Lars Klingbeil und Friedrich Merz beim vertraulichen Gespräch in den hinteren Sitzreihen des Bundestages.
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Lars Klingbeil und Friedrich Merz beim vertraulichen Gespräch in den hinteren Sitzreihen des Bundestages.

Kommentar

Eine Koalition eingehen heißt Geben und Nehmen: Das haben noch nicht alle verstanden

Immerhin, beim vertraulichen „Du“ sind sie schon mal angelangt, die beiden Koalitions-Hauptverhandler Friedrich Merz und Lars Klingbeil. Wenn es der Sache dient, dann soll es uns recht sein, denn jede Verbesserung der Stimmung zwischen Union und SPD bringt uns einer neuen Regierung näher. Und die braucht Deutschland nach fünf Monaten des weitgehenden politischen Stillstandes dringend.

Der bisherige Ablauf von Sondierungs- und Koalitionsgesprächen hat nicht allzu viel Hoffnung gemacht. Außer der „Billion plus“ für Infrastruktur und Verteidigung hat sich wenig getan. Die öffentlich gewordenen Abschlusspapiere der Arbeitsgruppen sind im Wesentlichen nur eine Auflistung dessen, was beide Lager nicht wollen.

Breitbeinige Sozialdemokraten

Die 19 Top-Unterhändler, die jetzt noch aktiv sind, müssen endlich mal anfangen, die unvermeidlichen bitteren Kompromisse zu schließen. Momentan gebärden sich viele so, als ob sie eine Alleinregierung bilden könnten. Sie sehen noch keine unbedingte Pflicht, sich zu einigen. Da weist etwa ein Friedrich Merz seinen neuen Duzfreund halb im Ernst, halb im Scherz darauf hin, falls die Verhandlungen scheiterten, könne er in den Ruhestand gehen, Klingbeil wohl kaum.

Umgekehrt erstaunt die Breitbeinigkeit, mit der sich viele führende Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit einiger Zeit in Talkshows und in Interviews präsentieren. Sie treten auf, als ob sie die Bundestagswahl haushoch gewonnen hätten. Die über zwölf Prozentpunkte stärkere Unionsseite sitzt dann meist ziemlich kleinlaut daneben.

Es war ein taktischer Fehler des künftigen Kanzlers, wenn auch letztlich unvermeidlich, dass er bereits in einer ganz frühen Phase der SPD die beiden gewaltigen Sondervermögen und das Lockern der Schuldenbremse zusagte. Offensichtlich, ohne sich spätere Zugeständnisse im Bereich der Migrationspolitik oder der Sparmaßnahmen beim Haushalt zusichern zu lassen. Nun hat er wenig Verhandlungsmasse.

Einen Vorwurf müssen sich alle Partner gefallen lassen: Der Ernst der Lage scheint - zumindest bisher - ihr Verhalten noch nicht maßgeblich zu bestimmen. Denn viel wichtiger als schwarze oder rote Teilerfolge auf politischen Themenfeldern wäre es, dass die Deutschen wieder den Eindruck gewinnen, es mit einer Regierung zu tun zu haben, die an einem Strang zieht.

Keine nächtlichen Gewaltaktionen!

Noch sind es ja einige Wochen hin bis Ostern. Das war die selbstgesetzte Frist von Friedrich Merz zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages. Schön wäre es allerdings, wenn man nicht wie bei der bisher jüngsten GroKo im Jahre 2018 am Ende wieder über 20 Stunden am Stück dauerverhandeln würde.

Die Ergebnisse solch nächtlicher Gewaltaktionen sind oft nicht die besten. Außerdem wirkt es bei den Bürgern so, als ob man einfach irgendetwas zusammengeschustert habe, nur um eine Lösung bieten zu können. Es gibt nichts, was bei ernsthaftem Herangehen nicht auch schon vorher als guter Kompromiss zu beschließen wäre.

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