Michael Husarek (58) ist als Chefredakteur für die journalistischen Ausspielkanäle des Verlags Nürnberger Presse (VNP) verantwortlich. Dazu zählen die Nürnberger Nachrichten, die Nürnberger Zeitung, das Bezahlportal NN.de sowie nordbayern.de. Husarek hat Politische Wissenschaften und Neuere Geschichte studiert und wurde vor einem Jahr in den Deutschen Presserat berufen.
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Michael Husarek (58) ist als Chefredakteur für die journalistischen Ausspielkanäle des Verlags Nürnberger Presse (VNP) verantwortlich. Dazu zählen die Nürnberger Nachrichten, die Nürnberger Zeitung, das Bezahlportal NN.de sowie nordbayern.de. Husarek hat Politische Wissenschaften und Neuere Geschichte studiert und wurde vor einem Jahr in den Deutschen Presserat berufen.

Presserat sanktioniert

Was dürfen Journalisten - und was nicht? Chefredakteur Michael Husarek über Pressefreiheit

Herr Husarek, viele Menschen denken, dass Journalisten schreiben können, was sie wollen. Stimmt das?

Nein. Wir müssen uns an Gesetze halten, vor allem an das Presserecht. Wenn wir eine Aussage über jemanden treffen, die nachweislich falsch ist, dann kann derjenige von seinem Recht auf Gegendarstellung Gebrauch machen. Wir sind dann verpflichtet, dessen Sichtweise in juristisch korrekter Form zu veröffentlichen. Das Presserecht kann auch zu Schadensersatzklagen führen. Daneben gibt es noch die Kontrolle durch den Deutschen Presserat, der Verstöße gegen ethische Regeln im Journalismus sanktioniert.

Was unterscheidet Journalisten von Bloggern und Influencern?

Wir Journalisten müssen unsere Quellen absichern, wenn wir eine Nachricht in die Welt setzen. Wir sind verpflichtet zu überprüfen, ob diese Nachricht stimmt. Ein seriöses Medienhaus wie unseres kann nicht einfach – wie das viele Influencer und Blogger machen – irgendetwas ins Internet stellen. Wir liefern Qualitätsjournalismus, der seinen Namen verdient.

Polizisten sichern den Magdeburger Weihnachtsmarkt nach dem Anschlag am 20. Dezember 2024. Der Presserat erteilte Bild.de eine Rüge für ein Video, das wiederholt zeigte, wie das Auto des Täters in die Menschenmenge fährt.

Polizisten sichern den Magdeburger Weihnachtsmarkt nach dem Anschlag am 20. Dezember 2024. Der Presserat erteilte Bild.de eine Rüge für ein Video, das wiederholt zeigte, wie das Auto des Täters in die Menschenmenge fährt. © IMAGO/Eibner

Sie sind seit einem Jahr Mitglied im Deutschen Presserat, der fehlerhafte Arbeit von Journalistinnen und Journalisten ahndet. Wie funktioniert das?

Jede und jeder kann sich hier über eine Veröffentlichung beschweren. Dann muss der Presserat urteilen, ob ein Verstoß gegen den Pressekodex vorliegt, der die Richtlinien für journalistische Arbeit festlegt. Er besteht aus einer Präambel, die unter anderem die Pressefreiheit und die Berufsethik definiert. Und er besteht aus 16 Ziffern, die alle möglichen Verstöße auflisten und erklären, wann beispielsweise gegen die Sorgfalt, gegen die Menschenwürde, gegen den Schutz der Persönlichkeit und Ehre verstoßen wird, oder auch wann die Grenze zur Sensationsberichterstattung oder Schleichwerbung überschritten ist.

Wenn der Presserat entscheidet, dass da tatsächlich gepfuscht wurde, was passiert dann?

Wenn Beschwerden begründet sind, dann wird über drei Sanktionsstufen beraten. Es gibt den Hinweis, die Missbilligung und als schärfste Strafe die Rüge, die von der betroffenen Zeitung oder den Digitalmedien veröffentlicht werden muss. Es wäre ein stumpfes Schwert, würden sich die Medienhäuser nicht an dieses Gebot halten.

Schert die Bild-Zeitung da eventuell aus?

Tatsächlich werden überdurchschnittlich viele Verstöße bei der Tageszeitung Bild oder bei Bild.de festgestellt. Der Presserat veröffentlicht diese Rügen im Internet. Jeder kann sich dort ein Bild der sanktionierten Beiträge machen. Für unser Medienhaus ist es selbstverständlich, dass wir Rügen veröffentlichen. Alle Menschen machen Fehler. Wir auch.

Wie viele Rügen hat unser Verlag Nürnberger Presse bereits erhalten?

In der knapp 80-jährigen Geschichte der Nürnberger Nachrichten haben wir eine Handvoll Rügen bekommen, also weniger als eine pro Jahrzehnt.

