Bärbel Schnell und Sabine Schnell-Pleyer

"Demokratie ist kein Selbstläufer", sagen die Verlegerinnen des Verlags Nürnberger Presse

Alexander Jungkunz

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23.3.2024, 15:00 Uhr
Engagement, das die beiden Verlegerinnen Bärbel Schnell (links) und Sabine Schnell-Pleyer freut: Blick auf die Demo am 20. Januar gegen rechts am Willy-Brandt-Platz, vor der VNP-Zentrale.

© News5 / Deyerler /VNP Engagement, das die beiden Verlegerinnen Bärbel Schnell (links) und Sabine Schnell-Pleyer freut: Blick auf die Demo am 20. Januar gegen rechts am Willy-Brandt-Platz, vor der VNP-Zentrale.

Warum ist der Einsatz für die Demokratie ein Teil der DNA, des Erbguts des Verlags Nürnberger Presse?

Sabine Schnell-Pleyer: Das setzt schon bei den Verlegern an. Sie hatten dieses freiheitliche Denken in ihrer DNA. Zuerst Josef Drexel mit seiner Lebensgeschichte als Widerstandskämpfer gegen Hitlers Regime und Verfolgter, dann wurde er 1945 Gründungsverleger in Nürnberg – daraus entstand die DNA dieses Verlags. Und wir haben das mitbekommen – diesen Einsatz für unsere Werte.

Bärbel Schnell: Drexel saß ja auch im KZ und wusste genau, was das bedeutet: nicht frei zu sein. Das trieb ihn an, eine Demokratie mit aufzubauen – und frei seine Meinung äußern zu können. Die Chance, das mitgestalten zu können, die haben die Gründungsväter dieses Hauses wahrgenommen. Sie wollten einen Gegenpol bilden zur Diktatur.

Das hat auch viel mit der Geschichte des Verlags-Sitzes zu tun…

Schnell: Ganz klar. Ein Haus, in dem der berüchtigte Nazi-Gauleiter Julius Streicher saß und das Hetzblatt "Der Stürmer" herausgab… Das ist schon ein Ansporn, dem etwas ganz anderes entgegenzusetzen.

Wie entstand die Idee, dass ausgerechnet an diesem Ort das Herz der neu gegründeten NN entstehen sollte?

Schnell-Pleyer: Es war der Vorschlag der US-Alliierten, die wollten, dass hier die freie Presse einzieht. Und das gefiel Josef Drexel dann auch, dieser Ort als Herausforderung und Motivation.

Wie empfand Ihr Vater diesen Ort denn?

Schnell-Pleyer: Auch er war ein extrem mutiger Mann und nahm Herausforderungen gern an.

Schnell: Er hat sich ja sehr intensiv mit der NS-Zeit beschäftigt und eine ganze Bibliothek dazu. Ein unglaublicher Fundus. Das war sein Lebensthema. Wirklich sein Lebensthema.

Schnell-Pleyer: Es ging bei ihm immer auch darum: Hab ich schon genug getan?

Schnell: Deshalb war er ja maßgeblich an der Gründung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände beteiligt und förderte es. Das hat ihn umgetrieben.

Gibt es Beispiele, wo und wann sich der VNP direkt für die Demokratie eingesetzt hat? Sie haben das Doku-Zentrum schon erwähnt…

Schnell-Pleyer: Ich würde beim Journalismus ansetzen, ein extrem wichtiger Punkt. Jeden Tag engagieren wir uns da als VNP, wir geben unserer Redaktion die Freiheit und die Rückendeckung für ihre Arbeit. Wir sind Plattform für den Diskurs. Das ist ganz wesentlich für die Demokratie.

Schnell: Zwei konkrete Beispiele: Wir lieferten und liefern auch Hintergründe und Exklusives zur Geschichte der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Da waren wir maßgeblich beteiligt und setzen die Recherchen auch fort. Und der Fall Mollath: Da wurde ein Mensch unschuldig weggesperrt – und durch unsere Arbeit gelang es, dass er seine Freiheit wiederbekam.

Warum sind freie Medien so wichtig für die Demokratie?

Schnell-Pleyer: Wenn Menschen keine seriösen Informationen mehr bekämen, könnten sie gar nicht richtig teilhaben am Staat. Sie könnten nicht informiert wählen, sie wüssten kaum Bescheid über das, was hier in der Region und in ihrer Nachbarschaft geschieht. Und es geht auch darum, den Mächtigen auf die Finger zu blicken.

