Faszination Landtechnik
Fränkisches Freilandmuseum: So knatterten die Landmaschinen vor 100 Jahren über die Äcker
20.7.2021, 09:14 Uhr"Papa, schau – Wahnsinn.“ Der kleine Paul steht staunend vor dem roten Schmotzer Kombi Rekord. Ein Kartoffelroder und ein Hackgerät, das früher von Ochsen und Pferden über die Felder gezogen wurde, liegen gleich daneben. Im Fränkischen Freilandmuseum gibt es viele Raritäten, viel zu entdecken – die Landmaschinen-Ausstellung in der Lagerhalle aus Mögeldorf hat dennoch nicht nur für Dreijährige einen besonderen Reiz, sondern auch für 33- oder 83-Jährige.
„Das sind fast alles Highlights, Technik fasziniert einfach“, erklärt Dr. Markus Rodenberg, stellvertretender Museumsleiter und selbst begeistert von der Ansammlung an für die Entwicklung der Landtechnik bedeutenden Exemplare: von Mähdrescher über Flügelmäher, von Jaucheschleuder über Bunkerkopfroder bis zum Schmotzer Kombi Rekord.
Werner Schneider dreht den Zündschlüssel. Es raucht. Es knattert. „Das Ding ist enorm vielseitig“, sagt der Museumsmitarbeiter und schwingt sich auf die Sitzbank. Gang rein und schon rollt der Traktor mit lauten Motorengeräuschen Richtung Flachsfeld, das gleich neben einem Hanfacker liegt.
Alternative zum Schlepper
„Der Kombi Rekord ist ein Geräteträger, eine Alternative zum Schlepper“, erzählt Markus Rodenberg, der mit etwas stolz anfügt, dass er das Gefährt auch selbst schon steuern durfte. Die Produktpalette umfasste 48 Geräte dafür. Rot sei er, da Schmotzer erst später das heute traditionelle Blau für sich entdeckt habe.
Die Geschichte der Landtechnik erlebbar machen, Besuchern mit Bildern und Erzählungen, aber auch live zeigen, wie die historischen Maschinen funktionieren – und auch noch auf den Museumsäckern zum Einsatz kommen. „Das ist schon etwas Besonderes, was wir hier bieten können“, sagt Wissenschaftler Rodenberg.
2018 wurde die Landmaschinen-Sammlung aufgebaut. „Davor war es hier kein wirklich toller Anblick, es war nur ein Abstellbereich“, sagt Rodenberg, der die Ausstellung als „pragmatisch angelegt“ bezeichnet.
Jedes Objekt stehe für sich. Erklärtafeln erledigen den Rest. „Wer sich damit beschäftigt, kann schnell nachvollziehen, wie jede Maschine funktioniert hat“, das mache einen großen Reiz aus. Im Fokus steht vor allem die Zeit von den 1920er- bis zu den 1970er-Jahren. „Also selbst die jüngeren Exemplare sind schon 50 Jahre alt.“
Rodenberg: „Nichts bekomme ich so oft angeboten wie Landmaschinen.“ 30 Maschinen pro Woche seien es. „Es ist mir absolut bewusst, dass da persönliche Geschichten dahinterstecken und alle Geschichten sind es wert, in einem Museum erzählt zu werden.“ Nein zu sagen sei aber Tagesgeschäft.
Persönlicher Bezug
Bei einer Themenwoche zu Landmaschinen habe er sieben Tage lang mehrere Stunden Fragen beantwortet. „An der Scheune war immer was los“, erinnert sich Rodenberg. „Und extrem viele Leute haben zu Geräten noch einen persönlichen Bezug.“
Die Themenschwerpunkte: Getreideernte, Ackerbau, Rübenernte, Kartoffelernte, Saat, Düngung. „Mein persönliches Lieblingsgerät ist der Mähbinder“, sagt Rodenberg und zeigt auf ein Gerät mit Fördertüchern und einer sich drehenden, spitzen Schnecke. „In Deutschland ist sowas in den 30er-Jahren aus den USA angekommen, wurde aber schnell vom Mähdrescher überholt.“
Von Maschine zu Maschine, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt seien immer mehr „Arbeitsschritte, die vorher mit der Hand verrichtet wurden, von der Maschine mitübernommen worden“. Die Technik kann unkompliziert begutachtet werden, „da verschwindet nichts in einem großen Kasten“. Dennoch gibt er zu, dass es „erstmal verwirrend aussieht“. Eine Haspel greife die Halme, das Mähwerk funktioniere „wie ein Haarschneidegerät“, Drehungen, „ab aufs Fördertuch und übern Berg“ auf den „Knüpftisch“ und „gerüttelt wie beim Mikado“, ehe es wieder aufs Feld geworfen wird. „Mit ein bisschen Glück kann man den im Sommer auch auf dem Feld im Einsatz bestaunen“, verrät Markus Rodenberg, der seine eigene Faszination nicht verheimlichen kann.
Ein "echter Franke"
Vom Mähbinder geht es zum Flügelmäher, der „beim Praxistest in der heutigen Zeit gar nicht mal so gut funktioniert hat“, wie Markus Rodenberg lachend berichtet. „Die Technik ist aber raffiniert.“ Sehr viele Schritte vereint wurden im Mähdrescher, in der Ausstellung steht ein „echter Franke“, wie Rodenberg sagt. Ein Fella Jupiter aus Feucht.
Einen Korntank hat der selbstfahrende Mähdrescher nicht, „es können aber Getreidesäcke an der Seite angehängt werden“, erklärt Rodenberg. Der große, rot-lackierte Mähdrescher sei „um die 15 Jahre nur gestanden“, doch als man es mal wieder versuchte, sei er „fast sofort wieder angesprungen“. Das gelte aber für alle Ausstellungsstücke. „Die könnte man alle schnell wieder gangbar machen.“
Ein Schmuckstück mit absolutem Seltenheitswert sei der Bunkerkopfroder Euromat aus dem Jahr 1973 von Schmotzer, eine einreihige Rübenernte-Maschine. Nur eine sehr geringe Stückzahl sei überhaupt produziert worden. Die Arbeitsweise? „Geköpft, ausgehebelt, rein in den Bunker.“
Kartoffelroder mit Rutschen
Daneben: Ein Kartoffelroder mit Rutsche, der auf Kufen über den Acker gleitet. Ein Sortierplatz inklusive, von Erwin Fink selbst entwickelter und gebauter Prototyp. „Eine unglaubliche Geschichte“, erzählt Rodenberg, zu der es ein Doku-Video gebe, das im Museumsarchiv liege.
Als „echte Rarität“ bezeichnet Rodenberg eine Jaucheschleuder, „mit der Gülle bis zu acht Meter weit auf dem Feld verteilt worden ist“. Das offene Getriebe zeige, dass das Exemplar wohl an die 100 Jahre alt sei. Damals seien, wie viele Jahre später auch noch – und wie noch heute regelmäßig im Freilandmuseum –, die Maschinen von Ochsen und Pferden gezogen worden.
Der erste Mähdrescher wurde laut Rodenberg von 30 Pferden gezogen. Auch der Einsatz der Tiere sorgt freilich für Begeisterung, doch wie die vielen Tausend Besucher bei den Schleppertreffen, das heuer laut Rodenberg „leider“ noch einmal ausfallen müsse, zeigen: Bei vielen Männern aller Altersklassen geht wenig über knatternde Schlepper und historische Landmaschinen.
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