Im Interview
Frauenhaus Schwabach: Es gibt immer Hilfe
2.1.2021, 06:00 UhrFrau Hopperdietzel, Seniorenheime sind von Corona besonders bitter betroffen. Auch das Frauenhaus ist eine Gemeinschaftseinrichtung. Wie war das Corona-Jahr 2020?
Wir hatten noch keinen Corona-Fall im Haus. Zum Glück! Allerdings eine ganze Reihe von Quarantänen, weil Bewohnerinnen oder deren Kinder "Kontaktperson 1" waren. Aber niemand wurde infiziert. Wir sind bisher mit einem blauen Auge davongekommen.
Das ist ja eine gute Nachricht. Gleichzeitig gibt es die Befürchtung, dass durch den Lockdown die Fälle häuslicher Gewalt zunehmen. Wie ist Ihre Erfahrung?
Zumindest die Zahl der Beratungen hat einen Rekordwert erreicht. Unabhängig vom Frauenhaus gibt es seit 2015 die "Interventionsstelle", das ist eine Beratungsstelle für Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben und akut bedroht sind. Zum Jahresende habe ich die bayernweite Bilanz 2019 bekommen. Unter Bayerns 28 Interventionsstellen lagen wir in Schwabach mit 176 Beratungsfällen noch vor Nürnberg mit 169 auf Platz eins. Im Corona-Jahr 2020 hatten wir 194. Leider hat die Interventionsstelle nur 22 Wochenstunden für die Beratung aller Fälle, das ist eigentlich zu wenig.
Ist die Zunahme eine zufällige Schwankung oder tatsächlich ein Corona-Effekt?
Das ist eindeutig Corona geschuldet. Wenn man mit betroffenen Frauen spricht, sind Gewalt und die Angst vor ihren Männern das erste Thema. Aber im Gespräch zeigt sich auch, dass Isolation und finanzielle Sorgen die Situation nochmals zuspitzen.
Wieso sind ausgerechnet in Schwabach die Zahlen so hoch?
Es liegt nicht daran, dass es hier entscheidend mehr Fälle häuslicher Gewalt gäbe. Es gibt zwei wesentliche Gründe. Zum einen haben wir ein großes Zuständigkeitsgebiet. Neben Schwabach sind das auch die Bereiche der Polizeidienststellen in Roth, Hilpoltstein, Weißenburg, Lauf, Altdorf und Hersbruck. Zum anderen läuft die Zusammenarbeit mit der Polizei sehr gut, das ist für uns ein entscheidender Punkt.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Die Fälle sind sehr unterschiedlich. Meist ist es so, dass die Gewalt eskaliert und die Frau oder ihre Kinder oder die Nachbarn die Polizei um Hilfe rufen. Oft sind die Frauen dann wirklich in Todesangst. Die Polizei versucht die Lage zu beruhigen. Oft sind zum Schutz der Frau auch Platzverweise und Kontaktverbote für die gewälttätigen Männer nötig. Wenn die Frauen zustimmen, gibt die Polizei deren Telefonnummer an uns weiter, und wir rufen die Frauen dann an. Wir nennen das einen proaktiven Ansatz, wir gehen also von uns aus auf die Frauen zu.
Was sind die Ziele Ihrer Beratung?
Zunächst geht es darum, den Frauen zuzuhören und sie zu stabilisieren. Der nächste Schritt ist die Gefahreneinschätzung. Besteht Lebensgefahr? Viele Frauen berichten, dass der Mann droht, sie umzubringen oder mit den Kindern gegen einen Baum zu fahren, solche Dinge. Daraus folgt das, was wir abstrakt Sicherheitsplanung nennen. Dazu kann gehören, dass Frauen, auch mit Kindern, im Frauenhaus Zuflucht finden.
Was im Lockdown sicher nicht einfacher ist.
Genau. Wenn auch der Mann zuhause ist, wird es für die Frau oft schon schwierig, auch nur zu telefonieren. Vom Packen und die Wohnung zu verlassen, gar nicht zu reden. Umso wichtiger ist es zu wissen: Auch in Corona-Zeiten gibt es für die Frauen Hilfe und Lösungen.
Wie hat sich das Frauenhaus auf die Pandemie eingestellt?
Unsere Mitarbeiterinnen haben zwei Teams gebildet, damit im Falle einer Infektion nicht alle in Quarantäne müssen. Zudem werden alle Teammitglieder regelmäßig getestet. Auch Frauen, die zu uns kommen, müssen einen Test machen. Bisher waren alle zum Glück negativ.
Sie haben eingangs aber von Kontaktpersonen und Quarantäne berichtet: Hat das Frauenhaus überhaupt die Räume, um isolieren zu können?
Wir haben insgesamt zwölf Zimmer für zwölf Frauen und deren Kinder. In zwei Zimmern haben wir zusätzliche Küchen eingebaut, in ein Zimmer auch ein Bad mit eigenem Zugang. Das hilft schon einmal sehr. Um die Kontakte zu minimieren, bleiben die Frauen verstärkt in ihren Zimmern. Für die Kinder gibt es statt Gruppen- nun Einzelbetreuung. Normalerweise teilen sich zwei Frauen ein Bad, da muss man sich abstimmen. Ebenso wer wann mit seinem Kind in den Garten kann.
Wie haben Sie unter solchen Bedingungen denn Weihnachten gefeiert?
Zwei Haushalte konnten zusammen sein. Erstmals hatten wir Essen bestellt. Die Bescherung gab es diesmal aber nicht unterm Weihnachtsbaum im Wohnzimmer, sondern am Feuer im Garten: Bescherung nach Terminplan, um Kontakte zu vermeiden.
Klingt nicht sehr feierlich.
War es aber. Die Frauen haben gesagt: Es war super, richtig schön. Das war anrührend.
Also keine Corona-Depression?
Überhaupt nicht, auch dank unserer Mitarbeiterinnen, die einfach sehr positiv sind. Dennoch ist für die Frauen die fehlende Gemeinschaft schon zusätzlich belastend. Menschen, die ohnehin psychisch angeschlagen sind, leiden unter fehlender Nähe besonders.
Schauen wir auf 2021: Im neuen Jahr hoffen viele auf die Impfung. Wann ist das Frauenhaus an der Reihe?
Bisher wurden die Frauenhäuser noch gar nicht berücksichtigt. Ich hoffe aber, dass wir in der zweiten Stufe mit anderen Gemeinschaftsunterkünften an die Reihe kommen. Und im Sommer können wir wenigsten wieder in den Garten.
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