Korrigierter Haushalt

Markus Söders neuer CSU-Kurs: Es wird sozial kälter in Bayern

Roland Englisch

München-Korrespondent

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15.11.2024, 17:10 Uhr
CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder hat das Problem, dass auch er in Bayern sparen muss. Doch die Kritik an seinen Plänen kam postwendend.

© Peter Kneffel/dpa CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder hat das Problem, dass auch er in Bayern sparen muss. Doch die Kritik an seinen Plänen kam postwendend.

Der Aufschrei war erwartbar. Kaum setzt CSU-Chef Markus Söder den Rotstift an im Haushalt, werfen ihm seine Kritiker eine neue soziale Kälte vor. Immerhin streicht er vor allem dort. Es melden sich freilich auch jene, die ihn schon angegriffen hatten, als er Landespflege-, Landesfamilien- und Krippengeld eingeführt hat.

Zumindest bei Pflege- und Familiengeld ließe sich begründen, warum das Weniger durchaus ein Mehr sein kann. Söder hatte sie als Geschenke im Wahlkampf angelegt und jeden Hinweis ausgeschlagen, das Konstrukt sei weder ausgewogen noch zielführend oder auch nur sozial gerecht. Die Mittel fließen pauschal an jeden, der sie beantragt, egal, wie viel er verdient, wie die Familie aufgestellt ist und wer da wen pflegt.

Plötzlich gelten die Sicherheiten von gestern nichts mehr

Die CSU hat einst mit dem Familiengeld jene umstrittene Herdprämie ersetzt, die sie erst mit roher Gewalt bundesweit durchgedrückt hatte. Bis das Bundesverfassungsgericht sie wieder einkassiert hatte. Das Landesfamiliengeld schaffe "maximale und echte Wahlfreiheit für junge Familien", sagte Söder damals. Offensichtlich braucht es die jetzt nicht mehr.

Das Geld wäre für Familien und Pflegende tatsächlich besser investiert in die Infrastruktur, weil dort die Defizite liegen, die Frauen zu Teilzeit zwingen und Familien zur Pflege ihrer Angehörigen. Es ist in Zeiten des Fachkräftemangels verrückt, wenn der Staat finanziell bestens ausgebildete Frauen dazu ermuntert, zuhause zu bleiben. Einzig das Krippengeld ist einkommensabhängig, das vor allem berufstätigen Müttern hilft. Doch auch da streicht die Regierung.

Nur - so argumentiert Söder nicht. Vor wenigen Wochen noch hat er medienwirksam einen Scheck an die einmillionste Familie überreicht und das Ganze auf seinen (Partei)-politischen Social-Media-Kanälen vermarktet. Er feiert sich für 4,6 Milliarden Euro, die bereits geflossen sind. Jetzt die Kehrtwende. Klar, Söder begründet den Schritt mit knappen Einnahmen und beteuert, das Geld werde in die Infrastruktur fließen. Doch verbindlich sind solche Ankündigungen nicht. Und überprüfbar sind sie auch kaum.

Zumal es Söder nicht bei Familien- und Pflegegeld belässt. Das Krippengeld hilft jenen, die wenig verdienen. Sie trifft es deshalb doppelt. Sein Junktim beim Deutschlandticket - entweder der Bund zahlt alles oder es ist vorbei - trifft ebenfalls die, für die es finanziell ein Segen war. Dazu seine Attacken auf das tatsächlich diskutable Bürgergeld, auf finanzielle Mittel für Geflüchtete und der Druck, den er auf sie ausüben will - all das legt nahe, dass Söder die soziale Temperatur deutlich nach unten dreht.

Über seine Motive lässt sich diskutieren. Übertrieben empathisch wirkte Söder noch nie, doch das ist in der Union eine Bedingung für den Weg nach ganz oben. Tatsächlich dürfte es vor allem wieder einmal zeigen, wie flexibel Söder in seinen politischen Grundfesten ist. Und wie wenig Skrupel ihn dabei plagen.

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