Ära bei den VfL-Baskets geht zu Ende
Langzeitcoach Stephan Harlander: "Treuchtlingen war immer schon besonders"
1.4.2023, 09:07 UhrDie erste Frage geht weniger an den Trainer als vielmehr an den Mathematiklehrer Stephan Harlander: Wie oft sind Sie in den vergangenen 15 Jahren von Nürnberg nach Treuchtlingen gefahren und wie viele Kilometer haben sie dabei in etwa zurückgelegt?
Stephan Harlander: Puh, schwierige Frage! Also wenn ich alles zusammennehme mit Schule, Basketball-Training, Heimspielen sowie Auswärtsspielen und wenn ich dann mal von 35 Wochen pro Jahr mit je sieben Fahrten nach Treuchtlingen und zurück ausgehe, dann dürfte ich auf rund 500 000 Kilometer kommen. Mich hat das aber nie gestört und ich habe auch nie eine kritische Verkehrssituation erlebt. Es hat mich nicht großartig belastet. Natürlich gab es auch Tage, da hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn ich in zehn Minuten im Training gewesen wäre.
Im Rückblick auf die vergangenen 15 Jahre bleiben viele Highlights, unvergessliche Spiele und Erfolge mit zwei Aufstiegen, zwölf Jahren in der Regionalliga und zwei Bayernpokalsiegen in Erinnerung. Aber wie hat es eigentlich angefangen? Wie hat es den Nürnberger Harlander, der als Spieler und Trainer im Profibereich aktiv war, nach Treuchtlingen zu einem Amateurverein wie dem VfL verschlagen?
Damals war ich Ende 30, hatte zwei Jahre 1. Bundesliga mit ganz schlechtem Budget mit den Falken Nürnberg hinter mir und war dann Jugendleiter beim anschließenden Zusammenschluss Brose Bamberg/Nürnberg. Bambergs Chefcoach Dirk Bauermann und ich hatten dort unterschiedliche Ansichten und ich wurde entlassen – freigestellt, wie es immer so schön heißt. Ich habe damals gegen die Entlassung geklagt und dabei auch gewonnen. Zu Treuchtlingen hatte ich zuvor schon immer einen guten Bezug. Dort habe ich zwei Jahre mit Leuten wie Stephan Wiesner, Jürgen Eisenbrand oder Thomas Herzner in der Bezirksliga gespielt, nachdem ich meine Profilaufbahn wegen einer Hüftarthrose beenden musste. In Treuchtlingen war es immer schon besonders und es hat Spaß gemacht, mit den Leuten einfach Basketball zu spielen.
Und dann wurden Sie 2008 Trainer beim VfL?
Ja, der Josef Ferschl (der langjährige Abteilungsleiter der VfL-Baskets, Anmerkung der Redaktion) hat meinen Weg über viele Jahre verfolgt und mich nach dem Aus bei Bamberg/Nürnberg kontaktiert. Er kam mit seinen beiden Jungs, Fabian und Bassi (der Spitzname von Sebastian Ferschl) nach Nürnberg in den Hummelsteiner Biergarten. Dort haben wir alles besprochen und uns darauf geeinigt, dass ich das für eine Saison mache. Der Josef und ich haben schnell gemerkt, dass wir gleich ticken.
Hand aufs Herz: Hätten Sie seinerzeit gedacht, dass aus einem Jahr gleich 15 werden?
Nein! Es war ganz klar, dass es nach einer Saison wieder endet und ich zurück in den Profibereich gehe. Allerdings haben wir mit dem Aufstieg in die 2. Regionalliga gleich viel erreicht, es ist super gelaufen, die Zuschauerzahlen gingen in die Höhe und der VfL wollte mich behalten. Gleichzeitig musste ich natürlich mein Leben finanzieren und da hat der Josef die Lösung mit einem Halbtagsjob als Trainer und zusätzlich als Lehrer an der Senefelder-Schule aufgetan. Ich habe zugesagt, weil es mir in Treuchtlingen so gut gefallen hat. Ohne Josef Ferschl hätte es diese 15 Jahre beim VfL nicht gegeben. Für mich war das letztlich ein Glücksfall, und ich hoffe sehr, dass es auch für den VfL einer war. Ich sage immer: „Glück ist, wenn Zufall auf Vorbereitung trifft“ – und hier war das der Fall. Ich war gerade frei, mir lag das Ganze am Herzen, das Potenzial war vorhanden und dann kam auch noch der Zufall mit der Schule hinzu.
