
Die größten Zuwächse von allen Parteien
Die Freien Wähler auf der rechten Spur überholt: AfD rückt auf Rang zwei hinter der CSU vor
Bei der Landtagswahl in Bayern ist die AfD nach jüngsten Hochrechnungen von ARD und ZDF auf den zweiten Platz vorgerückt. Die CSU von Ministerpräsident Markus Söder liegt mit einem Ergebnis von 36,4 Prozent ganz klar vorne. Es folgt die AfD mit rund 16 Prozent.

AfD-Spitzenkandidat Martin Böhm sieht seine Partei als möglichen Oppositionsführer im Landtag. Einzig die AfD habe in den Prognosen signifikant zulegen können, sagte Böhm im ZDF. Die AfD könnte zweitstärkste Kraft und Oppositionsführer im Landtag werden. "Das ist eine hohe Verantwortung, und die nehmen wir gerne an." Nun wolle die AfD den Blick auf die Bundestagswahl richten.
Der Landesvorsitzende der AfD in Bayern, Stephan Protschka, hat sich begeistert über das Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl gezeigt. "Eine Verbesserung um über 50 Prozent ist sagenhaft und ein klares Votum für einen grundlegenden Politikwandel in unserem geliebten Freistaat", sagte Protschka am Sonntag.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sieht im Wahlergebnis der AfD in Bayern ein Problem für das künftige Landesparlament. "Das Ergebnis der rechtsextremen AfD wird für die Arbeit im neuen Landtag eine schwere Belastung darstellen", sagte Knobloch am Sonntag in München. "Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft werden so weiter verunsichert."
Die neue Staatsregierung müsse den Kampf gegen Rechtsextremismus deshalb mit allen Mitteln fortsetzen - "und ich weiß, dass sie das auch tun wird".
Knapp hinter der AfD rangieren laut der jüngsten Hochrechnung um kurz nach 22 Uhr die Freien Wähler mit 15,3 Prozent, dahinter liegen die Grünen mit 14,6 Prozent. Die SPD kommt auf 8,0 Prozent, die FDP fliegt mit 2,9 Prozent aus dem Landtag. CSU und Freie Wähler könnten ihr Regierungsbündnis damit wie angestrebt fortsetzen.

Die CSU von Ministerpräsident Markus Söder ist bei der Landtagswahl in Bayern damit klar stärkste Kraft geworden - allerdings mit einem historisch schwachen Ergebnis. Die Freien Wähler mit Spitzenkandidat Hubert Aiwanger gewinnen dagegen laut den Hochrechnungen von ARD und ZDF deutlich hinzu. Beide Parteien können ihr Regierungsbündnis wie angestrebt fortsetzen.
Allerdings rutscht die CSU, die im Freistaat seit 65 Jahren den Regierungschef stellt, noch unter ihr desaströses Ergebnis von 2018 (37,2 Prozent). Schon damals war sie um mehr als zehn Punkte abgestürzt. Die Wahlbeteiligung wird mit 72,5 bis 76,0 Prozent angegeben; 2018 waren es 72,4 Prozent.
CSU-Chef Markus Söder sieht sich nach der bayerischen Landtagswahl persönlich bestätigt. "Es ging uns nie um einen Schönheitspreis, aber um einen klaren Regierungsauftrag", kommentierte Söder am Sonntag in der ARD die erste Prognose. "Und ich darf das sagen: Wie ich gesehen habe, dass über 60 Prozent der Meinung sind in Bayern, dass auch dieser Ministerpräsident gute Arbeit macht, sind auch ein klarer Auftrag an die CSU und mich persönlich, eine starke und stabile Regierung für und in Bayern zu bilden."
Angesichts der Zuwächse für die AfD hat Söder für einen breiten gesellschaftlichen Konsens zur Lösung der Flüchtlingsproblematik geworben. "Wir müssen ähnlich wie in den 90er Jahren einen großen deutschen Kompromiss finden, um das Thema Migration und Flüchtlingsfrage sinnvoll zu lösen. Ansonsten werden rechtsextreme, nationalistische Kräfte weiter erfolgreich sein."
Ein Großteil der AfD-Wähler seien ja Protestwähler, sagte Söder. Dieser Protest habe sich gegen die Ampelkoalition in Berlin gerichtet. Beim Thema Migration gehe es "rein um Bundespolitik und nicht um Landespolitik".
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich sehr zufrieden mit dem Abschneiden von CDU und CSU bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern gezeigt. "Markus Söder hat einen tollen Wahlkampf gemacht", sagte Linnemann am Sonntagabend in der ARD über den CSU-Chef. Dieser habe in Bayern nun den Regierungsauftrag.
Auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger war nach der ersten Prognose zur bayerischen Landtagswahl hörbar zufrieden und hofft nun auf ein weiteres Ministerium für seine Partei. "Natürlich hätten wir das gern, jetzt schauen wir mal, ob die Zahlen das hergeben", sagte er am Sonntagabend im ZDF. Bislang hatte Aiwangers Partei in der Regierungskoalition mit der CSU drei Ministerien.
Auf die Frage, ob Aiwanger, der bislang bayerischer Wirtschaftsminister ist, sich nach einem möglichen Erfolg der Freien Wähler bei der nächsten Bundestagswahl auch einen Wechsel nach Berlin vorstellen könne, sagte er, das Thema stehe erst in einigen Wochen oder Monaten zur Diskussion.
Der Freie-Wähler-Chef will auch in einer neuen Regierung Wirtschaftsminister bleiben. "Ich habe hier, glaube ich, gute Arbeit geleistet und ich würde es auch gern weitermachen", sagte Aiwanger am Sonntagabend im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks. Unmittelbar zuvor hatte Söder in der TV-Runde gesagt, jetzt sei noch nicht die Zeit, über die konkrete Besetzung von Posten zu sprechen. CSU und Freie Wähler wollen ihre bisherige Koalition fortsetzen.

