Im Bambuswald bei Kyoto herrscht eine ganz besondere Stimmung .
© Matthias Niese
Im Bambuswald bei Kyoto herrscht eine ganz besondere Stimmung .

Schüchtern und voll cool

Schrille, stille Schönheit: Im Japan-Express zu den wichtigsten Orten des schrägen Landes

Verzeihen Sie, dass wir diese Reisegeschichte mit einem Toilettengang beginnen. Aber sitzen Sie, frisch nach Japan eingereist, das erste Mal auf einer Klobrille, denken Sie: „Es stimmt also – die Japaner sind leicht verrückt. Die beheizen Ihre Klobrillen!“ Im Flughafen, im Bahnhofsklo, an der Straßenkreuzung, im Restaurant, im Hotel - es ist sehr angenehm, wenn man wie wir im eisigen japanischen Winter etwas durchfroren das Örtchen aufsucht. Für die anschließende Feinreinigung sorgt ein warmer Wasserstrahl, in Richtung und Stärke fein zu dosieren.

Braucht man nicht? Braucht man doch! Die Japaner sind Meister im Erfinden vermeintlich unnützer Dinge, die das Leben dennoch ein wenig schöner machen. Im Laufe der Reise wird bei Ihnen der Wunsch stärker, sich auch daheim eine japanische Hightech-Toilette zu installieren – für rund 350 Euro bekommen Sie die auch in Deutschland. Sie wird Sie immer an dieses so extreme Land erinnern.

Nirgends liegt ein Fitzelchen Papier herum

Verlassen wir die Sanitärräume und laufen noch vor dem Ausgang der blitzsauberen U-Bahn-Toilette an einem frischen Blumenbukett vorbei. Nirgends liegt in Japan ein Fitzelchen Papier herum, obwohl es nur an ganz wenigen Orten Mülleimer gibt. Die in schlichtem Schick bis hyperstylisch angezogenen Japaner nehmen Ihren Müll mit nach Hause oder ins Büro und werfen ihn erst dort weg. Als einem Japaner in der U-Bahn, in der niemand spricht, aus Versehen ein Papiertaschentuch auf den Boden fällt, hebt er es auf und entschuldigt sich bei den Fahrgästen.

Egal, wo man sich in Japan im öffentlichen Raum bewegt - überall wird man von Monitoren oder Werbeplakaten nett angelächelt.

Egal, wo man sich in Japan im öffentlichen Raum bewegt - überall wird man von Monitoren oder Werbeplakaten nett angelächelt. © Matthias Niese

Fährt die Bahn in der Station ein, steht uniformiertes Personal bereit, das die stillen Menschenströme lotst – dafür hören wir ständig Durchsagen auf Japanisch und dann auf Englisch, überall sind Hinweis- und Werbeschilder, auf denen selbst Teekannen süße Gesichter haben, auf Monitoren laufen Werbespots.

Fahren die uniformierten Bus- oder Straßenbahnfahrer los, sagen sie durchs Mikrofon am Kragen einen Sicherheitshinweis an sich selbst auf und deuten zur Vergewisserung auf Knöpfe und Ampeln, nebenan werden Autos von Personal mit Leuchtstäben aus Parkplätzen gelotst. Alles ist in diesem von Erdbeben und anderen Katastrophen verunsicherten Land einem starken Sicherheitsempfinden unterworfen.

Das andere Japan: Eine expressive Explosion des Lebens

Da ist das andere Japan, diese expressive Explosion des Lebens in den meist riesigen Städten, wo viele der sonst so traditions- und standesbewussten, ja schüchternen Menschen völlig aus sich herausgehen und sich grell geschminkt und nach Mangacomics verkleidet in schrille Amüsierviertel stürzen.

Das gipfelt etwa in Tokio in knallbunten Hunde-, Minischwein- und Fischottercafés, wo Sie für 1900 Yen 25 Minuten lang Tiere streicheln, anschließend quietschsüße Crèpes mit Regenbogenkäse essen und sich noch eine Stoffpuppe mit riesigen Augen aus einem Kugelautomaten herauslassen. Unzählige Trends wie Manga, Tamagochi, Nintendo-Games und schräge Mode wurden in dieser so gegensätzlichen, perfekt organisierten Welt kreiert - und haben von hier die Welt erobert.

Gegensätze, die wir ständig auf unserer einwöchigen Rundreise zu den Klassikern Zentraljapans erlebt haben. Sie hat uns eingeführt in Städte, Dörfer und die historisch wichtigsten Orte. Wir haben uns für den Reiseanbieter G Adventures aus Kanada entschieden, der auch in Deutschland nachhaltige Erlebnisreisen in kleinen Gruppen nah an den Einwohnern organisiert. So sind wir in Japan ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gereist, die hier nahezu auf die Sekunde genau abfahren und ankommen – und konnten dennoch einfach einem Guide hinterherlaufen, ohne für die Orientierung Zeit zu vergeuden.

Japan ist übrigens für uns vergleichsweise günstig - es hatte in den vergangenen Jahren nur eine moderate Inflation. Eine üppige Ramen-Suppe bekommen Sie in der Suppenküche schon für 7 Euro, das Bier für 3 Euro – und Bus, U-Bahn und Zugtickets sind richtig günstig.

Wir sind auf der Hauptinsel Honshu geblieben, die in der Mitte von den japanischen Alpen mit dem Fuji im Süden in zweigeteilt wird. Das klassische, historische Japan erstreckt sich westlich davon in einer Ebene mit Osaka, der drittgrößten Stadt des Landes – ein quirliges Wirtschafts- und Industriezentrum mit bunten Ausgehvierteln wie Namba und einer der größten Burganlagen – in einem Tag haben Sie das Wichtigste gesehen. Dann geht‘s ins Kloster.

