Konzern steht für deutsche Krise

„Er läuft und läuft und läuft“: Nicht nur VW braucht Ideen und Flexibilität, damit es wieder läuft

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

E-Mail zur Autorenseite

29.10.2024, 14:51 Uhr
Drei Standorten von VW droht das Aus. Die IG Metall hat dagegen Protest angekündigt.

© IMAGO/IMAGO/Wolfgang Maria Weber Drei Standorten von VW droht das Aus. Die IG Metall hat dagegen Protest angekündigt.

"Er läuft und läuft und läuft": Die Älteren erinnern sich noch an diesen legendären Werbespruch für den Käfer. Aber der Satz stimmt längst nicht mehr - wie der Bahn-Slogan "Alle reden vom Wetter. Wir nicht."

Die Bahn wurde kaputtgespart vor allem von CSU-Verkehrsministern, deren Parteichef nun so tut, als seien allein die Grünen am Infrastruktur-Niedergang schuld. Dabei reicht der weit zurück in die überschätzte Stillstands-Ära Merkel.

Vor gut 30 Jahren erfand ein Mann namens Peter Hartz Bahnbrechendes

Und VW, der andere Konzern, bei dem der Staat mitregiert? Auch dort läuft aktuell wenig rund. Wieder mal. Volkswagen durchlebte immer wieder Krisen - und überwand sie auch, teils mit Ideen, die Schule machten.

Vor gut 30 Jahren erfand bei VW ein Personalvorstand namens Peter Hartz die Vier-Tage-Woche samt Beschäftigungssicherung. Die Arbeitszeitverkürzung lief zwölf Jahre, die Job-Garantie sollte bis 2029 gelten - und wird nun von der Konzernspitze gekippt. Die Grundidee des Mannes, der später Schröders Arbeitsmarktreformen plante und dann im Sumpf von Bestechung und Vorteilsnahme seinen Ruf verlor, war richtig. Und wird deshalb auch jetzt wieder debattiert, weil VW an einer ähnlichen Wegmarke steht.

Der Konzern gleicht in einigen Punkten der Bundesrepublik. Er ist überbürokratisiert, bei ihm reden zu viele rein, die Politik würde sich oft besser raushalten - vor allem aber: VW ist, wie das Land, etwas zu träge geworden, zu sehr überzeugt von der eigenen - früheren - Leistungsfähigkeit, zu überheblich gegenüber aufholenden Konkurrenten.

Vor 50 Jahren startete VW die Fortsetzung des Erfolgsmodells Käfer, den Golf. Ein Auto für alle, ein echter Volkswagen. Er ist in die Jahre gekommen, verkauft sich schlecht - und einen massentauglichen Nachfolger ist der Konzern schuldig geblieben.

Was Robert Habeck dem Konzern 2019 prognostizierte

Spannende Frage: Wer prognostizierte VW im Jahr 2019 diese Zukunft? Zitat: "Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie – so fürchte ich – im Markt scheitern." Antwort: Es war Robert Habeck, damals noch nicht Wirtschaftsminister. Doch seinen Satz unterschreiben inzwischen viele Experten.

Wer also ist schuld an der - überwindbaren - Krise? Sicher auch eine Politik, die Zickzack fuhr. Die zuerst nicht wirklich energisch auf Elektromobilität setzte - und ihr 2023 mit dem von Habeck durchgedrückten Aus für die Förderung den Stecker zog. Dabei zeigen die weltweiten Zahlen, entgegen deutschen Behauptungen: Die Zukunft ist elektrisch, die von der FDP gepushte Debatte um "Technologieoffenheit" bremst den längst laufenden Wandel.

Managementfehler, ein Stück zu komfortable Sonderkonditionen im Haustarif, unkoordinierte, planlose Interventionen der Politik: Daran krankt nicht nur VW. Das ganze Land braucht so etwas wie eine Agenda 2030. Die wird nie entstehen, wenn jeder vor sich hinwurstelt, über andere herzieht und Absprachen scheut: Die Ampel ist zu so einer Kraftanstrengung offensichtlich nicht mehr in der Lage.

3 Kommentare