Neues aus den Museen

Bei Halt bitte nicht benutzen! DB Museum rollt die Geschichte der Zugtoilette auf

Benjamin Stieglmaier

1.7.2024, 23:22 Uhr
Über hundert Jahre funktionierten die Zugtoiletten mittels Fallrohr.

© DB Museum Über hundert Jahre funktionierten die Zugtoiletten mittels Fallrohr.

Als in Deutschland 1835 die erste Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde, dachte wohl kaum jemand an Zugtoiletten. Wie in den Postkutschen waren diese nicht vorgesehen. Wer sich während einer Bahnfahrt erleichtern musste, wartete auf den nächsten, ausreichend langen Halt des Zuges oder behalf sich notgedrungen auf unkonventionelle Weise. Da konnte auch schon mal ein Stiefel das Mittel der Wahl sein.

Adelige hingegen mussten sich zumindest um dieses Geschäft keine Gedanken machen: In ihren Salonwagen waren sie die ersten Bahnreisenden mit Toilette, wie die Ausstellung anhand zahlreicher Objekte zeigt: vom Nachttopf bis hin zum mobilen Toilettensitz. Schließlich mehrten sich die Forderungen nach „Abtritten“ auch in den Zügen der weniger gehobenen Klassen, und viele Bahnverwaltungen führten mit einem „Abort“ ausgestattete Gepäckwagen ein. Die erfreuten sich jedoch nicht allzu großer Beliebtheit, da meist nur bei Halt in diese gar nicht stillen Örtchen umgestiegen werden konnte.

Toilettenpapier im DB-Design.

Toilettenpapier im DB-Design. © DB Museum

Aus Kostengründen scheuten sich die Bahnverwaltungen zunächst, Toiletten direkt in die Personenwagen einzubauen, kosteten diese doch wertvolle Sitzplätze. Dennoch dauerte es nicht mehr lange, bis auch die ersten Personenwagen mit einem Abort ausgestattet wurden. Der befand sich allerdings noch zwischen zwei Abteilen oder war von außen zugänglich.

Reisende mieden diese Toiletten aus Schamgefühl, da sie nur unter Erregung der Aufmerksamkeit anderer aufgesucht werden konnten. Ein neuer Wagentyp – der Durchgangswagen – sollte die Scham beim Toilettengang überwinden helfen, und es etablierte sich als gängiges System das WC mit Fallrohr.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Eisenbahn nicht nur eine Lösung für das eigene Fäkalienproblem gefunden, sondern half auch in den Städten aus: Vor Einführung der Kanalisationen transportierte sie mit speziellen Fäkalien-Transportwagen die menschlichen Ausscheidungen zur Düngemittelverarbeitung aufs Land.

Das stille Örtchen auf Rädern. Die Ausstellung zeigt viele Beispiele davon.

Das stille Örtchen auf Rädern. Die Ausstellung zeigt viele Beispiele davon. © UWE NIKLAS

Die Fallrohrtoilette aber – das „Plumpsklo“ der Bahn – spülte die Fäkalien einfach auf die Gleise, darum war ihre Benutzung bei Halt am Bahnhof untersagt. Die in die Umwelt austretenden Abfälle waren dabei nicht immer unumstritten: Mit der Cholera-Epidemie meldeten sich erstmals Kritiker zu Wort.

Etwa einhundert Jahre später ergaben Untersuchungen zwar keine Gesundheitsrisiken, jedoch galten die offenen Toiletten als nicht mehr zeitgemäß und Menschen, die in der Umgebung von Bahndämmen wohnten, fühlten sich durch die Verschmutzungen aus den offenen WCs belästigt. Für Schlagzeilen sorgte so die Eisenbahnbrücke Hochdonn zu Beginn der 1990er Jahre: In einer Wohnsiedlung nahe der Brücke sammelten sich die Abfälle aus den Fallrohrtoiletten der Züge.

Außenansicht des DB Museums, das sich in einem Gebäude mit dem Museum für Kommunikation befindet.

Außenansicht des DB Museums, das sich in einem Gebäude mit dem Museum für Kommunikation befindet. © Stadt Nürnberg/Ralf Schedlbauer

Eine Privatklage führte schließlich zur Einführung geschlossener Toiletten auf dieser Strecke – verbunden mit hohen Kosten, die den Einbau der Vakuumtoiletten schon einmal in den 1970er Jahren verhindert hatten. Deren Siegeszug folgte erst mit der Entwicklung des ICE ab dem Jahr 1985. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr und damit verbundene Druckbelastungen ließen kein offenes Toilettensystem mehr zu, hätte es doch beim Fallrohr während schneller Tunnelfahrten zu einer Richtungsumkehr der eigentlich nach unten austretenden Fäkalien kommen können.

Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare