Frauenhaus Schwabach
Wenn der Partner immer aggressiver wird: Schwabacher Frauenhaus berät online
6.1.2025, 18:58 UhrAnmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde im Juli 2023 erstmals veröffentlicht. Da das Thema weiterhin von Relevanz ist, wurde der Text erneut publiziert.
"Wir müssen mit der Zeit gehen." Was so modern klingt, hat für Sylke Siekmann einen ernsten Hintergrund. Sie ist eine von zwei Fachfrauen, die im Schwabacher Frauenhaus seit 2023 eine Online-Beratung anbieten. Sie ist ein Baustein in einem Mosaik an Hilfsangeboten für Frauen aus Schwabach sowie aus den Landkreisen Roth, Nürnberger Land und Weißenburg-Gunzenhausen, die ein Ziel haben: Frauen, die der Gewalt ihres Partners ausgesetzt sind, einen Weg aus dieser Situation aufzuzeigen.
Die Problematik an sich ist uralt, und doch ist es für viele nicht vorstellbar, was sich hinter mancher Wohnungstür an brutalen Szenen abspielt. Brutal im Übrigen nicht immer im buchstäblichen Sinn, sondern auch im übertragenen.
Tiefe Narben
Das Handy wegnehmen, Freundschaften verbieten, permanente Drohungen und Demütigungen: "Psychische Gewalt wird oft als solche von den Betroffenen gar nicht wirklich erkannt oder benannt. Im Gegensatz zu tätlichen Auseinandersetzungen. Und doch hinterlässt diese psychische Gewalt genauso tiefe Narben wie rein körperliche Gewalt", weiß Andrea Hopperdietzel, die das Frauenhaus seit dessen Gründung vor knapp drei Jahrzehnten leitet.
In dieser Zeit hat sie aus eigener Erfahrung gelernt - musste lernen -, was auf der Internetseite des Frauenhauses (www.frauenhaus-schwabach.de) als Eingangssatz steht: "Häusliche Gewalt hat viele Formen. Sie findet zu jeder Zeit, an jedem Ort und in allen gesellschaftlichen Schichten statt. Gewalt ist kein Einzelschicksal."
Gewalt des Partners gegenüber seiner Frau - ein omnipräsentes Thema also. Genauso omnipräsent wie mittlerweile die Tatsache, dass Kommunikation ganz wesentlich gerade in der jüngeren Generation digital stattfindet, sprich: über soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder WhatsApp. Das ist nur einer von vielen Aspekten, wie die digitale Welt auch die Welt von Frauen verändert - und die der Arbeit im Frauenhaus.
Ortungsdienste ausschalten
"Früher waren Frauen sicher, sobald sie die Schwelle unseres Hauses überschritten hatten und hinter ihnen die Tür zuging", erzählt Hopperdietzel. Heute aber - Stichwort Cyber-Mobbing - reiche es nicht, wenn eine Frau von ihrem gewalttätigen Mann rein räumlich Abstand sucht.
"Als erstes checken wir die Handys unserer Neuankömmlinge, um beispielsweise Ortungsdienste auszuschalten. Oder wir fragen, wer das Handy eingerichtet hat. Das lassen Frauen häufig von ihren Männern machen - mit der Folge, dass diese leicht Zugriff auf die Daten haben, von denen die Frau eigentlich glaubt, dass nur allein sie darüber verfügt. Oft eine fatale Annahme mit weitreichenden Konsequenzen", erläutert die Frauenhaus-Leiterin.
Andererseits macht es die digitale Kommunikation auch leicht, Kontakt nach außen aufzunehmen - selbst, wenn Kinder zu Hause sind; ja sogar, wenn der Partner, der immer wieder mal "austickt", nebenan sitzt.
Telefonieren ist für viele "out"
Aus diesem Wissen entstand die Idee, neben dem bereits bestehenden Beratungsangebot vor Ort oder per Telefon auch eine Online-Beratung anzubieten. Für Sylke Siekmann - sie hat sich bereits vor Jahren in einer Fortbildung speziell für die Online-Beratung qualifiziert - eine "wirklich gute Ergänzung".
Warum? "Zum einen, weil wir gemerkt haben, dass gerade junge Frauen ungern telefonieren, geschweige denn gleich einen Termin vor Ort ausmachen. Online zu chatten, das ist unverbindlicher, anonymer. Da kann man auch kurz und bündig die Unterhaltung beenden, weil man selbst nicht mehr ,reden‘ will. Oder weil die Frau Gefahr läuft, vom Mann ,erwischt‘ zu werden. Die Hemmschwelle ist deutlich niedriger", sind Siekmann und Hopperdietzel überzeugt.
Weil das so ist, "hoffen wir, dass wir mit diesem neuen Angebot auch Frauen ansprechen, die vielleicht nur ein ,dummes Gefühl‘ haben, was das Gewaltpotenzial in ihrer Partnerschaft angeht, und sich eventuell erst einen Rat holen wollen. Oder denen es einfach auch mal guttut, ihre Nöte, ihre Ängste schriftlich formulieren zu können. Dieses anonyme Schreiben hat etwas Befreiendes, Klärendes", führt Hopperdietzel aus.
Einfach und sicher
Die Handhabung ist einfach. Auf der Homepage des Frauenhauses gibt es zwei große Schaltflächen. Wer "Sofort Chat" ansteuert (übrigens anonym und ohne Kamera), hat Sylke Siekmann und ihre Kollegin live auf der anderen Seite sitzen. Und zwar jeden Montag, Mittwoch und Donnerstag von 11 bis 17 Uhr.
Als Alternative steht "Zur Online Beratung" zur Auswahl. Wer diese Option wählt, bekommt zwar nicht sofort eine Rückmeldung, aber dafür drei Angebote: 1. "Chat starten" - mit Antworten innerhalb von wenigen Tagen. 2. "Mailanfrage stellen". Und 3. die Möglichkeit, über einen Online-Kalender direkt einen Beratungstermin im Frauenhaus zu buchen.
Immer präsent auf jeder Seite des virtuellen Frauenhauses: das Symbol für "Notausstieg". In diesem konkreten Fall bedeutet das: Wenn die Nutzerin schnell und "spurlos" die Seite verlassen muss, drückt sie auf diesen Notausgang - und niemand kann ihr folgen. Auch kein misstrauischer Mann. Klingt für Außenstehende ein bisschen nach Paranoia - oder auch "spooky", wie Andrea Hopperdietzel gerne zugibt. Insiderinnen jedoch wissen: Die Gewaltbereitschaft in Partnerschaften kennt oft keine Grenzen. Weder in der realen, noch in der virtuellen Welt.
Zahlen und Fakten:
Wo Vergangenheit bewältigt und Zukunft geplant wird
Mal einen Tag Leerlauf? "Gibt es nicht", winkt Andrea Hopperdietzel ganz schnell ab. Die Aussage der langjährigen Leiterin des Schwabacher Anna-Wolf-Frauenhauses wird untermauert durch Fakten und Zahlen aus der Bilanz 2022. Dort suchten 63 Frauen mit insgesamt 76 Kindern Unterschlupf in der Einrichtung, die neben Schutz und Unterkunft für die Betroffenen auch Beratung und Hilfe bei der Existenzsicherung bietet.
Eine insgesamt sehr heterogene Wohngemeinschaft, die sich da übers Jahr immer wieder neu zusammenfand. Was die Frauen verbindet, ist die existenzielle Angst um ihr Leben. Und das ihrer Kinder. "Gewalt in der Partnerschaft kennt keine Bildungs-, keine sozialen und keine nationalen Grenzen", betont Andrea Hopperdietzel. "Den typischen Fall haben wir nie. Es gibt in diesem Bereich nichts, was es nicht gibt." Fakt ist lediglich, dass Gewalt zwischen Mann und Frau in erster Linie in einer Partnerschaft zum Thema wird. Das zeigen auch die Zahlen aus dem Frauenhaus.
2022 ging bei über der Hälfte der Hilfesuchenden, nämlich bei 33 Frauen, die Gewalt vom Ehemann aus, bei 20 Frauen (32 Prozent) vom Freund. Vier Frauen waren der Gewalt ihres Ex-Partners ausgesetzt und drei durch Angehörige. Von den übrigen drei Tätern ist nichts bekannt. Knapp die Hälfte aller Neu-Einzüge wurden durch professionelle Dienste, wie Beratungsstelle, Behörde oder Ärzte, ins Frauenhaus vermittelt. Ein Drittel fand von sich aus den Weg in die beschützende Einrichtung.
Die meisten Frauen - unter ihnen Akademikerinnen genauso wie Azubis - waren im Alter zwischen 20 und 40 Jahren (Altersgruppe 20 bis 30 Jahre: 19 Prozent; Altersgruppe 30 bis 40 Jahre: 46 Prozent). Sie sind es in erster Linie, die mit Kindern einziehen. Auch darauf ist das Frauenhaus mit einem eigenen Erzieherinnen-Team samt Spielräumen im Inneren und im Außenbereich pädagogisch und räumlich vorbereitet.
Die meisten Kinder (60 Prozent) waren noch nicht einmal im schulpflichtigen Alter, ein Drittel ist im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren und nur fünf Prozent der Kinder, die mit einzogen, waren 2022 älter als zwölf Jahre.
Eine besondere Herausforderung für das Frauenhaus-Team ist die Tatsache, dass Deutsch für viele der Frauen nicht die Muttersprache ist. Aus diesem Grund steht ein Dolmetscher-Pool unterstützend parat. Im vergangenen Jahr stammten die Bewohnerinnen aus insgesamt 27 verschiedenen Ländern von A wie Afghanistan bis U wie USA. Hopperdietzel liefert die Begründung: "Im Gegensatz zu Frauen mit Migrationshintergrund haben Frauen, die hier zu Hause sind, oft ein eigenes Netzwerk aus Bekannten und Freunden, auf das sie in einer Notlage zurückgreifen können."
Zum Thema:
Sicherer Zufluchtsort: Das Frauenhaus
Das Anna-Wolf-Frauenhaus Schwabach bietet Beratung und vorübergehenden (nicht als dauerhaften Wohnort) Schutz und Unterkunft für Frauen und ihre Kinder, wenn sie körperlich und/oder psychisch misshandelt werden. Es verfügt über zwölf Plätze für Frauen und 15 für Kinder.
Die Einrichtung mit dem Einzugsbereich Stadt Schwabach sowie den Landkreisen Roth, Nürnberger Land und Weißenburg-Gunzenhausen wird sowohl durch öffentliche Gelder als auch über Spenden über den Verein "Hilfe für Frauen in Not Roth-Schwabach" finanziert. Neben einem hauptamtlichen Team mit vor allem sozialpädagogischer Ausrichtung (sechs Planstellen, verteilt auf 14 Mitarbeiterinnen) stützt sich die 24-Stunden-Erreichbarkeit in erster Linie auf rund 20 ehrenamtliche Helferinnen.
Integriert in die Arbeit des Frauenhauses ist neben der Online-Beratung die Interventionsstelle, die nach einem Polizeieinsatz bei häuslicher Gewalt die betroffenen Frauen begleitet. Für den Übergang vom Frauenhaus in ein eigenständiges Leben mit eigener Wohnung hilft die Beratung "Second Stage" in Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt.
Internet: www.frauenhaus-schwabach.de
E-Mail: info@frauenhaus-schwabach.de
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