Herkulesaufgabe für die CDU

Nach Thüringen und Sachsen: Die deutsche Politik muss sich jetzt dringend neu erfinden

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent

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2.9.2024, 13:34 Uhr
Auf seine Partei kommt es nun in zwei Ländern an: CDU-Chef Friedrich Merz.

© IMAGO/Christoph Hardt/IMAGO/Panama Pictures Auf seine Partei kommt es nun in zwei Ländern an: CDU-Chef Friedrich Merz.

Sachsen und Thüringen sind möglicherweise nur ein Vorspiel dafür, was in der deutschen Politik in Zukunft noch öfter passieren wird: Es haben Wahlen stattgefunden und eigentlich gibt es keinen Weg hin zu einer stabilen Regierung.

Um nur mal das eine, deutlich schwierigere Beispiel zu nennen: Im Freistaat Thüringen ist nur noch eine Koalition möglich, wenn die AfD des Rechtsextremen Björn Höcke nicht an die Macht kommen soll: die CDU, das Bündnis Sahra Wagenknecht und die Linke müssen ein Bündnis schließen oder sich wenigstens in Form einer Minderheitsregierung tolerieren.

Unerhörte Partnerschaften

Das ist geradezu unerhört für alle Beteiligten. Die ziemlich konservativen Thüringer Christdemokraten als Partner von Wagenknecht, der ehemaligen Galionsfigur der Kommunistischen Plattform, und zugleich noch mit den Linken als Nach-Nachfolgepartei der SED - wie soll das gehen? Zumal es auch noch einen Parteitagsbeschluss gibt, mit Letzteren keinesfalls zu koalieren.

Halten wir fest: Die Zeiten, in denen man sich mit seinem Kuschelpartner (SPD mit Grünen; Union mit FDP) zusammentun konnte, scheinen bis auf lokale Ausnahmefälle weitgehend vorbei und sie werden wohl auch nicht wiederkommen. Das zeigt ja im Bund überdeutlich die Ampel, wo sich Rot-Grün und FDP wechselseitig als Störenfriede empfinden. Doch im Vergleich dazu ist die mögliche Thüringer Koalitionsvariante eine Herkulesaufgabe.

Die Beteiligten müssen jetzt verbal abrüsten. In den Bundesländern wird nicht über Krieg und Frieden, nicht über die Rente, nicht über die Migration und nicht über die Energiewende entschieden. Es geht um die Bildungspolitik, um die regionale Wirtschaft und um die Polizei. Wahrlich keine Kleinigkeiten, aber Bereiche, in denen Lösungen zu finden sein sollten.

Im politischen Betrieb Deutschlands wird immer noch vieles ideologisch überhöht. Die Wählerinnen und Wähler wollen aber nicht von früh bis spät mit Weltanschauungsfragen konfrontiert werden. Gute Regierungspolitik, insbesondere in Kommunen, aber auch in den Ländern, ist oft eine Frage des Handwerks. Die Bürger wollen, dass die Schulen ihrer Kinder gut ausgestattet sind und dass die Polizei in der Lage ist, die Bevölkerung zu schützen. Ob ein BSW-Minister dafür verantwortlich ist oder einer von der CDU, spielt nicht die entscheidende Rolle.

Eine Regierungskoalition muss den Maximalkonsens unter den Partnern erarbeiten und das Beschlossene dann fünf Jahre lang abarbeiten - nicht mehr und nicht weniger. Man kann gerne ins Vorwort zum Koalitionsvertrag einen Appell für den Weltfrieden einbauen oder die Forderung nach einer besser geregelten Migrationspolitik, aber das ist auf Landesebene lediglich eine Willensbekundung. Nur wenn die Beteiligten das einsehen, können sie erfolgreich sein.

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