Affen belagern nahe Taif ein Auto mit Touristen.
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Affen belagern nahe Taif ein Auto mit Touristen.

Wo kaum Touristen sind

Durch Saudi-Arabien mit dem Auto reisen: geht das einfach so? Wir haben es gewagt

Die Straße schlängelt sich durch die Hügel. Kaum haben wir eine Anhöhe überquert, tut sich vor uns das nächste Tal auf. „Wow“, sagen wir immer wieder. Ein toller Ausblick reiht sich an den nächsten. Wir wollten einfach nur ein paar Kilometer zurücklegen, aber wir kommen kaum aus dem Staunen heraus. Goldbraunes Gras bedeckt die Landschaft, dazwischen grüne Büsche. Die Straße hier im Hedschas-Gebirge im Südwesten Saudi-Arabiens ist hervorragend ausgebaut, wir begegnen kaum anderen Autos. Selten hat Fahren so viel Spaß gemacht.

Gelandet sind wir kurz zuvor in Dschidda am Roten Meer, inzwischen gibt es auch ab Deutschland günstige Flüge dorthin. Dschidda ist für Kultur- und Naturliebhaber eher langweilig, gleicht einem großen Industriegebiet, der öffentliche Raum ist auf eine Promenade und Shoppingmalls beschränkt - dafür gibt es vielspurige Straßen und die Al-Balad, eine schick nachgebaute Altstadt - die Wahhabiten, eine puritanische Bewegung des Islams, die bis vor wenigen Jahren in Saudi-Arabien viel Macht hatte, haben große Teile des Kulturerbes und somit der alten Stadt plattgemacht.

Traditionell gekleideter Mann in einem Tuchladen in der Altstadt von Dschidda.

Traditionell gekleideter Mann in einem Tuchladen in der Altstadt von Dschidda. © imago/imagebroker

Die Wahhabiten sind auch der Grund, warum Saudi-Arabien bis 2019 keine Touristen ins Land ließ. Das hat der neue Machthaber, Kronprinz Mohammed bin Salman, geändert. Unter ihm wurde die Religionspolizei abgeschafft, heute sieht man viele Frauen mit offenen Haaren auf den Straßen. Das Land ist aber keineswegs demokratischer geworden, der Prinz regiert mit harter Hand und lässt Gegner foltern und umbringen. Trotzdem wollten wir es besuchen - als Touristen auf eigene Faust.

Wir fahren die Küste am Roten Meer entlang Richtung Süden. Sandstrände ziehen sich an der Straße entlang, das Wasser ist klar und hellblau. Schwimmen ist laut Schildern verboten. Als wir später doch eine Stelle finden, in der wir baden und schnorcheln gehen können, sind wir enttäuscht: Von der versprochenen bunten Vielfalt unter Wasser ist nicht viel übrig. Die Korallen, die wir sehen, sind tot und grau. Stattdessen fallen uns immer wieder schwarze Schlieren im Sand auf - Öl?

In den Bergen fällt die Temperatur auf 17 Grad

In der Ferne türmt sich das Hedschas-Gebirge auf. Dazwischen Wüste. Wir fahren langsam in Serpentinen die Hügel hinauf. Auf den schroffen, rot getönten Bergen wachsen Büsche, mit jedem Kilometer scheint die Temperatur zu fallen. Gerade haben wir noch in der Sonne am Strand gebrutzelt, auf dem Plateau in der Stadt Ta‘if müssen wir uns einen Pulli anziehen - von 35 auf 17 Grad in kaum zwei Stunden. Hier stehen Bäume, die wie Pappeln aussehen, die Landschaft ist grün und wolkenverhangen.

Die Straße nach Ta‘if.

Die Straße nach Ta‘if. © IMAGO/Westend61

Wir wollen indisch essen - das geht in Saudi-Arabien ganz ausgezeichnet - wegen der vielen Gastarbeiter dort. Die Stadt gilt als Winterquartier des Landes, die Monarchen flüchten dorthin, wenn in der Wüstenmetropole Riad im Juli das Thermometer nicht unter 40 Grad fällt.