Doch jetzt neigen sich diese 15 Jahre unweigerlich dem Ende entgegen. Geben Sie doch bitte mal ein wenig Einblick in Ihre Gefühlswelt. Wie ist es für Sie, wenn Sie gegen Regnitztal letztmals als Treuchtlinger Trainer an der Seitenlinie sind und vor einem sicherlich sehr emotionalen Abschied stehen?
Ob Sie es glauben oder nicht: Für mich geht es zuerst darum, dass wir dieses Spiel für die treuen Leute, die da sein werden, gewinnen. Unabhängig von meiner Person haben wir für die Fans und die Helfer zu spielen – auch weil wir vor einem gewissen Umbruch stehen. Für mich stellt sich natürlich die Frage, wie gehe ich mit diesem Samstag um? Ich bin nicht so der Verabschiedungstyp, würde mir am liebsten das Mikro nehmen, ein paar Sachen sagen, die mir wichtig sind, und dann heimgehen. Letztlich weiß ich aber nicht, was passiert. Ich gebe zu, dass mir der Samstag schwerfällt, ich bin derzeit kaum für ein anderes Thema offen. Ich bin aber mental vorbereitet und weiß, was ich sagen will. Für mich selber würde mir ein schlichtes „Ade“ reichen.
Gerade bei einem solchen Abschied werden viele Erinnerungen wach, weil unheimlich viel passiert ist. Können Sie dennoch den größten Erfolg und die schlimmste Niederlage benennen?
Ich würde zwei größte Erfolge herausheben: Sportlich war das nach unserem überraschenden und mutigen Aufstieg 2010 als Tabellendritter der 2. Regionalliga der Klassenhalt in den beiden folgenden Jahren in der 1. Regionalliga. Ich weiß noch, wie in unserem ersten Jahr in der 1. Regio nach dem letzten Spiel, dem Sieg gegen Weiden, 400 Zuschauer in der „Sene“ auf dem Spielfeld saßen und auf die anderen Ergebnisse gewartet haben . . .
. . . Sie haben sich damals auf eine Kiste gestellt und – ganz der Mathelehrer – vorgerechnet, warum der VfL aufgrund der direkten Vergleiche drinbleibt . . .
. . . das wusste ich jetzt gar nicht mehr so, aber der zweimalige Klassenverbleib nach dem Aufstieg war einfach überragend und hat den ganzen Hype und die Erfolgsgeschichte der nächsten Jahre begründet. Die späteren Spitzenplätze haben sich aus der Entwicklung dieser Jahre ergeben. Der zweite unvergessliche Erfolg ist für mich die Historie an sich: dass der VfL nächste Saison schon das 13. Jahr in Folge mit eigenen Leuten ohne Profis in einer halbprofessionellen Liga spielt. Das darf man keinesfalls unterschätzen. Es geht um die Kontinuität unseres Amateurkonzepts, es geht um eine Erfolgsgeschichte mit Herz und Durchhaltevermögen. Und auch wenn die letzten Jahre speziell in der Corona-Zeit schlechter gelaufen sind, so sind wird trotzdem easy in der Liga geblieben. Daran sieht man: Es geht um die Qualität aus eigener Kraft und dass man viel erreichen kann, wenn man Dinge schlau macht. Ich freue mich, dass ich Ähnliches zuvor schon zweimal bei den Falken in Nürnberg als Trainer miterleben durfte, als wir mit den Herren in die 1. Bundesliga aufgestiegen sind und als wir bei den Mädchen aus der C-Jugend heraus einen Bayerischen Meister und späteren Zweitligisten bei den Frauen entwickelt haben.
Bleibt noch die Frage nach der schlimmsten Niederlage in der VfL-Zeit?
Niederlagen waren nie wirklich schlimm, außer die Mannschaft hat sich für die Zuschauer nicht zerrissen – es gab allerdings sehr wenige solcher Spiele.
Sie haben in Treuchtlingen zahlreiche Korbjäger gecoacht und betreut. Gab es da gewisse Lieblingsspieler?
