 52 Objekten – ein Prozent der Sammlung Mensenkamp – im Sonderausstellungsraum des Spielzeugmuseums präsentiert. Die ausgesuchten Highlights stehen stellvertretend für eine reiche, oft aber unterschätzte Kulturgeschichte der Spiele und des Spielens. Sie erzählen von technischen Neuerungen, von neuartiger Mobilität, von ausgedienten Rollenbildern und Erziehungsidealen – aber auch von der Entwicklung neuer Drucktechniken, von aufwendigen Produktionswegen und Massenherstellungsverfahren, als Spiele plötzlich viel mehr Haushalten zugänglich wurden.
In den Spielen kommen die unzähligen Sehnsüchte und Hoffnungen zum Ausdruck, welche die Menschen damals beschäftigt haben. Oft geht es darum, das Erlangen eines geschätzten Berufs, um Bildung und individuellen Wohlstand zu ermöglichen. So stellt das Spielen auf mikroskopische Weise das alltägliche Streben nach Anerkennung im sozialen Gefüge dar.
Doch zeigen sich an den Spielen auch Spuren von Propaganda und kollektiver Beeinflussung: Die gesellschaftlichen Grenzen werden in den Spielewelten aufrechterhalten. Abhilfe schaffen hier Spiele rund um das Thema Reisen, das eine ungeheure Faszination auf die Spielenden ausgeübt hat. Ob auf dem Land, zu Wasser oder in der Luft: Nichts kann so verbindend wirken wie Spiele. Deshalb endet die Ausstellung mit einer kleinen Spielestation, an der die Spielfelder ausgewählte Titel nach Herzenslust bereist werden dürfen.
Und insbesondere die Jugend, die das Frankenland noch nicht kennt, soll es hier im Spiel kennenlernen, um, wenn der nächste Sommer kommt, als ‚fahrende Scholaren‘ wohlvorbereitet durch die Kenntnisse, die sie sich durch dieses Spiel angeeignet haben, das Land zu durchstreifen . (Aus der Spielregel „Ins Frankenland hinein“, Jos. Scholz, ca. 1925)
https://spielzeugmuseum-nuernberg.de
Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen