Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Markus Söder und Saskia Esken ringen um die Inhalte eines Koalitionsvertrags.
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Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Markus Söder und Saskia Esken ringen um die Inhalte eines Koalitionsvertrags.

Kommentar

Schwarz-Rot unter Druck: Von Aufbruchstimmung ist bisher leider noch nichts zu spüren

Dies vorweg: Es sind nicht die Verbände von Industrie und Handel, die bestimmen, wie Regierungspolitik aussieht. Aber: Wenn die Bedingungen für die Wirtschaft nicht passen, dann wird es für Deutschland schwierig, aus der Rezession herauszukommen.

Deshalb ist der gemeinsame Appell von über hundert Wirtschaftsverbänden, die mehr Reformfreude von den angehenden Koalitionspartnern einfordern, schon bemerkenswert. Die Lobbyisten verfolgen, was CDU, CSU und SPD bisher beraten haben - und kommen, wie andere Beobachter auch, ins Staunen.

Was auf dem Spiel steht, haben alle immer wieder betont

Denn da ist - noch jedenfalls - kein wirklicher Aufbruch zu sehen. Kein Signal dafür, dass die künftige Regierung erkannt hat, was auf dem Spiel steht. Dabei haben das alle Beteiligten vor der Wahl und auch unmittelbar danach immer wieder betont.

Von der „letzten Patrone“ der Demokraten sprach etwa Markus Söder: Wenn die entstehende Koalition die Fehler der Ampel wiederholt und sich nicht auf überzeugende Konzepte einigen kann, dann ist bei der nächsten Wahl 2029 - oder womöglich früher - nichts mehr auszuschließen, könnte es immer schwieriger bis unmöglich werden, eine Regierung ohne Populisten zu bilden.

Die aktuellen Umfragen müssen vor allem die Union daher massiv beunruhigen: Die AfD legt zu, die CDU verliert weiter, beide nähern sich an. Momentan steht keine Wahl an - aber 2026 bestimmen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ihre Landesparlamente neu. Wenn die künftige Koalition im Bund bis dahin nicht Tritt gefasst hat und konkrete Ergebnisse zeigen kann, sind Protestwahlen zu erwarten - mit der AfD im Osten als stärkster Partei, siehe Bundestagswahl.

Was die Unterhändler von Union und SPD nun verabreden, entscheidet daher in jeder Hinsicht über die Zukunft des Landes - und der Demokratie. Es fehlt nicht an Vorschlägen: Eine Runde um die Ex-Minister Peer Steinbrück und Thomas de Maizière lieferte eine Blaupause für einen schlankeren und dennoch - genauer: deswegen - funktionsfähigeren Staat. Ein Kernpunkt: die Digitalisierung der Verwaltung.

Bisher war viel von neuen Geschenken zu hören und wenig von Reformen

Packen die Koalitionäre das an? Deutschland muss da endlich aufholen - andere Staaten zogen längst vorbei. Bisher war viel von der Pendlerpauschale zu hören, der Mütterrente, der Mehrwertsteuer für die Gastronomie: leider eher neue Geschenke und Subventionen statt Konzepten, die den Staat leistungsfähiger und auch gerechter machen.

Da müssten beide über ihren Schatten springen: Die Union wäre gut beraten, hohe Vermögen stärker einzubeziehen. Die SPD wiederum sollte Steuerentlastungen auch für die Wirtschaft mittragen.

Beim Thema Migration müssen beide abrüsten und sich auf praktikable Lösungen einlassen. Radikalforderungen oder Tabus führen da nur zu Stillstand.

Im Kern wissen die Beteiligten, wo sie sich deutlich mehr bewegen müssen. Sie könnten - und müssten - das auch gut begründen. Hoffentlich haben sie den Mut dazu.

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