DTM in Nürnberg

Ärger mit dem Chef, Feueralarm, Sieg: „Wikinger“ Nicki Thiim und sein historisches Norisring-Rennen

Sebastian Gloser

Sportredakteur

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7.7.2024, 17:00 Uhr
Schlechte Zeiten gehen, bad guys bleiben: Nicki Thiim triumphiert am Nürnberger Norisring.

© IMAGO/Steffen Proessdorf/IMAGO/foto2press Schlechte Zeiten gehen, bad guys bleiben: Nicki Thiim triumphiert am Nürnberger Norisring.

Worum es im Motorsport geht? Um Geschwindigkeit, natürlich. Aber auch darum, wie die weitgehend angstbefreiten Männer, die bei der DTM ihre Rennwagen mit über 250 km/h über den Kurs jagen, abseits der Strecke abliefern. Karosserien, Helme, Fangzäune - das sorgt für Distanz. Wer die Fans in Nürnberg auf der Steintribüne auf seine Seite ziehen möchte, muss entweder Marco Wittmann heißen, die richtige Marke fahren oder selbst zur Marke werden.

Letzteres ist Nicki Thiim spätestens am Sonntag auf dem Norisring gelungen. Am Vormittag glückte dem Dänen mit der markanten Frisur die schnellste Runde im Zeittraining, am Nachmittag kam der Lamborghini-Pilot dann als Erster aus der Grundigkehre und blickte sich nicht mehr um. Auch nach einer Safety-Car-Phase kurz vor Schluss konnte er Maro Engel (Mercedes) und seinen Teamkollegen Mirko Bortolotti (der die Führung in der Fahrerwertung übernahm) hinter sich halten.

"Hier zu gewinnen, war immer mein Traum", sagt Nicki Thiim

"Hier zu gewinnen, war immer mein Traum", sagte Thiim, als er wenig später schweißgebadet und champagnergeduscht im Medienzentrum ankam. Diesen Satz hat man an dieser Stelle schon oft gehört, aber der 35-Jährige konnte ihn glaubhafter vortragen als viele seiner Vorgänger. Als kleines Kind hatte er seinen Vater Kurt dabei beobachtet, wie bereits er um den Norisring gerast war (und 1989 sowie 1991 hier gewonnen hatte), ihm es eines Tages gleich zu tun, war ein Ziel, seitdem er das erste Mal in einem Kart saß. "Harte Arbeit zahlt sich aus", sagte Thiim, "schlechte Zeiten gehen vorbei, aber bad guys bleiben, das ist mein Motto als Wikinger."

In einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen hatte sich Thiim einmal mit einem Boxer verglichen. "Helm auf, rein in den Ring und kämpfen" - so laute seine Einstellung, am Sonntag auf dem Norisring musste er aber erst gar nicht in Zweikämpfe gehen. Am Samstag hatte er noch mächtig Ärger mit seinem Vorgesetzten bekommen, nachdem er seinen Kollegen überholt und den im Gesamtklassement besser platzierten Bortolotti wichtige Punkte gekostet hatte. Auf eine unruhige Teamsitzung folgte eine unruhige Nacht, weil im Hotel der Feueralarm anging und die Fahrer kurzzeitig auf der Straße standen; als am Mittag die Ampel auf Grün sprang, waren die beiden Lamborghini-Fahrer trotzdem hellwach.

Eine "beschissene Saison" sei das bisher gewesen, sagte Thiim, nachdem er sich im Qualifying die Pole Position geschnappt hatte, es tue gut zu zeigen, "dass ich diesen Kram noch kann". Wie fast alle Protagonisten in diesem umkämpften Geschäft hat er schwierige Zeiten erlebt, umso besser läuft es im Sommer 2024. In der Vorwoche hatte er bei den 24 Stunden von Spa triumphiert, nun der Sieg am Norisring, der obendrein ein historischer war. Zum ersten Mal in 40 Jahren haben Vater und Sohn ein Rennen in der DTM gewonnen.

"Frustrierendes" Wochenende für Marco Wittmann

Der Marco Wittmann (BMW) war es dagegen ein Wochenende zum Vergessen. Nach zwei maximal gebrauchten Läufen blieb nicht viel mehr als Blechschaden. Während sein Teamkollege Rene Rast am Samstag bei wechselhaftem Wetter die beste Strategie wählte und als Erster über den Zielstrich fuhr, demolierte sich Wittmann in einem Zweikampf die Front und fuhr als Zwölfter ins Ziel.

Am Sonntag lief es noch ein bisschen schlechter. Nach einer Regelübertretung beim Start, brummte ihm die Rennleitung eine Strafe auf, ein weiterer Blechschaden sorgte erst dafür, dass er nicht um eine bessere Platzierung mitfahren konnte und dann für den Auftritt des Safety-Cars, weil sein Außenspiegel in der Dutzendteichkehre liegen geblieben war.

"Die Atmosphäre bei meinem Heimspiel war einmal mehr großartig", sagte Wittmann danach über das Rennwochenende, das insgesamt 110.000 Besucherinnen und Besucher angelockt hatte: "Umso frustrierender ist es, dass ich die Zuschauer leider nicht auch mit guten Ergebnissen auf der Strecke begeistern konnte."

Die Fans auf der Steintribüne wird er trotzdem auch im kommenden Jahr auf seiner Seite haben. Bei der Strecke, auf der noch immer Rennfahrer zur Marke werden können.

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