Schnell: Wir sehen ja zwei krasse Beispiele. Auf der einen Seite Russland, wo die Menschen keine echten Informationen erhalten. Auf der anderen Seite Amerika. Da sind viele Medien aus der Fläche verschwunden, dort fehlen seriöse Informationen. Was da entstehen kann, erleben wir nun vielleicht – eine Diktatur. Wenn Trump wieder gewinnt, dann wird das so etwas in der Art. Ausgerechnet Amerika, die einst so stolze Demokratie…

Nun läuft die lange Serie zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes – das dürften nicht die klassischen Klick- oder Auflagenbringer sein. Aber Sie setzen auf diese Reihe. Warum?

Schnell-Pleyer: Wir wollen, dass den Menschen bewusst wird, was sie an der Demokratie haben. Sie ist keine Selbstverständlichkeit – auch wenn viele das so sehen. Wir wollen zeigen, welche Privilegien wir hier haben in dieser Freiheit. Vielleicht bekommen manche dann auch wieder Lust, sich für die Demokratie einzusetzen, zu engagieren.

Deshalb auch der Preis, den Sie stiften und der Engagement für die Demokratie in der Region auszeichnet…

Schnell: Genau. Demokratie ist ja auch eine Lebensform. Und sie ist kein Selbstläufer. Man muss für sie kämpfen, sich engagieren. Streiten, diskutieren, aufzeigen, was auf dem Spiel steht.

Schnell-Pleyer: Es wird vielen jetzt erst bewusst, dass die Demokratie Unterstützung braucht. Dass es nicht reicht, zuzusehen und sich zurückzulehnen.

Schnell: Da zählt es, am Samstag seinen Hintern hochzukriegen und auf eine Demo zu gehen. Wir haben das auch getan.

Spätestens seit Corona beschimpfen manche die sogenannten "Mainstream-Medien" als "Lügenpresse", da gibt es abgrundtiefes Misstrauen. Was tun Sie dagegen?

Schnell-Pleyer: Man kann da nur guten Journalismus dagegensetzen. Weitermachen. Unsere Unabhängigkeit aufzeigen…

Schnell: Ja, auch gegen diese abstrusen Theorien, wir seien von der Regierung abhängig oder gesteuert… Da müssen wir gelassen gegensteuern und dürfen uns nicht provozieren lassen.

Vor allem junge Menschen informieren sich teils nur noch über Social Media, mit maximal zugespitzten, knappen Botschaften. Erreicht der VNP diese Gruppe noch?

Schnell: Wir müssen sie abholen, am besten auf den Kanälen, auf denen sie unterwegs sind. Dafür haben wir viele junge, engagierte Menschen im Haus. Es ist ganz wichtig, diese Generation zu erreichen, die unsere Demokratie bald prägen und gestalten wird. Mit jungen, engagierten Journalistinnen und Journalisten. Da müssen wir auch ein Stück politische Bildung liefern, an der es oft fehlt.

Die einfachen Botschaften gibt es gratis und überall, die Hintergründe und Analysen der Zeitung oder auf NN.de kosten Geld – warum hat Journalismus seinen Preis?

Schnell: Die Frage ist: Was ist mir wie viel wert? Da müssen wir den Wert unserer Produkte – solide Information gerade aus unserer Region, die es so sonst nirgends gibt – betonen. Junge Menschen sind ja durchaus bereit, für Medien zu bezahlen. Sie hören Podcasts, sind online unterwegs – diese Formate liefern wir auch, um sie abholen zu können.

Haben Sie Angst um die Demokratie?

Schnell: Wach geworden bin ich, als ich die Zitate von Joseph Goebbels las, der schilderte, wie die Nazis die Demokratie mit deren Mitteln unterwanderten und ausnutzten, um die Demokratie abzuschaffen. Das treibt mich schon um. Da müssen wir alle wachsam sein, nicht nur wir Medien, auch Staat und Gesellschaft.

Schnell-Pleyer: Die Gesellschaft ist nun endlich wach geworden. Und wir als Medien haben eine zentrale Aufgabe.

Viele fordern: Medien müssen objektiv sein. Sie beide sind es nicht, was die Demokratie angeht…

Schnell: Ja, da sind wir logischerweise klar Partei – für Demokratie.

Schnell-Pleyer: Das ist eine Frage der Haltung, und die beantworten wir sehr eindeutig.

Schnell: Wir haben da ja unsere Grundsätze im VNP, unser "Why" – was treibt uns an? Wir stehen für Demokratie.

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