In der Bergstadt Abha soll es noch grüner sein als bei Ta‘if, dort werden Bananen angebaut. In einem Laden nahe der Autobahn spricht uns ein alter Saudi an: Wollen wir nicht bei ihm übernachten? Um unsere Sicherheit sorgen wir uns nicht - das Land gilt als eines der sichersten der Welt - auch wegen drakonischen Strafen, konservativer Gesellschaft und Ölreichtum. Geld will der Mann nicht, Gastfreundschaft sei hier eben Tradition.

An einem Tag zu Freunden geworden

Von der Straße aus haben wir immer wieder alte Türmchen und Steinhäuser gesehen - durch Hasin, wie sich der Mann sich vorstellt, bekommen diese eine Geschichte: Er deutet auf einen Turm: Dort habe sein Großvater gewohnt. Dann zeigt er auf eine verfallene Hütte: Dort wurde er geboren. Er fährt uns in seinem Pick-Up zu einem gewaltigen Damm mit fast zehn Metern Durchmesser, vor mehr als tausend Jahren gebaut. Abends brechen wir zusammen das Fasten- es ist Ramadan - und zeigen seinen Freunden, wie man Mau-Mau spielt. Als wir gehen, nennen wir uns Freunde.

So passiert es uns immer wieder in Saudi-Arabien, wir werden noch öfter zum Essen oder zum Tee eingeladen. Es gibt noch so wenige Touristen, dass die alten Regeln der Gastfreundschaft noch greifen, die vor Massentourismus und Billigflügen Fremden das Reisen überhaupt erst möglich machten.

Doch die meisten Saudis, denen wir begegnen, sprechen kein Englisch - auch die, die bei unserer Autovermietung oder in den Hotels arbeiten. Die Kommunikation muss also über Google Translator stattfinden. Ebenso oft sind die Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen in ostarabischen Zahlen verfasst, die wir nicht lesen können. Und überall stehen Blitzer. Mobiles Internet gibt es übrigens fast nirgendwo außerhalb der Städte, man sollte also auf Maps die gesamte Region zuvor herunterladen.

Wir besuchen noch die Küstenstadt Al-Lith über die Straße von Tirah. Diese sollte man unbedingt gefahren haben, wenn man gerne aus dem Fenster schaut oder hinter dem Steuer sitzt - auf völlig verlassenen Straßen fährt man durch Landschaften, die man so als Europäer noch nie gesehen hat. Kantige Felsen recken sich in den Himmel, die Täler sind von einem Steinmeer übersät, dazwischen schimmert immer wieder rote Erde.

An der Al Wasqa Corniche südlich von Al-Lith liegen wir einen Tag am Strand - auch das kann man in Saudi-Arabien ausgezeichnet, wenn auch nicht überall. Es gibt dort Sonnenschirme und öffentliche Toiletten, eigenes Klopapier und Seife sollte man aber mitführen.

Von dort aus geht es wieder Richtung Dschidda. Dort hört der Fahrspaß auf: Wer hier in der Rushhourfahren will, braucht Mut und schnelle Reaktionen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass andere jederzeit bereit sind, scharf zu bremsen oder auszuweichen.

Kann man Saudi-Arabien bedenkenlos bereisen? Wollen Sie einfach nur ein arabisches Land sehen, bieten sich Jordanien und der Oman eher an - beide Länder verfügen über eine lange und lebendige kulturelle Tradition, schöne Natur und sind an Touristen gewöhnt. Doch wen es reizt, als einer der ersten Fremden einen Ort zu erkunden und sich trotzdem stets sicher fühlen und auf eine meist ausgezeichnete Infrastruktur nicht verzichten will - der kann sich nach Saudi-Arabien wagen.

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien © gute reise Infografik

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