Abschluss für Branche gelang schon

VW als Nagelprobe für Kompromisse: Metall-Tarifpartner können zeigen, wie Politik funktionieren soll

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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20.11.2024, 15:29 Uhr
Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, und Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall, im VW-Stammwerk Wolfsburg.

© Julian Stratenschulte/Julian Stratenschulte/dpa-Pool/dpa Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, und Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall, im VW-Stammwerk Wolfsburg.

VW läuft momentan eher nicht - im Gegensatz zum alten Werbespruch für den Käfer ("Er läuft und läuft und läuft"). Der Konzern steckt in einer tiefen Krise, wieder mal. Es droht die Schließung von Werken und der Abbau vieler Jobs.

Nun hat die IG Metall ihr Konzept vorgelegt, wie Volkswagen wieder ins Laufen gebracht werden soll. Betriebsrat und Gewerkschaft liefern Ideen für Einsparungen - und Kompromisse. Das ist bemerkenswert in Zeiten, wo die Politik sich mehr und mehr unfähig und unwillig zu Kompromissen zeigt.

Abschluss als Signal an die Regierenden

Die IG Metall bei VW reagiert damit auch auf den Tarifabschluss, der vor einer Woche für die gesamte Branche gelang - überraschenderweise, denn die Zeichen standen auf Eskalation. Doch die Gewerkschaft und die Arbeitgeber wollten, das sagten sie bei der Präsentation des Vertrags mit einem sehr moderaten Lohnabschluss, ganz bewusst auch ein Signal an die Regierenden senden: Seht her, wir schaffen, wozu ihr nicht in der Lage seid - eine Einigung trotz festgefahrener Fronten und harter Konflikte.

Denn genau das zeichnete die Bundesrepublik jahrzehntelang aus, und es war ein Standortvorteil gegenüber anderen Staaten: die Geschmeidigkeit, mit der Kompromisse gefunden wurden. Lange in der Politik, nahezu immer bei den Tarifparteien, die trotz lauter Töne bei Warnstreiks dann doch passgenaue Lösungen fanden.

Was die IG Metall nun für VW vorschlägt, geht in diese Richtung. Ob es ausreicht, ist die offene Frage. So stellt sich die Gewerkschaft den Deal vor: Die nächste Tariferhöhung soll nicht an die 120.000 Beschäftigten in Deutschland ausgezahlt werden, sondern die Summe soll befristet in einen Zukunftsfonds fließen. Das wäre also eine Null- oder, mit Blick auf die Inflation, Minusrunde für die Belegschaft. Aus dem Fonds sollen dann flexible Arbeitszeitkürzungen ohne Personalabbau bei gleichem Gehalt finanziert werden. , argumentieren die Arbeitnehmervertreter.

Auch Aktionäre und Manager sollten ihren Beitrag leisten

Und sie fordern, dass Vorstand und Aktionäre im Zuge der Sparanstrengungen ebenfalls kürzertreten müssten. Auch das Management solle auf Boni verzichten. "Alle müssen einen Beitrag leisten", so der Betriebsrat. Das wäre nur logisch und ebenfalls ein Element des früheren deutschen Erfolgsrezepts: soziale Gerechtigkeit. VW schüttete trotz der absehbaren Krise zwischen 2021 und 2023 etwa 22 Milliarden Euro an seine Aktionäre aus - und die setzen sich beim Wolfsburger Konzern anders zusammen als bei "normalen" Unternehmen: Das Land Niedersachsen ist nach den Großaktionärs-Familien Porsche und Piech zweitgrößter Anteilseigner. Da sollte es Raum für Kompromisse geben.

VW hat mit der Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich schon einmal Tarifgeschichte geschrieben, das war vor gut 30 Jahren. Nun müssen Gewerkschaft und Arbeitgeber zeigen, ob sie ähnliches schaffen - oder scheitern. Beides wäre ein Signal für die Zukunft auch des Standorts Deutschland. Zu hoffen ist auf eine Erfolgsmeldung.

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