Neues aus den Museen
Ludwig Erhard Zentrum in Fürth: Eine sehr persönliche Begegnung mit Henry Kissinger
11.4.2024, 08:24 UhrVergangenen Sommer besuchte Henry Kissinger anlässlich seines 100. Geburtstags ein letztes Mal seine Heimatstadt. Am 29. November 2023 ist er verstorben. Wie haben Sie ihn bei seinem letzten Besuch in Fürth erlebt?
Dass Henry Kissinger seinen 100. Geburtstag tatsächlich in Fürth feiern würde, bei uns im LEZ und im Stadttheater, das hatte niemand, auch ich nicht, erwartet. Als ich ihn fragte, hat er sofort zugesagt. Er bat mich, den Tag zu planen und zu organisieren. Er war tief berührt, das kam in jeder Mail und in den vielen Telefonaten, die wir hatten, zum Ausdruck. Ich habe erneut seine sehr menschliche und einfühlsame Seite erlebt. Er war überglücklich, tief erfüllt und aufgewühlt von diesem Tag. Beim offiziellen Festakt sagte er, dass sich für ihn der Kreis seines Lebens heute harmonisch schließe. Das hat viele zu Tränen gerührt.
Warum wollte Kissinger sein großes Jubiläum nach New York und London auch in Fürth feiern?
Es war ein Zeichen tiefer Verbundenheit mit seiner alten Heimat. Er hat hier eine glückliche Kindheit und Jugend erlebt, bis die Nazis die Familie so brutal aus dem Land trieben. Die Eltern waren hier tief verwurzelt. Der Vater war Lehrer am Mädchenlyzeum, dem heutigen Helene-Lange-Gymnasium. Henry Kissinger sagte mir immer wieder, dass er die Geburtstagsfeier für seine Eltern mache und für seinen Bruder. Henry Kissinger war trotz seiner Biografie immer ein weltweiter Fürsprecher Deutschlands. Frieden und Versöhnung waren der Motor seiner Politik.
Sie haben vor einigen Jahren den Film „Die Kissinger-Saga: Walter und Henry Kissinger. Zwei Brüder aus Fürth“ produziert. Was hat Sie angetrieben?
Ich habe mich damals als BR-Fernsehjournalistin intensiv mit dem Holocaust beschäftigt, kleine Filme gemacht. Das barbarische Leid, das jüdischen Deutschen angetan wurde, hat mich tief erschüttert. Ich hatte zum 80. Geburtstag von Henry
Kissinger ursprünglich ein kleines Stück für meine „Frankenschau“ im Sinn. Meinen Chef interessierte es nicht, aber ich hatte schon Feuer gefangen für diese faszinierende
Familiengeschichte, die weltweit noch niemand erzählt hatte. Ich gründete meine eigene Filmfirma TLF-Timelinefilm und produzierte selbst. Meine spannendsten Jahre begannen.
Für die Dreharbeiten zu dem Film sind Sie Henry Kissinger, seinem Bruder Walter Kissinger und deren Familien ziemlich nahegekommen. Wie haben Sie die Begegnungen erlebt?
Anfangs hat man mich natürlich sehr kritisch unter die Lupe genommen. Als man merkte, dass ich keine Sensationsjournalistin bin, sondern ehrlich arbeite und wirklich an der Familiengeschichte interessiert bin, entstand bald eine tiefe Freundschaft vor allem mit Walter und seinen Kindern und Enkeln. Ich durfte zum Schluss in den USA sogar bei reinen Familientreffen von Henry und Walter dabei sein.
Sie zeigen aktuell eine Sonderausstellung über Henry Kissinger und seine Familiengeschichte. Was erwartet die Besucher?
Dinge, die noch nie öffentlich zu sehen waren und nach Ende unserer Ausstellung wieder in den Häusern der Kissingers aufbewahrt werden: Ölportäts der Eltern von Henry und Walter, besondere Dokumente und Fotos und Gegenstände, die für Paula und Louis so wichtige Erinnerungsstücke waren, dass sie sie auf der Flucht aus Fürth mitnahmen. Zum Beispiel einige Teile eines wunderschönen alten Rosenthal-Services, ein paar Silberbesteckteile oder Bierkrüge des Großvaters. Die Nachfahren hüten diese Stücke wie Schätze. Wir zeigen aber auch die Original-Passagierliste der „Île de France“, mit der die Familie übers Meer in die USA fuhr.
Am Freitag, 12. April 2024, um 16.30 Uhr sowie am Sonntag, 14. April, um 15 Uhr finden öffentliche Führungen statt.
https://www.ludwig-erhard-zentrum.de/
Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.
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