Der Zen-Garten wird plötzlich vom Schnee überzuckert

Mit dem Panoramazug, Bus und Seilbahn fahren wir auf den Berg Kōya-san, das Zentrum des Buddhismus in Japan. Der Gründer der urjapanischen Shinto-Religion baute dort den wichtigsten Schrein – viele Schreine und Tempel folgten, Klöster wurden in dem engen Tal gebaut, die heute Touristen in japanischen Häusern aus Holz und Papierwänden beherbergen. Entsprechend kalt ist es in den langen Fluren - unsere Zimmer und der Speiseraum sind zum Glück beheizt. Hier servieren uns die Mönche ein japanisches veganes Menü.

Dann beginnt es heftig zu schneien – der Zen-Garten vor unseren Zimmern verwandelt sich ein eine zauberhaft verzuckerte Landschaft und der nächtliche Spaziergang über den von Laternen beleuchteten Friedhof mit tausenden Gräbern gibt tolle Fotos her. Nach einer Nacht im Futon-Bett auf dem Boden dürfen wir an einer Zeremonie im Klostertempel teilnehmen und brechen dann nach Hiroshima auf.

Plötzlich fällt Schnee und der Klostergarten vor unseren Zimmern wird auch noch weiß überzuckert.

Plötzlich fällt Schnee und der Klostergarten vor unseren Zimmern wird auch noch weiß überzuckert. © Matthias Niese

Die Stadt, auf die im August 1945 eine Atombombe fiel, wurde wieder aufgebaut – stünde hier nicht mit dem Atom-Dom im Friedenspark noch ein zerstörtes Gebäude, man wüsste kaum, was hier Schreckliches passiert ist. Das zeigt eindrücklich das Dokumentationszentrum, durch das die Besucher still und betroffen schleichen. Es dauert etwas, bis wir uns auf das Abendessen freuen können, bei dem direkt vor uns auf einer heißen Theke Okonomiyaki zubereitet wird – aus Eierkuchen, Kohl, Speck, Ei, Käse, mit würzigen Soßen gebraten und direkt von der Theke serviert.

Direkt vor der Stadt liegt die Insel Miyajima mit einem wunderschönen, auf dem Wasser gebauten Schrein, zu dem man früher mit dem Boot durch das im Wasser „schwimmende“ Torii gelangte – eines der beliebtesten Fotomotive Japans – entsprechend ist der Rummel im kleinen Ort. Wir laufen lieber durch eine wunderschöne Schlucht 550 Höhenmeter hinauf auf den Misen und insgesamt 5 Kilometer über weitere Tempel mit toller Aussicht auf die Inselwelt und bis Hiroshima zurück.

Ein Gebäude von vollkommener Schönheit

Mit dem Shinkansen-Schnellzug geht es über 300 Km/h schnell zum Highlight jeder Japan-Reise: Kyoto. Die alte Kaiserstadt, die 1868 Ihre Würde an Tokio abgeben musste, blieb von Erdbeben und Kriegszerstörungen unzerstört und beherbergt unzählige Tempel, den Palast der Shogune und Kaiser und mit Gion ein altes Viertel voller Holzhäuser und netter Restaurants. Machen Sie auch mit dem Zug ganz einfach auf eigene Faust einen Abstecher in den nahen Bambuswald und vor allem zum goldenen Tempel – wieder eines dieser zu Recht meistfotografierten Motive Japans. Sie werden die vollkommene Schönheit eines Bauwerks erleben.

Vielleicht das anmutigste und schönste Bauwerk der Welt, mindestens aber Japans: Der goldene Tempel Kinkaku-ji in Kyoto.

Vielleicht das anmutigste und schönste Bauwerk der Welt, mindestens aber Japans: Der goldene Tempel Kinkaku-ji in Kyoto. © Matthias Niese

Mit dem Shinkansen passieren wir linker Hand den mächtigen, von Schnee bedeckten Kegel des Fuji und fahren weiter mit Regionalzügen und Bussen in die Berge zum Ashino-ko-See. Am Ufer führt die früher wichtigste Straße zwischen Kyoto und der neuen Hauptstadt Tokio in der östlichen Ebene über einen Pass. Noch heute steht dort die alte Kontrollstation, in der die Reisenden bis auf die Haut gefilzt wurden.

Mit einem kitschigen Piratenschiff fahren wir über den See und besteigen eine Seilbahn auf den Berg in Hakone. Das würde sich nicht weiter lohnen, denn der Rummel um im Schwefelwasser gekochte und schwarz verfärbte Eier ist grausam. Doch der Blick auf den Fuji und in der anderen Richtung bis nach Tokio ist toll – und auf der anderen Seite des Bergs führt die Seilbahn hinab in unser Hotel mit Onsen – einem heißen Thermalbad.

Japan Express - Rundreise durchs Zentrum Japans von Osaka über Hiroshima, Kyoto bis Tokio - Die Highlights des Landes.

Japan Express - Rundreise durchs Zentrum Japans von Osaka über Hiroshima, Kyoto bis Tokio - Die Highlights des Landes. © Matthias Niese

Wollen Sie richtig eintauchen ins Leben der Menschen? Gehen Sie an einem der freien Nachmittage oder Abende in eines der vielen öffentlichen Badehäuser, wo sich für vier, fünf Euro alle nach Geschlechtern getrennt nackt waschen, baden und in der Sauna schwitzen. Spätestens am Ende der Tour in Tokio sollten Sie sich das nach einer ausgiebigen Tour durch diese hypermoderne, vermutlich aufgedrehteste, größte und coolste Stadt der Welt gönnen. Haben Sie noch etwas Zeit, dann hängen Sie dort am besten noch einige Tage dran – die Stadt ist ein Kosmos für sich.

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Japan Express Niese © gute reise Infografik

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