Autobranche steckt in der Krise

Warum die Warnstreiks bei VW nur die Vorboten eines heißen Tarifkonflikts im Winter sind

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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2.12.2024, 09:24 Uhr
"Hände weg von unserem Tarifvertrag! - Alle unsere Standorte müssen bleiben!" Das steht auf einem Plakat vor dem Volkswagen-Werk Emden. Die IG Metall ruft die Mitarbeitenden an mehreren deutschen Volkswagen-Standorten zu Warnstreiks auf.

© Sina Schuldt/dpa "Hände weg von unserem Tarifvertrag! - Alle unsere Standorte müssen bleiben!" Das steht auf einem Plakat vor dem Volkswagen-Werk Emden. Die IG Metall ruft die Mitarbeitenden an mehreren deutschen Volkswagen-Standorten zu Warnstreiks auf.

Streiks sind die Ultima Ratio, also die letzte Möglichkeit eines Arbeitskampfes. Bei VW ist also erst der Beginn der Eskalationskaskade in Gang gebracht - Warnstreiks sind das Warmlaufen für etwas noch Größeres. Leider führt wohl kaum ein Weg am großen Knall, sprich: einem echten Arbeitskampf, in diesem Winter vorbei.

Dafür sprechen einige Fakten: Zum einen das Verhalten des VW-Managements. Vorsichtig formuliert, hat sich der Arbeitgeber unklug verhalten. Statt die Dialoglinie beim größten deutschen Autobauer fortzusetzen, polterten die Vorstände mit den geplanten drei Werkschließungen einfach drauf los - ohne Rücksicht auf Verluste.

Gewerkschaft bot Lohnverzicht an

Dazu kamen noch die geforderte zehn Prozent Gehaltsabstriche, so dass die IG Metall kaum an den massiven Warnstreiks vorbeikommen konnte. Zumal die Gewerkschafter vorher schon zu Zugeständnissen bereit gewesen waren, indem sie einen Verzicht auf Lohnerhöhungen in Aussicht gestellt hatten.

Nun also beginnt die heiße Phase eines Arbeitskampf-Winters. Denn VW könnte nur der Vorbote von noch folgenden Arbeitsniederlegungen sein. Die Bundestagswahl am 23. Februar soll nach dem Willen der Gewerkschaften auch zu einer Abstimmung über die Industriepolitik werden. Eine Taktik, die durchaus Sinn ergibt.

Denn die Bundesrepublik steuert auf eine Arbeitsmarktkrise zu, die durchaus das Potenzial zu einer weiteren Verunsicherung in sich birgt. Die jüngsten Zahlen der Nürnberger Bundesbehörde lassen nichts Gutes vermuten, die Zahl der Arbeitslosen nähert sich der Drei-Millionen-Markt.

Eine Entwicklung, die zur Automobilbranche zurückführt: Dieser mit Abstand größte Industriezweig Deutschlands steckt tief in der Krise, die Transformation vom Verbrenner zum E-Auto stockt, die Absatzzahlen gehen zurück. Das einstige Autoland Deutschlands blickt wie das Kaninchen vor der Schlange auf die Absatzmärkte - dort sorgen chinesische Billiganbieter für massive Konkurrenz und erobern immer mehr Marktanteile.

Verkorkste Förderpolitik

Daran trägt auch eine verkorkste Förderpolitik eine gehörige Portion Mitschuld, doch die Hauptverantwortung liegt bei den Herstellern. Diese haben, VW ist ein gutes Beispiel, den Einstieg in eine jenseits der teuren E-Dienstwagenflotte bezahlbare Modellpalette versäumt.

Und was macht die Politik? Veranstaltet einen (Industrie-)Gipfel nach dem anderen, ohne konkrete Ergebnisse. Noch mehr Sorgen als diese Zeichen von Hilflosigkeit müssen Aussagen des aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten stimmen. Unions-Mann Friedrich Merz würde wohl am liebsten das Rad zurückdrehen und den Verbrenner recyclen. Das wäre dann, nach einem kurzen Moment der Freude unter den Rückwärtsgewandten, aller Voraussicht nach das Ende der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Autobauer.

Alles in allem keine guten Aussichten. Die Warnstreiks bei VW bilden nur die Aufwärmphase harter Tarifkonflikte.

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