Verschleppungstaktik schadet massiv

Corona-Protokolle: Politik füttert mit ihrem Versagen die Verschwörungstheorien

Harald Baumer

Korrespondent Berlin

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25.7.2024, 12:01 Uhr
Das Berliner Robert-Koch-Institut war während der Corona-Pandemie ein entscheidender Schauplatz.

© Harald Baumer/VNP Das Berliner Robert-Koch-Institut war während der Corona-Pandemie ein entscheidender Schauplatz.

Es wäre genug Zeit gewesen. Zeit für Aufklärung, für Klarstellung, für Entschuldigungen, für das Entwerfen von Konzepten für die Zukunft. Aber die deutsche Politik - im Bund, in den Ländern, in unterschiedlichsten Parteien - hat all das bisher nicht in ausreichendem Maße getan. Offensichtlich gab es die heimliche Hoffnung, dass die Deutschen die Fehler aus der Corona-Zeit allmählich vergessen und es damit sein Bewenden hat.

Und jetzt bekommen wieder diejenigen Oberwasser, die von Anfang an hinter allem eine große Verschwörung vermuteten - sei es des amerikanischen Großkapitals, bestimmter Wissenschaftler oder diverser Regierungen. Sie sammelten jeden Hinweis, der dazu diente, ihre teils ziemlich absurden Theorien zu bestätigen.

Corona-Pandemie: Keine dunklen Mächte im Spiel

Tatsächlich muss man aber gar keine dunklen Mächte vermuten hinter dem, was schief gelaufen ist. Es waren allzu menschliche Dinge, die hier passierten: Kriminelle Handlungen (im Zusammenhang mit Maskengeschäften), Fehleinschätzungen (etwa bei Corona-Maßnahmen gegenüber Schulkindern), Verschweigen (im Zusammenhang mit Problemen beim Impfstoff Astrazeneca) und mindestens fahrlässige Falschbehauptungen (zum Beispiel über die "Pandemie der Ungeimpften").

Das ist alles schlimm genug und gehörte schon längst aufgeklärt. Gleichzeitig muss man aber auch feststellen: Die deutsche Politik hat es angesichts einer nie dagewesenen Herausforderung aufrichtig versucht, die Bevölkerung nach bestem Wissen und Gewissen vor der Pandemie zu schützen. Und das ist ihr in der Summe gar nicht so schlecht gelungen. Aber eben nur in der Summe und längst nicht in allen Verfahrensschritten.

Aktuell dreht sich die Debatte um die Sitzungsprotokolle des Krisenstabes im Robert-Koch-Institut, die ohne Genehmigung komplett ungeschwärzt online veröffentlicht wurden. Das verletzt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, die ja nicht alle Spitzenpolitiker waren, sondern auch Beamte und Wissenschaftler - also Menschen, die deutlich mehr Schutzrechte genießen als Amts- und Mandatsträger.

Lauterbach hätte die Corona-Protokolle vorher veröffentlichen müssen

Auch hier hätte die Politik manches besser machen können. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte jetzt, er habe die volle Veröffentlichung der Protokolle sowieso erlauben wollen (dann aber mit geschwärzten Namen schutzberechtigter Personen). Hätte er es nur früher getan, dann wäre den Kritikern einmal mehr das Argument genommen worden, hier solle etwas verheimlicht werden.

Der Bundestag sollte schleunigst versuchen, mit einer Enquete-Kommission und einem Bürgerrat das Thema Pandemie aufzuarbeiten. Auch das wird schon ewig verschleppt. So bestünde zumindest die Chance der Gesellschaft, sich mit den noch erreichbaren Zweiflern und Kritikern der Corona-Politik auszusöhnen. Die Verschwörungstheoretiker sind verloren, da sollte man sich keine Hoffnung machen.

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