Ein gesellschaftliches Problem

Hatespeech und Politik: Die Gefahr aus dem Netz zeigt sich in Großbritannien - und in Deutschland

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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8.8.2024, 15:00 Uhr
Was über Politikerinnen und Politiker an Hass und Hetze im Internet hereinbricht, ist oft genug kriminell. Die Behörden in Deutschland reagieren und sammeln Anzeigen. Den Hass aber stoppt das nicht.

© imago/photothek Was über Politikerinnen und Politiker an Hass und Hetze im Internet hereinbricht, ist oft genug kriminell. Die Behörden in Deutschland reagieren und sammeln Anzeigen. Den Hass aber stoppt das nicht.

Gäbe es einen olympischen Wettkampf in Hatespeech, Donald Trump wäre ein Goldanwärter. Der Ex-US-Präsident kultiviert wie kein anderer in der Spitzenpolitik die Schlammschlacht; er lebt vom Erniedrigen und der Verächtlichmachung seines politischen Gegenübers und nutzt jede Lüge, so abgefeimt sie auch ist.

Wohin das führt, zeigt sich in Großbritannien. Dort missbraucht ein rechter Mob eine verfälschte Geschichte für blutige Ausschreitungen und Angriffe auf Minderheiten. Die Wahrheit interessiert sie ohnehin nicht, wenn sie nicht in ihr Weltbild passt.

Robert Habeck zeigt 700 Hater an

Und bei uns? Geraten Politikerinnen und Politiker unter Feuer, weil sie ihre Meinung vertreten, für ihre Überzeugungen einstehen. Es trifft sie quer durch alle Lager. CSU-Chef Markus Söder zitiert in Parteitagsreden aus dem Mittelfeld der Beleidigungen und Schmähungen, die ihn im Internet treffen. Die übelsten Hassbotschaften erspart er seinem Publikum, zu unsäglich.

Robert Habeck von den Grünen hat gerade ein Bündel Strafanzeigen der Staatsanwaltschaft übergeben, 700 an der Zahl. Dabei hat er nur die schlimmsten Beleidigungen und Drohungen erfasst. Seine bayerische Parteifreundin Katharina Schulze erlebt das ständig, bei ihr ist es vor allem sexualisierte, verbale Gewalt.

Was in den Köpfen der Täter, es sind überwiegend Männer, vor sich geht, erschließt sich nicht. Im vermeintlichen Schutz des anonymen Internets verlieren sie sämtliche Hemmungen und jede Scheu, von Anstand ganz zu schweigen.

Es ist eine ekelhafte Subkultur entstanden, die sich über die Politik auf allen Ebenen ebenso ergießt wie über Medien- oder Kunstschaffende, über Menschen mit anderer sexueller Orientierung, über Andersdenkende oder einfach nur anders Lebende. Gut, dass Polizei und Justiz mittlerweile Strukturen haben, mit denen sie gegen den Hass im Netz vorgehen können.

Es hilft nur gegen die Symptome

Doch das wird kaum reichen. Es gibt zwar die Fälle, in denen die Hater zurückschrecken, wenn sie plötzlich im Visier der Staatsanwälte sind. Das aber hilft nur gegen die Symptome, nicht gegen das eigentliche Problem: Den Menschen fehlt es zunehmend an Toleranz; sie akzeptieren keine abweichende Meinung mehr, keine Lebensentwürfe, die nicht den ihren entsprechen, keine anderen Kulturen.

Es ist eine Frage des Respekts, der Achtung des Gegenübers, dessen Position niemand teilen muss, sondern nur akzeptieren. Auch die Politik muss das vorleben; es sind Tugenden, die eine Gesellschaft erst funktionieren lassen.

Nicht alle im demokratischen Spektrum unserer Parteienlandschaft haben das immer gelebt. Auch bei ihnen hat es Auswüchse gegeben, antidemokratische Reden, herabsetzende Wortwahl, Anleihen bei den extremen Rändern.

Doch von amerikanischen Verhältnissen sind wir weit entfernt. Dass es so bleibt, liegt in der Verantwortung aller - der Politik wie der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Sie haben es in der Hand. Und sie sollten sich daran erinnern und danach leben.

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