Es gibt ja immer Spieler, die in der Sonne stehen. Der Tim Eisenberger war früher so einer. Schon ein echter VfLer, der dann aber doch irgendwann wegging. Lieblingsspieler waren für mich Florens Remmele und der „kleine“ Fruth, der David, zwei begnadete Basketballer. Oder auch die Ferschl-Brüder Fabi und Bassi – die haben ihr letztes Hemd für den VfL gegeben. Oder auch Konny Huhn, spielerisch war er zwar nicht so top, aber ein „Krieger vor dem Herrn“. Und es geht weiter über Volker Lang bis hin zu aktuellen Spielern wie Tobias Hornn und Moritz Rettner. Das sind alles Leute, die nicht uniform, sondern speziell sind, und ohne groß zu fragen, ihr Ding machen.
Was macht den VfL für Sie aus?
Ausgangspunkt des Ganzen ist klar der Josef Ferschl. Die „ganz Alten“ – so um meinen Jahrgang herum, und die wissen, wen ich meine – haben ihr Herzblut reingehauen, die Jungen haben es entwickelt und die Fans haben es getragen. Und ohne die Helfer und das Kampfgericht und deren Hingabe wäre es nicht gegangen. Alle miteinander haben wir das gemacht. Aber ohne den Josef gäbe es das alles nicht. Jetzt ist es an Stefan Schmoll, die Aufgaben und die Arbeit fortzuführen. Er tritt in große Fußstapfen, macht das aber großartig und bringt genug Herzblut mit, um den VfL in die Zukunft zu führen.
Stichwort Zukunft. Wie sieht es bei Ihnen aus? Bleibt es tatsächlich bei der angekündigten mindestens einjährigen Pause nach über 40 Jahren Basketball?
Ja, es bleibt dabei. Ein Jahr Pause ist das absolute Minimum. Im Dezember/Januar werde ich spüren, ob es wieder juckt und ob es ein Programm gibt, in dem ich eine Zukunft sehe. Es muss passen. Im Moment riecht es aber danach, dass ich ganz aufhören werde mit dem Basketball. Ab sofort hat die Familie noch mehr Priorität und auch die Schule. Ich will unbedingt an der Senefelder-Schule in Treuchtlingen bleiben. Sie ist mir ans Herz gewachsen und hat mir gefehlt, als ich für ein Jahr ausgesetzt und als Landestrainer gearbeitet habe. Mir gefällt es einfach, den Schülern Mathe und auch etwas fürs Leben beizubringen.
Den VfL-Baskets werden Sie aber sicherlich weiter verbunden bleiben?
Da komme ich gar nicht drumherum, allein schon wegen meiner Zwillings-Buben, die immer bei den Heimspielen im VfL-Trikot rumturnen. Ich habe mir vorgenommen, jedes Spiel anzuschauen, soweit es zeitlich machbar ist. Ich werde dann allerdings auf der anderen Seite unter den Fans und Zuschauern hocken – bei den Leuten, die ich hoch respektiere. Ich möchte diese Leute weiterhin sehen, zumal ich vielen zu tiefstem Dank verpflichtet bin und der VfL ein ganz großer Abschnitt meines Lebens ist. Hier habe ich 15 von 54 Jahren verbracht.
Da wären wir zum Schluss wieder beim Mathelehrer . . .
. . . ja, das sind gut 27 Prozent meines Lebens – aber das hat meine Frau Eva gerade im Hintergrund ausgerechnet (lacht).
Zur Person
Stephan Harlander ist in Altdorf geboren und in Nürnberg aufgewachsen. Mit zwölf Jahren fing er dort bei Falke mit dem Basketball an und spielte für seinen Stammverein bis zur 2. Bundesliga. Als Spieler war er auch für den TSV Breitengüßbach am Ball. Als Trainer coachte er die Mädchen und Frauen der Falken ebenfalls bis zur 2. Bundesliga und die Nürnberger Herren sieben Jahre in der zweiten Liga und nach dem Aufstieg für zwei Spielzeiten in der 1. Bundesliga. Nach dem Zusammenschluss Bamberg/Nürnberg kam er ein Jahr später 2008 zum VfL Treuchtlingen, mit dem er viele Erfolge feierte. Der 54-Jährige, der hauptberuflich Lehrer für Mathematik an der Senefelder-Schule in Treuchtlingen ist, lebt mit seiner Frau Eva sowie den Zwillingen Tim und Linus (6) in Nürnberg. um
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