Kanzler und FDP laden gesondert ein

Jedem seinen eigenen Wirtschaftsgipfel: Wie sich die Ampel-Regierung selbst zerlegt

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent

E-Mail zur Autorenseite

28.10.2024, 15:13 Uhr
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, spricht im Plenarsaal. Neben ihm sitzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

© Kay Nietfeld/Kay Nietfeld/dpa Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, spricht im Plenarsaal. Neben ihm sitzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Die Ampel-Regierung muss alles in ihrer Kraft stehende tun, um der kränkelnden deutschen Wirtschaft zu helfen. Das wird kein vernünftiger Mensch bestreiten, denn von einer florierenden Wirtschaft profitieren letztlich alle - von den Unternehmern über die Arbeitnehmer bis hin zu den Empfängern von Transferleistungen. Aber das, was SPD und FDP jetzt aufführen, ist schon eine ziemlich schräge Angelegenheit.

Nachdem lange Zeit wenig zu hören war, veranstalten Kanzler und FDP-Bundestagsfraktion nun an ein- und demselben Tag zwei Konkurrenzgipfel mit führenden Verbandsvertreterinnen und -vertretern. Olaf Scholz spricht mit der Industrie, während sein Finanzminister Christian Lindner und die Bundestagsfraktion der Liberalen unter anderem Arbeitgeberverbände und Industrie- und Handelskammer einladen. Nach einer Politik aus einem Guss sieht das nicht aus.

Es sieht nach Konkurrenz aus

Denn es war ja nicht so, dass die Ampel diese Veranstaltungen von vorneherein als wirtschaftspolitischen Doppelschlag ankündigte. Das hätte ja noch etwas von stringenter Politik gehabt. Die FDP überraschte mit ihrer öffentlichen Ankündigung die Sozialdemokraten. Das sieht schon arg nach Konkurrenzveranstaltung aus - und so ist es wohl auch gedacht.

Die Erklärung von Finanzminister Christian Lindner trägt kaum dazu bei, den Verdacht zu entschärfen. Die Einladung der Liberalen sei "eher komplementär" ("ergänzend") zu der des Bundeskanzlers, ließ er wissen. "Eher" - ein schwaches Argument. Die FDP-Bundestagsfraktion sei frei und autonom in ihren Entscheidungen, sagte Lindner. Da hat er allerdings Recht, denn das beweist die Partei auch seit geraumer Zeit mit ihrem Auftreten innerhalb der Ampel-Regierung.

Selbstverständlich muss es nicht zwingend ein Schaden sein, wenn gleichzeitig an mehreren Orten über Maßnahmen zur Erholung der Wirtschaft geredet wird. Wenn allerdings bei diesen Terminen von den Akteuren komplett unterschiedliche Vorstellungen vertreten werden, was zu erwarten ist, dann schwächt dies das Vertrauen der Unternehmer eher als dass es für Zuversicht sorgt.

Insgesamt wirkt es eher so, als ob da schon reichlich früh eine Art Vorwahlkampf stattfindet. Die FDP versichert den Verbänden, die eigentliche Wirtschaftspartei zu sein. Der Kanzler signalisiert seinerseits den Großunternehmen, dass er wie einst Gerhard Schröder der wahre "Genosse der Bosse" ist, auf den sie sich verlassen können.

Sigmar Gabriel: "Hört auf oder besinnt euch!"

Man weiß schon gar nicht mehr, auf welchen Ampel-Krisenherd man als nächstes mit Sorge blicken soll, so viele gibt es davon. Eines der größten Probleme ist der Bundeshaushalt für 2025. Der ehemalige SPD-Vorsitzende und langjährige Bundesminister Sigmar Gabriel brachte es gerade erst auf den Punkt, als er den drei Koalitionsparteien zurief: "Hört auf oder besinnt euch!"

Keine Kommentare