Auf der Online-Plattform X (vormals Twitter) fand ein Live-Gespräch zwischen Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, und dem US-amerikanischen Tech-Unternehmer Elon Musk statt.
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Auf der Online-Plattform X (vormals Twitter) fand ein Live-Gespräch zwischen Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, und dem US-amerikanischen Tech-Unternehmer Elon Musk statt.

Wahlkampf mit harten Bandagen

Warum Elon Musk und Mark Zuckerberg der Demokratie einen Bärendienst erweisen

"Plattformen wie X können eine positive Rolle spielen, weil sie ihren Nutzern Zugang zu Informationen verschaffen. Sie dürfen diese Rolle aber nicht missbrauchen und nur bestimmte Inhalte anbieten", bringt Henna Virkkunen, die für Digitalthemen zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" das Dilemma der derzeitigen Debatte über soziale Medien auf den Punkt.

Sowohl auf X als auch in den Meta-Netzwerken sind, zumindest in den USA, die letzten Hürden gefallen, die sich Fake News noch in den Weg gestellt haben. Begründet wird dies, die nächste Lüge lässt grüßen, mit der "freien Rede", die ach so bedeutsam sei. Was für eine Heuchelei!

Die Mechanismen von Facebook und Co. belohnen seit jeher steile Thesen und schrille Botschaften

Abgesehen davon, dass Meta-Boss Mark Zuckerberg vorauseilend vor Donald Trump kuscht und X-Eigentümer Elon Musk angebliches Interesse an Meinungsfreiheit stets von seinem Streben nach möglichst guten Geschäften überlagert wurde, fußt die Erfolgsstory der sozialen Netzwerke schlicht auf Hass. Die Mechanismen von Facebook und Co. belohnen seit jeher steile Thesen und schrille Botschaften, befeuern Hass und Spaltung - zulasten einer ausgewogenen Information.

Statt Vielfalt wird Einseitigkeit gefördert und statt Journalismus wird auf den Plattformen gnadenlos Meinung gemacht. Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen warnt im "Deutschlandfunk" denn auch vor einem "noch unverstandenen Großangriff auf den unabhängigen Journalismus". Das auf X geführte Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel nennt er "ein Lehrstück des Anti-Journalismus".

Als ob die Algorithmen noch nicht genug Schaden anrichten würden, setzt X-Betreiber Musk neuerdings noch eins drauf: Er mischt aktiv mit in der Politik, unmittelbar in den USA, mittelbar als Wahlhelfer der AfD. Das Informationsgeschäft ist längst zu einer wirkungsvollen Waffe geworden, die Krieger wie Musk effizient einzusetzen wissen.

Der klassische Journalismus, der im Übrigen nie meinungsfrei war, Kommentare jedoch als solche kenntlich gemacht hat, verliert an Boden. Dessen Grundprinzipien, etwa das Zwei-Quellen-Prinzip, verlieren an Bedeutung. In einer Gesellschaft der schrillen Aussagen bleibt für Zwischentöne wenig Raum, sie verpuffen ungehört.

Guter Journalismus war nie Selbstzweck

Wer nun meint, den wehleidigen Klagen eines Betroffenen nicht länger folgen zu wollen, dem sei gesagt: Guter Journalismus war nie Selbstzweck, gerade in politisch turbulenten Zeiten, wie wir sie derzeit erleben, half er beim Einordnen, Bewerten und Sortieren, kurzum: bei der politischen Willensbildung.

Mittlerweile läuft der Kampf um Wahlerfolg anders. "Am Ende hat Elon Musk mit dem Kauf von Twitter gezeigt, wie sich digitale in politische Macht verwandeln lässt, ohne dass es dafür nur eine Wählerstimme braucht", analysiert Prof. Johannes Caspar in einem Gastbeitrag für den "Spiegel". Der Wahlkampf 2025 ist längst zu einem Kampf um die Wahrheit geworden - mit offenem Ausgang.

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