Der Mann mit der Kettensäge: Javier Milei, selbst ernannter "Anarchokapitalist" und Präsident Argentiniens, bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Motorsäge ist Symbol für den sozialpolitischen Kahlschlag, den er propagiert.
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Der Mann mit der Kettensäge: Javier Milei, selbst ernannter "Anarchokapitalist" und Präsident Argentiniens, bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Motorsäge ist Symbol für den sozialpolitischen Kahlschlag, den er propagiert.

Radikale Reformen kaum umsetzbar

FDP-Chef Lindner will „mehr Milei und Musk“. Doch Kettensägen-Politik würde Deutschland schaden

Er weiß genau, wie sich Schlagzeilen und damit Aufmerksamkeit erzeugen lassen - FDP-Chef Christian Lindner hat kürzlich ganz bewusst jenen Nebensatz fallen lassen, der dann prompt für Aufregung sorgte: Beim Talk von Caren Miosga forderte er, Deutschland solle "ein kleines bisschen mehr Milei und Musk wagen".

Zwei Namen, zwei Reizfiguren: Javier Milei ist seit einem Jahr Präsident in Argentinien - und die meisten verbinden ihn mit einer Kettensäge in der Hand. Damit machte er Wahlkampf, und mit der Kettensäge will er das abgewirtschaftete Land wieder nach oben bringen.

Der Mann mit der Kettensäge hat Erfolg zu einem sehr hohen Preis

Sein Programm ist radikal, er halbierte die Zahl der Ministerien, baute die Verwaltung radikal ab, kürzte bei den Staatsleistungen drastisch. Ob sein Brachial-Liberalismus funktioniert, ist offen: Die Hyper-Inflation, das Trauma Argentiniens, geht deutlich zurück, das Land gewinnt Vertrauen zurück - zum Preis stark gestiegener Arbeitslosigkeit und Armut. Soweit der Zwischenstand seines Experiments.

Elon Musk, der reichste Mensch der Welt, soll nun Donald Trump beim Abbau von Bürokratie und Personal beraten. Seine bisher zu hörenden Vorschläge sind eher irrlichternd. Und viele fragen sich, ob er seine Interessen als sehr mächtiger Unternehmer (Plattform X, private Raumfahrt, Kommunikations-Satelliten) verquickt mit seiner politischen Macht.

Lindner meint: mehr Mut zu Disruption, zu jener "schöpferischen Zerstörung", die der Ökonom Joseph Schumpeter empfahl. In der Tat ist der Staat - für den Milei übrigens nur "grenzenlose Verachtung" empfindet - oft nicht die Lösung, sondern das Problem: zu viel Bürokratie, zu viel Verwaltung, zu viel Selbstlähmung.

Aber es ist nachvollziehbar, wenn CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sich erst mal "entsetzt" zeigt, weil der FDP-Chef so einen Aufbruch mit Milei und Musk verknüpft. Deren radikale Methoden lassen sich in Deutschland mit seiner auch von den meisten Bürgern geteilten Sehnsucht nach Sicherheit und Stabilität nicht durchsetzen - und das ist gut so.

Das Rezept für eine austarierte Reformpolitik lieferte der Fürther Ludwig Erhard

Das Rezept für eine austarierte Reformpolitik lieferte der Fürther Ludwig Erhard mit seiner Sozialen Marktwirtschaft - von der wir aktuell teils eine Überdosis Soziales und zu wenig Markt erleben. Da ließe sich anknüpfen, nicht an Radikalreformern, die soziale Stabilität bewusst aufs Spiel setzen.

Im übrigen sei die Frage erlaubt, wann denn die FDP in den vielen Jahrzehnten ihrer Regierungsbeteiligung schon mal wirklich Wagemut zeigte. Das Mantra-artige Festhalten an Schuldenbremse oder Tempolimit, zähe Lobby-Politik und Steuersenkungs-Forderungen - darüber würden Musk und Milei eher lachen.

Deutschland kam vor 20 Jahren schon einmal aus einer ähnlichen Krise wie jetzt, mit den Schröderschen Reformen. Aktuell denken zu viele bei "Work life balance" zuerst an ein gutes Leben. Dass dies nur mit harter Arbeit möglich ist, gerät zu oft aus dem Blick. Da braucht es einen Aufbruch. Aber keinen Abbruch.

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