Nach der Tötung von Jihia al-Sinwar

Israels Feinde ohne Kopf: Chance für Frieden in Gaza - oder Kampf und Hass ohne Ende?

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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18.10.2024, 15:32 Uhr
Er war der Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober 2023: Jihia al-Sinwar.

© IMAGO/Yousef Masoud/IMAGO/ZUMA Wire Er war der Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober 2023: Jihia al-Sinwar.

Es geht buchstäblich Schlag auf Schlag: Israel tötete seit Juli die führenden Köpfe seiner Feinde - den damaligen Hamas-Chef mitten in Teheran, später den Hisbollah-Chef, dann dessen Nachfolger und wiederum dessen Nachfolger, nun kam Hamas-Führer Jihia al-Sinwar ins Visier Israels. Das Land schafft es mit seiner überlegenen Militärtechnik (und nun auch per Zufall), die Gegner massiv zu treffen, zu schwächen, zu demütigen.

Lange sagten Beobachter: Das hilft alles nichts, der Hydra des Terrors wachsen neue Köpfe nach, Gewalt gebiert Gewalt und neuen Hass. Aktuell aber wirken Hamas und Hisbollah, gefördert und gestützt vom Iran, paralysiert, trotz der reflexartigen Drohung mit einer weiteren Eskalation.

Und Israel, also vor allem Netanjahu? Es ist offen, ob aus jener Chance wirklich etwas wird, die nun viele sehen. Eigentlich könnte der Premier nun erklären: Wir haben unseren Feind, unsere Feinde, besiegt. Damit wäre ein Zeitfenster offen, um über die immer noch 101 Geiseln in den Händen der Hamas zu verhandeln. Kommen sie, sofern sie noch leben, frei - dann gäbe es die Chance für weitere Gespräche während einer Waffenruhe.

Aber gelingt es Netanjahu, die rechtsextremen Minister im Kabinett zur Mäßigung zu bringen? Dort fordern manche die Annexion des Gaza-Streifens und des Westjordanlands. So aber lässt sich gewiss kein Kompromiss mit den Palästinensern finden, die auf Land pochen.

Das Erbe des Hamas-Chefs: über 40.000 Tote

Und die Palästinenser? Da ist die offene Frage, ob es der breiten Mehrheit der leidenden Zivilbevölkerung gelingt, das Joch der Unterdrückung durch die angeblichen Befreier von Hamas und Hisbollah loszuwerden. Alle sehen, was das Erbe des nun getöteten al-Sinwar ist, der den Terror vom 7. Oktober 2023 erdachte und startete: über 40.000 Tote, unermessliches Leid in Israel und in Gaza, einem zerbombten Landstrich. Aber: Schaffen es die Menschen, umzusetzen, was ihnen zu wünschen ist? Nämlich: Free Gaza from Hamas, befreit euch von denen, die euch nicht helfen, sondern instrumentalisieren?

Da kommt Teheran ins Spiel. Wie verhalten sich die Mullahs, ebenfalls getroffen durch Israels Schläge? Bisher reagierte der Iran verhalten. Die im Land verhasste Staatsspitze muss selbst um ihre Macht fürchten, Netanjahu rief kürzlich die Menschen dort auf: "Lasst nicht zu, dass eine kleine Gruppe fanatischer Gotteskrieger eure Hoffnungen und Träume zertrümmert." Die Iraner und die ganze Welt hätten Besseres verdient. "Mögen wir gemeinsam eine Zukunft von Wohlstand und Frieden erleben."

Klingt wie eine Utopie. Weit entfernt. Das Regime in Teheran ist ja auch noch an der Macht, aber es spürt, wie der Druck wächst. Setzt der Iran auf einen moderaten Kurs, dann könnte das Fenster für Verhandlungen offen stehen. Momentan darf, muss man darauf hoffen. Auch darauf, dass die Verbündeten beider Seiten die Kontrahenten zum Dialog drängen - um der Menschen willen, deren Leid ein Ende haben muss.

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