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Nürnbergs High Society in der Renaissance: Neue Führung im Tucherschloss

Gabriele Koenig

2.7.2024, 17:08 Uhr
Blick aus dem Garten auf den Hirsvogelsaal

© Erika Moisan Blick aus dem Garten auf den Hirsvogelsaal

Vorweg: Die Tucher gehörten im 16. Jahrhundert zur „Crème de la Crème“ der Nürnberger Gesellschaft. Die Familie war schon seit Mitte des 14. Jahrhunderts in die Regierung der Reichsstadt eingebunden und gelangte durch Fernhandel zu Reichtum. „Es waren wenige Familien, die die Stadt politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich dominierten. Die Patrizier hatten im Grunde das Sagen“, berichtet Ulrike Berninger, die sich als Leiterin des Museums Tucherschloss und Hirsvogelsaal eingehend mit dem Gebäude und der Geschichte seiner Bewohner beschäftigt hat. Die neue Führung des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen in Nürnberg (KPZ) gibt einen Überblick über die damalige Lebensart.

Gold und Silber, Pelz und Perlen

Dass die Tucher wussten, was gut und teuer war, lässt sich an den Porträts ablesen, für die sie Modell standen. Hohe Krägen und Pelze, Kleider aus Samt und Seide, schwere Ringe und fein ziselierte Ketten und Gürtel – selbstbewusst blicken sie den heutigen Betrachtern entgegen. Dabei legten in Nürnberg Kleiderordnungen fest, wer was tragen durfte: Pelzkrägen und -besätze waren dem ersten Stand vorbehalten, nur Patrizierinnen durften sich mit goldenen Ketten schmücken. Warum das so war? Hoffart – also Hochmut – galt als Todsünde, zudem sollte in der damaligen Gesellschaft eine gewisse Balance gehalten und die Hierarchie gewahrt werden.

Das Speisezimmer mit Möbeln aus dem 16. Jahrhundert. 

Das Speisezimmer mit Möbeln aus dem 16. Jahrhundert.  © Helmut Meyer zur Capellen

Die steinerne Behausung

Wie andere Kaufmannsfamilien in Nürnberg auch, hatten die Tucher natürlich Häuser in der Altstadt. Dort standen die Gebäude eng, Mensch und Tier bewegten sich übers Pflaster – sicher war es schmutzig und stank. Lorenz II. Tucher (1490-1554), der durch die Heirat mit seiner Frau Katharina (1501-1549) zum reichsten Tucher geworden war, konnte es sich leisten, ins „Grüne“ zu entfliehen. Das Ehepaar erwirkte die Genehmigung, zwischen der inneren und äußeren Stadtmauer eine „steinerne Behausung“ zu errichten. Zwischen 1533 und 1544 entstand das Tucherschloss als Gartenrefugium. Zur damaligen Zeit war das Sandstein-Gebäude ein ungeheurer Luxus. Vermutlich beauftragte das Ehepaar Tucher das künstlerische Multitalent Peter Flötner mit der Ausstattung: Aufwändige Wandverkleidungen auf Fotos aus den 1930er Jahren gehen wohl auf seine Entwürfe zurück, Tapisserien schmückten die Wände und Nürnbergs hochmoderne, bequeme Wendeltreppe machte den Aufstieg ins obere Stockwerk zu einem Vergnügen. „Das Tucherschloss war bewusst auf Wirkung gebaut, seine Türme konnte man damals schon von Weitem sehen“, erzählt Ulrike Berninger.

Reisen bis ans Ende der Welt

Die Tucher waren im internationalen Fernhandel so erfolgreich, dass sie Niederlassungen in Lyon, Antwerpen, Genf und Venedig betrieben. Es war üblich, dass die Söhne der Familie schon in jungen Jahren ins Ausland gingen, um das Geschäft zu erlernen: Die Tucher handelten mit Luxuswaren wie Seide, Samt und Fellen, mit Südfrüchten und Gewürzen, sie besaßen eigene Drahtfabrikationen sowie Anteile an Bergwerken und Schmelzhütten. Auf Geschäftsreisen lernten die Kaufleute andere Kulturen kennen. Lorenz II. Tucher ließ architektonische Elemente aus Italien und Frankreich „recht unorthodox“ auf die Hof- und Gartenfassade des Tucherschlosses applizieren. Sein Verwandter, Hans VI. Tucher, unternahm schon 1479 eine Pilgerfahrt, die ihn nach Jerusalem führte – sein Reisebericht darüber wurde zum Bestseller.

Blick auf Tucherschloss und Garten.

Blick auf Tucherschloss und Garten. © Museen der Stadt Nürnberg

Die feine Lebensart

Wie die Tucher in der Renaissance und der frühen Neuzeit tatsächlich gelebt haben, lässt sich heute nur mit Spürsinn rekonstruieren. So sind beispielsweise private Briefe der Familienmitglieder erhalten. Darüber hinaus gibt das „Haushaltsbuch“ von Anton II. Tucher (1448-1524) Einblicke in die Lebenshaltung der Oberschicht.

Zum guten Leben gehörte damals auch, dass Reiche gottgefällige und wohltätige Werke taten. So beauftragte Anton II. Tucher den Bildhauer Veit Stoß und stiftete den „Englischen Gruß“ in der Lorenzkirche. Auch privat leisteten sich die Tucher Kunst. Linhart II. Tucher, Antons Sohn, ließ früher erworbene Serviceteile zum achtteiligen „Tucher‘schen Tafelservice“ ergänzen, das als bedeutendstes, geschlossen überliefertes Exemplar seiner Gattung in Deutschland gilt. Vier Präsentierschalen und eine Weinkanne wurden von dem berühmten Goldschmied Wenzel Jamnitzer aus Kupfer gefertigt und in Limoges von dem ebenso hochangesehenen Pierre Reymond mit Emailmalerei versehen.

Georg Anton Abraham Urlaub: Bildnis der Maria Anna Clara Tucher, geb. Peller (1758–1804), 1777.

Georg Anton Abraham Urlaub: Bildnis der Maria Anna Clara Tucher, geb. Peller (1758–1804), 1777. © Uwe Niklas

Geschlossene Gesellschaft

Die Tucher‘sche Handelsgesellschaft bestand bis ins 17. Jahrhundert, die Familie zählt noch heute zu den bekanntesten des Nürnberger Patriziats. Die herrschende Klasse war damals eine geschlossene Gesellschaft von 42 Familien. Und heute? Ist die geschlossene Gesellschaft passé, an ihre Stelle sind demokratische Strukturen getreten. Die Familie Tucher, die sich in zwei Linien spaltete, existiert in ihren Nachfahren weiter. Sie treffen sich jährlich bei Familienversammlungen.

https://museum-tucherschloss.de

Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.

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