4,5 Stunden per Flug ab Nürnberg
Üppiges Grün statt tristes Grau: Warum Madeira gerade im Winter eine Reise wert ist
Ein paar Passagiere klatschen, sobald der Pilot in Funchal aufgesetzt und beherzt bremst. Vor Jahrzehnten haben sich hier einige spektakuläre Unfälle ereignet, 1977 etwa rutschte ein Flugzeug in die Klippen. Obwohl die Landebahn des Cristiano Ronaldo-Airport bereits im Jahr 2000 von 1600 auf knapp 2800 Meter verlängert wurde, hat sie ihren Legendenstatus noch nicht ganz eingebüßt. Auch, weil teils tückische Seitenwinde Landungen auf Madeira regelmäßig zum Spektakel für Planespotter machen. Unsere Landung allerdings ist ebenso sanft wie die Brise, die uns empfängt, als wir wenig später über die Treppe aufs nächtliche Rollfeld treten.
4,5 Stunden Flugzeit trennen Nürnberg von Madeiras Hauptstadt Funchal. 4,5 Stunden, die den Unterschied machen zwischen einem Grad Celsius mit Nieselregen und 14 Grad mit lauem Lüftchen. Um neun Uhr abends. Die nächsten Tage strahlt, von kleinen Wolkenfeldern abgesehen, die Sonne vom blauen Winterhimmel, bei 20 Grad wandert die Jacke in und die Sonnenbrille aus dem Rucksack.
Die "Blumeninsel" und ihre Reize jenseits der Blüte
Madeira ist vielen vor allem als "Blumeninsel" bekannt. Das fast 1000 Kilometer von Portugal entfernte Atlantik-Eiland, auf dem Kaiserin Elisabeth von Österreich alias Sisi einst der Kälte des Wiener Hofstaats zu entfliehen versuchte, hat aber auch jenseits der Hauptblütezeit Mai und Juni ihre Reize.
Am nächsten Tag schnüren wir die Wanderschuhe, auf dem Programm steht eine Wanderung entlang der "Levada do Rei". Levada kommt vom portugiesischen "führen", "bringen" und bezeichnet künstlich angelegte Wasserkanäle. Die ersten wurden bereits 40 Jahre nach der Besiedlung Madeiras um das Jahr 1425 erbaut. Heute versorgen rund 2000 Kilometer der maximal einen Meter breiten Rinnen den trockeneren Süden mit Wasser aus dem niederschlagsreichen Norden.
Nicht nur die Landwirtschaft, auch der Tourismus profitiert von den Levadas. Etwa zwei Dutzend Levada-Wanderungen sind ausgezeichnet, die meisten führen gemächlich durch die jahrhundertealten Lorbeerwälder - sie gehören seit 1999 zum Unesco-Weltkulturerbe - in schmalen Pfaden die Berge hinauf. Die Landschaft ist auch im Winter sattgrün, die Aussicht teils spektakulär. Hunderte Meter tiefe Schluchten, weite Blicke hinunter zum Meer, kleine und größere Wasserfälle, die am Weg herunterstürzen.
100.000 Pflanzenarten und Kunst aus aller Welt
Ebenfalls viel zu sehen gibt es im "Jardim Tropical Monte Palace", den wir tags darauf besuchen. Von Funchal aus via Seilbahn erreichbar versammelt der Tropische Garten 600 Meter über dem Meeresspiegel inmitten mächtiger Farnbäume rund 100.000 Pflanzenarten sowie Kunst aus aller Welt. Orchideen aus Himalaya, Speckstein-Statuen aus Tengenenge, Azaleen aus Asien, Porzellanmalerei aus China, bunt bemalte Terrakotta-Soldaten sowie eine der weltweit größten Sammlungen von Halb-Edelsteinen, die in königsblauer Höhlenlandschaft präsentiert wird: Aufgrund der Vielfalt verbringen zahlreiche Besucher gleich einen ganzen Tag auf dem 70.000 Quadratmeter großen Areal.
Gemächlicher geht es am nächsten Tag zu. Nach Besichtigung der Rua de Santa Maria - nach der Schlammflut von 2010 wurden in dieser ältesten Straße der Stadt die Haustüren von Künstlern aus aller Welt bemalt -, einem Besuch im bunten Treiben der Markthalle und einer Führung bei einem der wichtigsten Hersteller und Exporteure handgefertigter Madeira-Stickerei, der "Bordal", treffen wir bei Blandys ein.
Wieder hinunter nach Funchal geht es mit einem weltweit einmaligen Transportmittel. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die auf Kufen gleitenden Korbschlitten die ersten öffentlichen Verkehrsmittel auf Madeira, heute sind sie ein Muss für viele Touristen. Angeschoben von zwei weiß gekleideten Männern mit Strohhut rast man die zwei Kilometer schmale Asphaltstraßen hinab. Die sogenannten Carellios haben dicke Gummisohlen an den Stiefeln, während der Fahrt bleibt ein Fuß auf der Kufe, mit dem anderen wird gelenkt oder beschleunigt.
Madeira-Wein: "Viel zu gut für Sauce!"
Die älteste Weinkellerei der Insel befindet sich in einem imposanten Gebäude inmitten der Stadt. Erst Kloster, dann Krankenhaus und Gefängnis reift in dem Gemäuer seit 1840 in 650 Fässern und Bottichen unter anderem der berühmte Madeira-Wein. Rita, die uns durch Lager und Familienmuseum führt, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als sie hört, dass manch einer den bernsteinfarbenen Likörwein zum Verfeinern von Saucen verwendet. "So eine Verschwendung!", ruft sie. Und setzt uns je drei Gläser vor, in denen der zur Gärung mit Brandwein versetzte Wein den Beweis antritt. "Viel zu gut für Sauce, richtig?", sagt Rita und lächelt.
Die von uns georderten Flaschen erwarten uns am nächsten Tag im Duty-Free-Bereich des Airports. So können sie samt Reisendem bequem - und abermals sehr sanft - gen Deutschland abheben.
Mehr Informationen
Anreise: Direktflug 4,5 Stunden von Nürnberg nach Funchal, je nach Saison mit Eurowings, Lufthansa, Condor, Marabu
Unterkunftsvorschlag: Das Designhotel "The Vine", zentral gelegen und schick, oft mit großer freistehender Wanne im Zimmer
Ausführliches zu Ausflügen: visitmadeira.com/de/
Weintasting: Quinta do Barbusano, Führung durch die Weinberge, über dem Feuer gebratenes, auf Lorbeerzweige gespießtes Rindfleisch, Wein aus eigenem Anbau
Beste Reisezeit: Für Blütenliebhaber: Mai bis Juni
Für Wanderfreunde: immer
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