Vor 80 Jahren: Attentat auf Hitler

Widerstand: Ja, aber ausschließlich gegen klar belegbare, todbringende Tyrannen-Willkür

Alexander Jungkunz

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20.7.2024, 15:00 Uhr
Hermann Göring (helle Uniform) und Martin Bormann (l.) begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete, mit der Absicht Hitler zu töten.

© Heinrich Hoffmann/UPI/Heinrich Hoffmann/UPI/dpa Hermann Göring (helle Uniform) und Martin Bormann (l.) begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete, mit der Absicht Hitler zu töten.

"Was war es eigentlich, das uns dazu trieb, ihm in den Abgrund zu folgen wie die Kinder in der Sage vom Rattenfänger? Das Rätsel ist nicht Adolf Hitler - das Rätsel sind wir." Das schrieb der Journalist Heinrich Jaenecke und fragte, warum es so wenig Widerstand gegen ein mörderisches Regime gab.

Das bekannteste Kapitel dieses Widerstands spielt am 20. Juli 1944, vor genau 80 Jahren also. Eine Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübt den Anschlag auf Hitler. Das Attentat scheitert. Der Diktator geht mit aller Gewalt gegen die Verschwörer - die hingerichtet werden - und ihre Familien vor. Und mit forciertem Terror nach innen.

Hitler verwandelte Deutschland in ein "riesiges Leichenhaus"

Wäre der Anschlag gelungen: Deutschland und der halben Welt wäre Verheerendes erspart geblieben. Denn im letzten Jahr des Krieges starben mehr Menschen als in den Jahren zuvor. "Das Ausmaß, in dem sich Deutschland in den letzten Monaten des Dritten Reiches in ein riesiges Leichenhaus verwandelt hatte, lässt sich kaum vorstellen", schreibt der britische Historiker Ian Kershaw in seinem Buch "Das Ende. Kampf bis in den Untergang."

Was die Gruppe um Stauffenberg also wagte, das war weder, wie es lange hieß, Verrat noch ein Verbrechen, sondern der Versuch, Verbrechen ein Ende zu bereiten. Doch sie scheiterten, wie auch die wenigen anderen, die versuchten, Hitler zu töten.

"Widerstand" gegen die Corona-Politik? Dafür gibt es keine Basis

Auch derzeit kursiert der Begriff "Widerstand" gelegentlich durch Debatten. Gerade feierten wir 75 Jahre Grundgesetz. Da heißt es in Artikel 20, Absatz 4: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." Gemeint ist unsere Ordnung der parlamentarischen Demokratie, des sozialen und föderalen Rechtsstaates, die in den Absätzen 1 bis 3 beschrieben wird.

Während der Pandemie zitierten Gegner der Corona-Politik diesen Widerstands-Artikel - es sei berechtigt, ja notwendig, gegen die Regierenden vorzugehen. Nein: Nur, wenn die Hand an Rechtsstaat und Demokratie gelegt wird, greift dieser Text. Dass der Rechtsstaat funktioniert, zeigen Urteile gegen einzelne Maßnahmen und die (leider schleppend) anlaufende Aufarbeitung.

Das Gewaltmonopol ist ein Kennzeichen für den Rechtsstaat

Und nach dem Attentat auf Donald Trump sorgte nicht nur der Beleidigungs-Satiriker El Hotzo mit seinem dann gelöschten Post für Debatten. Hier muss gelten: Gewalt darf kein Mittel der Politik sein. Es war ein Fortschritt, dass Rechtsstaaten die vorher willkürlich und von zu vielen ausgeübte Gewalt einhegten - mit dem Gewaltmonopol des Staates. Es wurde, auch durch Brandreden Trumps und anderer, gefährlich aufgeweicht.

Widerstand ist da gefragt, wo Recht, Freiheit und Menschenwürde verletzt werden. Und Gewalt gegen Herrscher kann nur das allerletzte Mittel sein, um noch mehr Leid, noch mehr Opfer zu verhindern. Nach diesen Maßstäben haben die Attentäter vom 20. Juli 1944 gehandelt. Mutig und selbstlos. Aller Ehren wert.

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