Starkes Programm 2024

Dichter im Gras und ein Kusz im Theater: Was uns beim 44. Erlanger Poetenfest alles erwartet

2.8.2024, 11:00 Uhr
Es ist nicht ihr erster Preis, aber der größte: Jenny Erpenbeck, mit dem internationalen Booker Prize geehrt, bekommt ein Autorenporträt in Erlangen.

© Alberto Pezzali/dpa Es ist nicht ihr erster Preis, aber der größte: Jenny Erpenbeck, mit dem internationalen Booker Prize geehrt, bekommt ein Autorenporträt in Erlangen.

"Das Gras auf unserer Seite" - wenn das kein gutes Motto für eine Veranstaltung ist, die zu einem Großteil im doch recht grünen Schlossgarten stattfindet. Wie eben das 44. Erlanger Poetenfest, das dieses Jahr vom 29. August bis 1. September 2024 laufen wird. Wieder mit mehr als 100 Schriftstellern, Publizisten und Wissenschaftlern.

An namhaften Gästen fehlt es diesmal nicht, sogar bei den langen Lesenachmittagen am Samstag und Sonntag im Freien gibt es im halbstündigen Rhythmus Autoren wie Nora Bossong, Aris Fioretos, Valerie Fritsch, Anna Katharina Hahn, Jan Koneffke, Olga Martynova, Clemens Meyer, Deniz Ohde und David Wagner, jeweils mit dem aktuellen, oft noch gar nicht gedruckten Buch und der Bereitschaft zur Auskunft.

Jenny Erpenbeck kommt mit "Kairos" zum Poetenfest

Besonders ansprechend sind diesmal die Autorenporträts austariert. So gibt es an den ersten beiden Abenden einen weiblichen Schwerpunkt mit starkem Ostberliner Akzent: einmal mit der unverwüstlich komischen Katja Lange-Müller, die ihren neuen Roman "Unser Ole" dabei hat, dann mit Jenny Erpenbeck, die ihren DDR-Liebes- und Leidensroman "Kairos" bereits in Erlangen vorstellen durfte - für den sie (als Übersetzung ins Englische) in der Zwischenzeit dann auch den International Booker Prize bekam. Eine große Ehre, zumal als erste deutsche Autorin.

Autor Fitzgerald Kusz wird 80.

Autor Fitzgerald Kusz wird 80. © Wolf Ebersberger

Den Schlusspunkt im dritten Porträt darf dann am Sonntagabend - wir gönnen es ihm von Herzen - Fitzgerald Kusz setzen. Sein 80. Geburtstag steht Ende des Jahres an. Grund genug, dem fränkischen Lyriker und Dramatiker die verdiente Würdigung zu erweisen - am 1. September im Markgrafentheater. Wenn schon zum Jubiläum keines der hiesigen Theater sich mal wieder an "Schweig, Bub!" wagt... Den Versuch wäre es doch wert!

Kein Poetenfest ohne Politik: Gespräche und Diskussionen behandeln diesmal die drohende US-Wahl sowie die nicht weniger beängstigenden Landtagswahlen im September, den tragischen Nahost-Konflikt und unsere Debattenkultur.

Poetenfest-Eröffnung mit der "Bayern 2"-Nacht der Poesie

Natürlich gibt es wieder die "Bayern 2"-Nacht der Poesie zur Eröffnung, u.a. mit Michael Köhlmeier, es gibt die Erlanger Übersetzerwerkstatt, zu der auch Antje Rávik Strubel erwartet wird, Ausstellungen sowie Filme und Veranstaltungen für Kinder. Lesewiese, Druckwerkstatt und Comic-Workshop runden das Familienprogramm ab.

Was bedeutet es, wenn ein Pistorius meint, dass Deutschland "kriegstüchtig" werden müsse? Und was die Debatte über Ost und West in einem Land, das offenbar noch immer ungleich vereint ist? Beim aktuellen Podium "Freiheit in Gefahr?" nehmen Nachwuchsautorin Mithu Sanyal ("Identitti") und das Nürnberger SPD-Urgestein Renate Schmidt teil.

Die mutige israelische Autorin Lizzie Doron, ihre Kollegin Najwa Juma aus dem Gaza-Streifen und der junge Historiker Meron Mendel wagen einen jüdisch-palästinensischen Dialog. Die traditionelle Sonntagsmatinee trägt den um Hoffnung ringenden Titel "Was kann Diplomatie bewirken?".

Die Bereitschaft zum Dialog und zur Auseinandersetzung mit anderen Meinungen zieht sich sowieso als roter Faden durch das Poetenfest-Programm 2024, wie Festivalleiter Bodo Birk und sein Team betonen.

Lena Gorelik, Kathrin Röggla und Sasha Marianna Salzmann stellen etwa das Buch "Trotzdem sprechen" vor, sogar ein "Muslimisch-jüdisches Abendbrot" wird zelebriert und der stets unterhaltsame Rolf-Bernhard Essig präsentiert im Stadtmuseum Geschichten zu jiddisch-hebräischen Redensarten.

Sharon Dodua Otoo (links) war auch schon mal hier.

Sharon Dodua Otoo (links) war auch schon mal hier. © Harald Hofmann

Wie können Humor und Irritation zur Machtkritik in Krisenzeiten eingesetzt werden, fragt auch das performative Erzähltheater "Stellt euch mal vor …" mit Texten von Sharon Dodua Otoo, der Bachmann-Preisträgerin.

Und einen Abschied, unvermeidlich, gibt es auch. Mehr als 30 Jahre hat der Kritiker Hajo Steinert das Erlanger Poetenfest und den deutschen Literaturbetrieb mitbegleitet und -gestaltet. Mit seiner Moderatorenkollegin Maike Albath blickt er noch einmal zurück – und nach vorne. Gut so. Wenn das Poetenfest kein regionales Erfolgsprojekt mit Zukunft ist, was dann?

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