Der Presserat hat für deutsche Medien 24 Rügen allein für die drei Monate von Oktober bis Dezember 2024 ausgesprochen. Nennen Sie doch bitte zwei Beispiele!

Eine Rüge bekam Bild.de für ein Video, in dem wiederholt zu sehen ist, wie der Attentäter von Magdeburg in den Weihnachtsmarkt raste. Die Aufnahmen zeigten aus der Vogelperspektive, wie das Auto in die Menge fuhr und mehrere Menschen umriss. Der Presserat urteilte, dass diese Darstellung des Sterbens die Würde der Betroffenen verletzt und den Tatbestand der Sensationsberichterstattung erfüllt. Außerdem erhielt die TAZ in Berlin eine Rüge, weil sie Polizisten pauschal als Mörder in Uniform verunglimpft hatte. Das wurde als schwerer Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt und gegen das Ansehen der Presse gewertet.

Ein häufiger Vorwurf, der aus der politisch rechten Ecke kommt, lautet, dass die großen Medien wie Die Zeit, Der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung, aber auch die Nürnberger Nachrichten alle Mainstream-Journalismus betreiben.

Das ist Humbug. Diese Kritik fußt ja darauf, dass sich jene, die der AfD nahestehen, nicht hinreichend berücksichtigt fühlen. Als Medienhaus wollen wir einen Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie leisten. Das bedeutet eben auch, Kritik an radikalen, extremistischen Kräften zu üben, die eben dieser Demokratie Schaden zufügen wollen.

Immer wieder heißt es auch, Journalistinnen und Journalisten würden von politischen Parteien, von der Bundesregierung oder von Interessenverbänden bezahlt …

Als Chefredakteur werde ich auch immer wieder mit diesem Vorwurf konfrontiert. Aber: Wir werden ausschließlich von unserem Verlag bezahlt, sonst von niemandem. Diese Unterstellung, dass wir von Parteien oder anderen Kräften Geld bekämen, ist Quatsch. Gott sei Dank gibt es in Deutschland eine unabhängige und freie Presse.

Was sagt denn der Pressekodex, wenn es um teure Geschenke oder Einladungen für Journalisten geht?

Wir dürfen uns nicht bestechen lassen. Wenn uns bei einer Pressekonferenz ein Glas Wasser angeboten wird, können wir das annehmen. Wenn jemand aber das Ziel verfolgt, dass wir positiv über ihn berichten und uns als Gegenleistung eine Urlaubswoche auf einer Luxus-Yacht anbietet, dann ist das Bestechung. Übrigens sagt der Pressekodex in Ziffer 6 auch, dass mögliche Interessenskonflikte zu vermeiden oder offenzulegen sind. Wer an einer Protestaktion privat teilnimmt, sollte darüber nicht berichten. Und das ist gut so. Aktivismus und Journalismus sind zwei Paar Schuhe.

Wann darf bei Straftaten die Nationalität des Täters genannt werden?

Die Nationalität, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, außer es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Das ist dann der Fall, wenn eine besonders schwere Straftat wie die Amokfahrt von Magdeburg vorliegt, also wenn es sich um ein Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag, Folter, Entführung oder Geiselnahme handelt. Bei einem Diebstahl nennen wir die Nationalität nicht. Aber auch bei Kapitalverbrechen diskutieren wir in der Redaktion jeden Einzelfall, um Diskriminierung zu vermeiden.

In welcher Form dürfen Journalisten über Opfer von Verbrechen, Unfällen oder Krankheiten berichten?

Da ist größte Zurückhaltung gefordert. Wer Opfer eines Verbrechens geworden ist, soll keinesfalls zusätzlich durch eine Identifizierbarkeit belastet werden. Es reicht nicht, auf einem Foto nur die Augen zu schwärzen. Meistens ist es geboten, Betroffene überhaupt nicht zu zeigen oder ihre Gesichter unkenntlich zu machen. Bei allem, was mit dem Leid von Menschen verbunden ist, müssen wir sehr vorsichtig sein. Blutige Darstellungen von Unfällen und Verbrechen würde unser Medienhaus nicht veröffentlichen. Übrigens haben auch Täter einen Anspruch auf Schutz ihrer Persönlichkeit und dürfen nicht gezeigt und vorverurteilt werden.

Es gibt aber auch Täter, die mit ihren Memoiren an die Öffentlichkeit gehen möchten. Was sagt der Pressekodex dazu?

Er sagt, dass eine Veröffentlichung von Verbrecher-Memoiren gegen die publizistischen Grundsätze verstößt, wenn Straftaten relativiert werden, wenn die Opfer belastet und lediglich Sensationsbedürfnisse befriedigt werden. Der berühmte Mittagsmörder, der in den 1960er Jahren im Nürnberger Raum fünf Menschen immer zur Mittagszeit ermordet hatte, wurde im Jahr 2015 nach 50 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Wir hatten aus diesem Anlass überlegt, nochmals über ihn und seine Taten zu berichten, haben aber mit Blick auf den Pressekodex darauf verzichtet.

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