Aiwanger wies außerdem ein weiteres Mal die Populismus-Vorwürfe seiner Kritiker zurück. Der bayerische Wirtschaftsminister sagte am Sonntagabend, seine Partei habe einem noch größeren Erfolg der AfD in Bayern einen Riegel vorgeschoben: "Wir haben hier zu einem gewissen Teil auch verhindert, dass noch mehr Wähler nach rechts gegangen sind", sagte Aiwanger in der ARD. "Sondern in den Freien Wählern durchaus eine vernünftige Kraft gesehen haben, die man wählen kann." Hätten sich die Freien Wähler weggeduckt, dann wären wir nicht bei 14 Prozent gelandet, sondern irgendwo einstellig geblieben», sagte der stellvertretende Ministerpräsident.
Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze freute sich über das zweitbeste Ergebnis der Grünen in Bayern. Das zeige, man sei stabil in Bayern verankert. Schulze sprach von einem "großen Erfolg" und Co-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann von einem "grünen Fundament in Bayern, das uns niemand mehr nehmen kann."
Die bayerische Grünen-Bundespolitikerin Claudia Roth hat an die CSU appelliert, nach der Landtagswahl in Bayern mit den Grünen Gespräche über eine Regierungsbildung aufzunehmen. Demokraten sollten miteinander gemeinsam überlegen, "was die beste Regierung für Bayern wäre", sagte die Kulturstaatsministerin im Bund am Sonntagabend in München. Demokraten sollten miteinander reden und sondieren, was das Beste wäre für das Land, sagte sie im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks.

Auf der Wahlparty der bayerischen Sozialdemokraten war dagegen keine Jubelstimmung zu spüren: Beim Verlesen der ersten Prognosen zur Landtagswahl im Freistaat gab es betretenes Schweigen. Vereinzelt wurde trotz der sichtbaren Enttäuschung vorsichtig geklatscht. SPD-Leute gratulierten artig den Kollegen von den Freien Wählern - diese feierten nebenan und teilten sich mit den Sozialdemokraten das Buffet.
"Wir haben uns den Abend sicher anders vorgestellt», sagte ein sichtlich angeschlagener Florian von Brunn. Das Ergebnis sei für ihn eine Enttäuschung, sagt der Spitzenkandidat der SPD. Es scheine der Partei nicht gelungen zu sein, ihre Themen zu den dominanten im Wahlkampf zu machen. "Andere Themen, die schwierige Lage insgesamt, in Deutschland, in Europa, haben diesen Wahlkampf komplett überlagert", betonte er.
So gibt es nach den ersten Hochrechnungen dieses Jahr nicht nur wieder ein einstelliges Ergebnis, sondern auch eine weitere historische Pleite - dieses Mal sogar deutlich unter den 9,7 Prozent aus der Landtagswahl im Jahr 2018 - der bisherige Tiefpunkt.
Dennoch bemüht sich von Brunn redlich, auch ersten Optimismus zu versprühen: «Wir haben gezeigt, dass die SPD in Bayern noch kämpfen kann.» Das Ergebnis müsse nun mit Demut angenommen werden. Die Partei werde versuchen, wieder eine «gute Ausgangsbasis» für die nächsten Jahre und die nächste Wahl zu schaffen. Das vor der Landtagswahl ausgegebene Ziel von 15 Prozent der Stimmanteile wirkt derzeit jedoch wie ein Wunsch nach einer besseren Zeit.
Bedenklich sei für den Spitzenkandidaten, der wegen einer Erkrankung den Wahlkampfendspurt verpasste, dass «sowohl der Populismus als natürlich auch der Rechtsextremismus in Bayern und auch in Hessen Erfolge erzielt haben.» Alle Parteien der demokratischen Mitte müssten sich nun überlegen, was dagegen getan werden könne.
Darüber hinaus wird von einigen bei der Wahlparty Anwesenden das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl auch an der SPD-geführten Bundesregierung festgemacht. So sollen bei den Wählern oftmals die bundespolitischen Themen im Vordergrund gestanden haben.D
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat das Ergebnis der Landtagswahlen in Hessen und Bayern als bitter für seine Partei und für die Ampel-Koalition gewertet. "Wir sind heute Abend ausdrücklich nicht die Wahlsieger", sagte Kühnert am Sonntag im ZDF. Die drei Parteien der Ampel-Koalition hätten in beiden Bundesländern verloren.
"Wir sollten die Signale alle miteinander in der Ampel-Koalition erkennen: In diesem Wahlergebnis liegt auch eine Botschaft für uns", sagte Kühnert. In der ARD sagte er, man müsse erkennen, dass "die allgemeine Stimmungslage den Menschen aufs Gemüt drückt und dass mehr Orientierung erforderlich ist".
Auch aus Sicht von FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen ist der Wahlsonntag ein trauriger Tag. "Die FDP hat ihr Wahlziel, den ersten Wiedereinzug seit 1978 in den Bayerischen Landtag zu schaffen, verfehlt», sagte Hagen kurz nach 18 Uhr auf der Wahlparty seiner Partei in München. "Es ist uns in aufgeheizten und polarisierten Zeiten nicht gelungen, mit unserer Botschaft bei den Wählern durchzudringen."
Er übernehme als Spitzenkandidat "natürlich" die Verantwortung für das Wahlergebnis, sagte Hagen. "Wir werden die Ursachen dieser Niederlage in den Parteigremien umfassend analysieren."
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