Demokratien sind auf dem Rückzug

Die Goldenen Zwanziger für autokratische Regime

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

E-Mail zur Autorenseite

20.3.2024, 19:00 Uhr
Geht es bergab mit den Demokratien?

© Federico Gambarini, dpa Geht es bergab mit den Demokratien?

63:74 liegt die Demokratie hinten. In Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es immer weniger demokratisch regierte Staaten, zuletzt eben nur mehr 63. Demgegenüber wächst die Zahl der Autokratien kontinuierlich, 74 autoritär geführte Systeme zählt der von der Bertelsmann Stiftung erhobene Transformationsindex.

Meist siecht das freiheitliche System dahin

Das ist alarmierend. Denn es geht seit zwei Jahrzehnten mit demokratischen Regierungen bergab. Nun ist es nicht so, dass Demokratien auf Knopfdruck abgelöst werden können, das passiert höchst selten in Form eines Putsches. Meistens siecht das freiheitliche Systeme über Jahre vor sich hin, am Ende mangelt es dann an Verteidigern, die Gegner haben leichtes Spiel.

In Deutschland wurde die Staatsform Demokratie zuletzt bei vielen Demonstrationen verteidigt. Global betrachtet, befindet sie sich auf dem Rückzug.

In Deutschland wurde die Staatsform Demokratie zuletzt bei vielen Demonstrationen verteidigt. Global betrachtet, befindet sie sich auf dem Rückzug. © Harald Sippel, NN

Die Experten der Bertelsmann Stiftung bringen das Dilemma auf den Punkt: "In vielen Fällen sind zivilgesellschaftliche Akteure die letzte und entschlossenste Verteidigungslinie gegen zunehmende Autokratisierung." Frei übersetzt: Nur, wenn die Bürger achtsam genug sind, kann die Demokratie auf Dauer überleben, ein Selbstläufer ist diese durchaus anspruchsvolle Regierungsform jedenfalls nicht.

Eine Außenansicht des Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten am Capitol Hill. Der frühere US-Präsident Trump kann nach Auffassung des Obersten Gerichts der USA an den Präsidentschaftsvorwahlen seiner Partei teilnehmen. Dabei wird ihm vorgeworfen, den Sturm auf das Capitol im Jahr 2021 mit unterstützt zu haben. Damals war die US-Demokratie in Gefahr.

Eine Außenansicht des Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten am Capitol Hill. Der frühere US-Präsident Trump kann nach Auffassung des Obersten Gerichts der USA an den Präsidentschaftsvorwahlen seiner Partei teilnehmen. Dabei wird ihm vorgeworfen, den Sturm auf das Capitol im Jahr 2021 mit unterstützt zu haben. Damals war die US-Demokratie in Gefahr. © J. Scott Applewhite, dpa

Wer mag, kann diese Blaupause zur Rettung der Freiheit auch auf Deutschland übertragen: Millionenfach hat eben diese Zivilgesellschaft in den vergangenen Monaten bewiesen, wie konkreter Einsatz für die Demokratie aussehen kann - indem zum Beispiel demonstriert wird. Deutschland ist denn auch (noch) nicht von einem Abrutschen in autoritäre Strukturen bedroht.

Andernorts sieht es schlechter aus: Türkei, Algerien, Uganda, Nigeria oder Singapur zählen zu den 25 "moderaten" Autokratien, daneben gibt es 49 "Hardcore-Autokratien" wie Russland und China, das - so die Studienergebnisse - "unter Xi Jinping in zunehmendem Maße von einer Einparteienherrschaft zu einer absolutistischen Monokratie mutiert".

Trübe Aussichten

Trübe Aussichten also. In Bevölkerungszahlen übersetzt leben derzeit drei Milliarden Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern in einer Demokratie, vier Milliarden in autokratischen Strukturen. Die globale Landkarte verschiebt sich. Statt einer am Gemeinwohl orientierten Regierung, die bei Misserfolg abgewählt werden kann, setzen sich Strukturen durch, die auf Machterhalt und Korruption, nicht selten auch auf Repression und Gewalt fußen.

Nach dem es keine funktionierenden "Weltregierung" gibt, sind die Handlungsoptionen relativ überschaubar. Tatsächlich könnten die demokratischen Vorzeigestaaten , wozu Deutschland zählt, mehr Geld in die PR investieren, sprich: die Entwicklungshilfe und politische Bildung ankurbeln, Derzeit ist genau die gegenteiligen Entwicklung feststellbar. Goehte-Institute werden abgebaut, der Etat der Bundeszentrale für politische Bildung schmilzt, Entwicklungshilfe verliert in Zeiten steigender Verteidigungsausgaben an Bedeutung. Gute Zeiten für Autokraten, zumal wenn Donald Trump erneut der Einzug ins Weiße Haus gelingen sollte.

Verwandte Themen


0 Kommentare